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Die Bestimmungsgründe der Wechselwahl im Michigan-Modell — Empirische Befunde auf der Individualebene

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Wählerwandel und Wechselwahl

Part of the book series: Studien zur Politikwissenschaft ((SZP))

  • 198 Accesses

Zusammenfassung

Aussagen, die dem Abschmelzen von Parteibindungen ganz bestimmte unausweichliche Wirkungen auf die Stabilität des Wahlverhaltens in einer Gesellschaft zuschreiben, gehen wenigstens implizit von einer monokausalen Erklärung wechselnden Wahlverhaltens aus: eine (starke) Parteiloyalität führe zu stabilem Stimmverhalten, während parteipolitische Bindungslosigkeit mit fluktuierendem Wahlverhalten einhergehe. Der logischen Struktur dieser Aussagen kann eine empirische Analyse nur gerecht werden, wenn sie bei den Wählermotiven auf der Individualebene ansetzt. Sollte sich die Parteiidentifikation auf der Mikroebene empirisch als einzig bedeutsame Einflußgröße erweisen, wäre es gerechtfertigt, einen Anstieg der Wechselaktivität als unvermeidliche Begleiterscheinung eines Dealignments aufzufassen. Das politische Angebot, etwa in Form von Parteiprogrammen und Kandidaten, spielte in diesem Szenario keine Rolle für die Entwicklung der Wechselrate. Erst wenn sich auf der Individualebene eine Wirkung von Einstellungskonflikten oder -änderungen nachweisen ließe, also der flexiblen Komponenten des sozialpsychologischen Mikromodells, die unmittelbar auf das politische Angebot reagieren können, wären die Aktivitäten auf der Angebotsseite als ein Faktor aufzufassen, der nicht nur Wähler, die ohnedies wechselten, in eine bestimmte Richtung lenkt, sondern die Verbreitung der Wechselwahl eigenständig beeinflussen kann, indem er parteigebundene Personen zum Wechsel bewegt und Parteilosen stabiles Stimmverhalten nahelegt.

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Literatur

  1. Zwischen den drei untersuchten Systemen bestehen überdies Unterschiede in der praktischen Durchführung der Erhebung, die die internationale Vergleichbarkeit der Befunde gefährden könnten. Die amerikanischen Befragungen sind als Kurzfristpanels angelegt, in deren Vorwahlwelle die Parteiidentifikation erfragt wird, während die Information über das Wahlverhalten der Nachwahlwelle entstammt. In Großbritannien und in der Bundesrepublik werden beide Merkmale in ein und demselben Interview erhoben, in Großbritannien zuweilen sogar in ziemlich großer zeitlicher Nähe, weshalb Harmonisierungseffekte zwischen den Angaben zur Parteiloyalität und dem Wahlverhalten hier weitaus wahrscheinlicher scheinen. Gleichwohl fallen diese theoretisch plausiblen Effekte empirisch kaum ins Gewicht, da beispielsweise in Großbritannien der Reihenfolge der beiden Fragen keine Wirkung auf die Messung der Parteiidentifikation nachgewiesen werden konnte (vgl. Heath/Pierce 1992). Ebenso treten in den USA zwischen der Vor- und der Nachwahlmessung der Parteiidentifikation praktisch keine Unterschiede in den Effekten auf die Stabilität des Wahlverhaltens auf, wie hier nicht berichtete Validierungsanalysen zeigen. Diese Befunde legen die Folgerung nahe, daß Verzerrungseffekte, die von Details der Erhebung verursacht werden könnten, praktisch bedeutungslos sind. Daher dürfte auch die Recallmessung der Wechselwahl ohne Wirkung auf die Erhebung der Parteiidentifikation bleiben, die theoretisch, falls eine Person auf die beiden wahlverhaltensbezogenen Fragen zweimal die gleiche Partei nennt, die Neigung anwachsen lassen könnte, später im Interview fälschlich eine Parteibindung anzugeben. Wenn aber in keinem der drei Länder Feinheiten der Erhebung die Meßergebnisse merklich beeinflussen, können sie Resultate internationaler Vergleiche des Parteibindungseffekts auf die Stabilität des Wahlverhaltens ebenfalls nicht verzerren; daher wird in der weiteren Diskussion auf diese Effekte nicht mehr eingegangen.

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  2. Die Durchführung der Analysen wurde von zwei Kriterien abhängig gemacht. Erstens sollte die Fallzahl insgesamt mindestens 100 betragen; und zweitens sollte jede der beiden Ausprägungen der abhängigen Variable mit mindestens 25 Fällen vertreten sein (siehe Backhaus et al. 2000: 137).

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  3. Zwar liegen mit Power Logit (siehe Morgan 1992) und Scobit (siehe etwa Nagler 1994) Verallgemeinerungen des Logit-Modells vor, doch werden sie hier nicht verwendet, da sie mit zusätzlichen Annahmen verbunden und mit statistischen Problemen behaftet sind (vgl. Achen 2002).

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  4. Zudem gilt es zu bedenken, daß in der logistischen Regression die Varianzaufklärungsrate — hier erfaßt mit der relativen Devianzreduktion (siehe dazu auch DeMaris 2002) — systematisch niedriger ausfällt als für die lineare Regression (vgl. Andreß et al. 1997: 288–289).

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  5. Pseudo-R2-Werte in bivariaten Logitmodellen eignen sich nur bedingt als Maß für den Effekt des Prädiktors, da neben der Wirkung der Bestimmungsgröße die Randverteilungen der untersuchten Merkmale die Höhe von Pseudo-R2 beeinflussen, was Vergleiche zwischen verschiedenen Modellen beeinträchtigen kann (siehe etwa Jagodzinski/Quandt 1997: 766–770). Daher sind für solche Zwecke Logitkoeffizienten vorzuziehen.

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  6. Die Analysen zu den Determinanten der Wechselwahl stützen sich ab 1983 nicht auf die Politbarometer-Daten, sondern auf das Datenmaterial, das im Rahmen der Bundestagswahlstudien erhoben wurde (siehe Anhang C). Denn nur in diesen Datensätzen sind durchgängig Informationen zu den Kandidaten- und Sachfragenorientierungen enthalten, die in den folgenden Untersuchungsschritten eine wichtige Rolle spielen werden. Soweit es sich um Kurzfristpanels handelt, werden die Daten aus der letzten Erhebung vor dem Wahltag, also aus der zweiten (1983, 1987) oder dritten Welle (1990) verwendet (siehe auch Fußnote 78).

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  7. Implizit ist damit auch gesagt, daß andere Facetten des gesellschaftlichen Wandels, etwa Veränderungen in der Wahlkampfführung und die Medienexpansion (siehe anders nuanciert Semetko/Schoenbach 1999, 2000), insofern die Prägekraft der Parteiidentifikation intakt ließen.

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  8. Die weiche britische Messung der Parteiidentifikation erleichtert es Respondenten generell, ihre Angaben zur Parteibindung an ihre Auskünfte zum Wahlverhalten oder zu politischen Einstellungen anzupassen, weshalb in Großbritannien die Übereinstimmung der Parteiidentifikation mit anderen Einstellungen etwas überschätzt werden dürfte. Da der Meßfehler aber die künstliche Einstellungsharmonisierung unter Stamm- und Wechselwählern gleichermaßen begünstigen dürfte, resultiert daraus in Großbritannien keine Verzerrung des Effekts attitudinaler cross-pressures auf die Stabilität des Wahlverhaltens, so daß internationale Vergleiche davon nicht beeinträchtigt werden können (siehe auch S. 158–159). Ebensowenig ist von überdurchschnittlichen Harmonisierungseffekten auszugehen, wenn mutmaßlich zu periphere Einstellungen als Indikatoren für Sachfragen- und Kandidatenorientierungen verwendet werden: Zwar können periphere Attitüden leichter harmonisiert werden, doch dürfte ein Respondent wegen ihrer vergleichsweise randständigen Position ein schwächeres Bedürfnis verspüren, Aussagen zu einer solchen Attitüde künstlich mit seinen Angaben zum Wahlverhalten in Einklang zu bringen, als im Falle einer zentralen Orientierung. Beide gegenläufigen Effekte zusammengenommen, ist bei peripheren Attitüden nicht mit einer verstärkten Harmonisierung zu rechnen; folglich können auf dieser Grundlage errechnete Koeffizienten nicht zusätzlich verzerrt sein.

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  9. Um innerhalb eines Modells die geschätzten Effekte für die einzelnen Prädiktoren sinnvoll vergleichen zu können, sind standardisierte Koeffizienten erforderlich. In Anlehnung an das entsprechende Verfahren in der linearen Regression (vgl Achen 1982: 74) wird dazu jeder einzelne unstandardisierte Koeffizient mit der Standardabweichung der jeweiligen unabhängigen Variable multipliziert (vgl. etwa Andreß et al. 1997: 271). Dadurch werden die Koeffizienten vergleichbar, auch wenn nicht tatsächlich standardisierte Koeffizienten resultieren, da dies zusätzlich die Division durch die (für alle Koeffizienten identische) Standardabweichung der abhängigen Variable voraussetzte, die aber im Falle einer dichotomen abhängigen Variable problematisch ist (vgl. Pampel 2000: 32–33). Um die Darstellung nicht zu überfrachten, wird an dieser Stelle darauf verzichtet, die standardisierten Koeffizienten auszuweisen; dies scheint vertretbar, da die Standardabweichungen der verschiedenen unabhängigen Variablen einander sehr stark ähneln, so daß die unstandardisierten Schätzwerte auch innerhalb eines Modells die Größenverhältnisse zwischen den Wirkungen der einzelnen Prädiktoren angemessen abbilden.

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  10. Verfolgte die Analyse nicht das Ziel, generell die Wirkung des Einstellungswandels auf die Stabilität des Wahlverhaltens zu untersuchen, sondern dem Einfluß einzelner Ausprägungen auf dem Stabili-tätskontinuum, also etwa dem Effekt vollständig stabiler oder vollkommen gewandelter Kandidatenorientierungen, nachzugehen, wären andere Operationalisierungen denkbar oder sogar geboten. Zum einen könnten die Stabilität und die Veränderung eines Merkmals in zwei separaten Variablen erfaßt werden (siehe etwa Schoen 2000d; Schoen/Falter 2001), um die differentielle Wirkung beider Ausprägungen zu messen; wie hier nicht berichtete empirische Prüfungen zeigten, unterscheiden sich die Modelle in ihrer Erklärungsleistung praktisch nicht von den hier verwendeten. Zum anderen könnte man die Stabilität der Einstellungen — wie bereits in Abschnitt 3.3 skizziert — relativ zum Stimmverhalten bei der vorangegangenen Wahl messen. Beispielsweise wäre zu unterscheiden zwischen einer Person, die für die SPD votiert, dieser zugleich die größte Sachkompetenz zuschreibt und sich bis zur nächsten Wahl mit der Issueorientierung zugunsten der Unionsparteien umorientiert, und einem Bürger, der bei gleicher Entwicklung der Einstellung anfangs CDU wählte; denn für die erste Person resultierte aus dem Attitüdenwandel ein Anreiz zur Wechselwahl, nicht jedoch für die zweite, die davon, im Gegenteil, zur Wiederwahl der CDU animiert werden sollte.

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Schoen, H. (2003). Die Bestimmungsgründe der Wechselwahl im Michigan-Modell — Empirische Befunde auf der Individualebene. In: Wählerwandel und Wechselwahl. Studien zur Politikwissenschaft. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-80478-5_6

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-80478-5_6

  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften

  • Print ISBN: 978-3-531-14066-7

  • Online ISBN: 978-3-322-80478-5

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