Zusammenfassung
Nach Auffassung des Herausgebers dieses Sammelbandes gehören „Macht und Moral untrennbar zusammen, denn Moral wird durch Macht konstituiert. Moral, moralisches Handeln und moralische Motivation werden durch Sanktionen gestützt, durch Internalisierung kontrolliert und durch Machtanwendung stabilisiert.“ Hier sind Differenzierungen nötig. Soll der Hinweis auf den untrennbaren Zusammenhang bedeuten, Moral und Macht seien substantiell identisch? Ist die Moral nur ein Vehikel, eine Funktion oder gar nur eine Emanation, ein Sonderbereich der Macht, eine verkappte oder modifizierte subtile Form der Macht (liber die Rolle der Macht in sozialen Beziehungen vgl. Fürstenberg 1995: 67 ff.; Popitz 1992)? Schon die Verwendung zweier Begriffe indiziert, dass die obige Aussage nicht so gemeint sein soll, Macht und Moral seien substantiell und in jeder Hinsicht identisch. Eine grenzbegriffliche Unterscheidung ist impliziert. Es wird jedoch angenommen, dass moralische Regeln, Regungen, Haltungen und Handlungen weitgehend von Phänomenen der Macht gesteuert werden. Die Macht steuert dieser Auffassung zufolge das moralische Handeln der von ihr regulierten und ihr unterworfenen Menschen im Sinne der Aufrechterhaltung der Macht. Die Moral besteht geradezu darin, die Menschen zu veranlassen, im Sinne der Macht zu handeln. Den Menschen erscheint es als moralisch, im Sinne der Macht zu handeln, da die Macht auf subtilem Wege sich in den Köpfen der Menschen eingenistet hat, um sie zu bewegen, auch gegen ihre Interessen machtkonform zu handeln.
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Preview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Literatur
Apel, Karl-Otto et al. (Hrsg.) (1980): Praktische Philosophie/Ethik. Frankfurt am Main; Fischer Verlag.
Damon, William (1984): Die soziale Welt des Kindes. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
Dülmen, Richard van (1988): Theater des Schreckens. Gerichtspraxis und Strafrituale in der frühen Neuzeit. München: C. H. Beck.
Edelstein, Wolfgang/Nunner-Winkler, Gertrud (Hrsg.) (1986): Zur Bestimmung der Moral. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
Elias, Norbert (1976): Über den Prozess der Zivilisation. Sozio- und psychogenetische Untersuchungen. Zwei Bände. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
Evans-Pritchard, Edgar E.: (1978): Hexerei, Orakel und Magie bei den Azande. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
Fürstenberg, Friedrich (1995): Soziale Handlungsfelder. Opladen: Leske+Budrich.
Graus, Frantisek (1974): Gewalt und Recht im Verständnis des Mittelalters. Stuttgart: Helbing & Lichtenhahn.
Habermas, Jürgen (1983): Moralbewusstsein und kommunikatives Handeln. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
Habermas, Jürgen (1998): Faktizität und Geltung. Beiträge zur Diskurstheorie des Rechts und des demokratischen Rechtsstaats. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
Habermas, Jürgen et al. (Hrsg.) (1980): Entwicklung des Ichs, Königstein/Taunus: Verlagsgruppe Athenäum et al.
Havighurst, R./Neugarten, B. (1955): American Indian and White Children. A Sociopsychological Investigation. Chicago: University Press.
Hillmann, Karl-Heinz (1989): Wertwandel. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft.
Hobhouse, L. T. (1906): Morals in Evolution. London: Chapman & Hall.
Hobsbawm, Eric J. E. (1979): Sozialrebellen. Archaische Sozialbewegungen im 19. und 20. Jahrhundert. Gießen: Focus.
Kant, Immanuel (1978): Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, Stuttgart: Reclam.
Kauftnann, E. (1958): Die Erfolgshaftung. Frankfurt am Main: Klostermann.
Kohlberg, L./Bar-Yam, Miriam/Naame, Algiris (1980): Moral Reasoning of Students in Different Cultural, Social and Educational Settings. In: American Journal of Education, May, S. 345–352.
Kohlberg, Lawrence (1974): Studien zur kognitiven Entwicklung. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
Lampe, Ernst-Joachim (1987): Genetische Rechtstheorie. Recht, Evolution und Geschichte. Freiburg: Verlag Alber.
Lévy-Bruhl, Lucien (1959): Die geistige Welt der Primitiven. Düsseldorf: Diederichs.
McCarthy, Thomas (1996): Kantianischer Konstruktivismus und Rekonstruktivismus: Rawls und Habermas im Dialog, in: Deutsche Zeitschrift für Philosophie, 44, S. 931–950.
Moore, Barrington (1987): Ungerechtigkeit. Die sozialen Ursachen von Unterordnung und Widerstand. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
Nietzsche, Friedrich (1964): Der Wille zur Macht. Stuttgart: Kröner Verlag.
Oelmüller, Willi (Hrsg.) (1978): Transzendentalphilosophische Normenbegründungen, Paderborn: UTB.
Oerter, Rolf/Montada, Leo (Hrsg.) (1988): Entwicklungspsychologie, München: PVU Verlag.
Oesterdiekhoff, Georg W. (1992): Traditionales Denken und Modernisierung. Jean Piaget und die Theorie der sozialen Evolution. Opladen: Westdeutscher Verlag.
Oesterdiekhoff, Georg W. (1997): Kulturelle Bedingungen kognitiver Entwicklung. Der strukturgenetische Ansatz in der Soziologie. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
Oesterdiekhoff, Georg W. (2000): Zivilisation und Strukturgenese. Norbert Elias und Jean Piaget im Vergleich. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
Peuckert, Rüdiger (2001): Artikel „Norm, soziale“ in: Schäfers, Bernhard (Hrsg.), Grundbegriffe der Soziologie, Paderborn: Leske+Budrich UTB, S. 255–259.
Piaget, Jean (1973): Das moralische Urteil beim Kinde. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
Plack, Arno (1965): Die Gesellschaft und das Böse. München: Paul List-Verlag.
Popitz, Heinrich (1992): Phänomene der Macht. Tübingen: J.C.B. Mohr.
Portele, Gerhard (Hrsg.) (1978): Sozialisation und Moral. Weinheim: Beltz Verlag.
Rawls, John (1975): Theorie der Gerechtigkeit. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
Schild, Wofgang (1980): Alte Gerichtsbarkeit. München: Cellwey.
Schmidt, Eberhard (1965): Einführung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege. Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht.
Thompson, Edward P. (1987): Die Entstehung der englischen Arbeiterklasse. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
Editor information
Rights and permissions
Copyright information
© 2003 Westdeutscher Verlag/GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden
About this chapter
Cite this chapter
Oesterdiekhoff, G.W. (2003). Macht und Moral in zivilisationstheoretischer Perspektive. In: Junge, M. (eds) Macht und Moral. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-80434-1_5
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-80434-1_5
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Print ISBN: 978-3-531-13863-3
Online ISBN: 978-3-322-80434-1
eBook Packages: Springer Book Archive