Zusammenfassung
„Verfassung“ und „Integration“ verstehen sich als Begriffe nicht von selbst, insbesondere entziehen sie sich dem umgangssprachlichen Zugriff. Immerhin 121 Seiten widmete Carl Schmitt, rituell gepriesen für seine prägnanten Begriffsanalysen, allein dem „Begriff der Verfassung“.1 In der einschlägigen Literatur tauchen mannigfaltige Konnotationen von „Verfassung“ auf: faktischer Zustand, Lebensordnung, Konvention, (Sozial-) Kontrakt, Text, Rechtsquelle, Normkomplex, ideale /positive Rechtsordnung, Organisationsstatut und andere mehr. Für die folgenden Überlegungen wird der Verfassungsbegriff eingeschränkt auf die normative Verfassung als verbindlich gesetztes Daseinsprogramm in Gesellschaft lebender Menschen zur Organisation ihres sozialen Verbandes (Selbstregierung) und zur Koordination sozialen Handelns und sozialer Handlungsfolgen.2 Oder in Anspielung an eine allerdings systemtheoretisch-ironisch-etatistische Verkürzung: „Vertextung der Gesellschaft“3. Dieses normative Programm zur Selbsteinwirkung einer Gesellschaft wird typischer-, aber nicht notwendigerweise durch einen schriftlich fixierten, mit einem besonderen Rang4 ausgestatteten Komplex von Normen repräsentiert (Grund- oder Verfassungsgesetz) und von juridischen und nicht-juridischen Kon-kretisierungs- und Revisionsdiskursen begleitet. In den Institutionen und auf den Foren von Häberles „offener Gesellschaft der Verfassungsinterpreten“5 - ein Ensemble, das Forsthoffs Schreckbild einer „Demokratisierung der Verfassungsinterpretation“6 entsprechen dürfte.
Eine erste Version dieses Aufsatzes erschien in Schuppert, Gunnar Folke/ Bumke, Christian (Hrsg.) 2000: Bundesverfassungsgericht und gesellschaftlicher Grundkonsens. Baden-Baden: Nomos.
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