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Strukturmuster medienwissenschaftlicher Pragmatik

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Zusammenfassung

Medienwissenschaften haben genau genommen bereits mit einem pragmatischen Kniefall begonnen. So suchten das Kunstsystem und seine zugeordneten Wissenstypen1 ihren drohenden Niedergang und ihren stetigen Verlust an Relevanz durch eine Erweiterung ihres Gegenstandsbereiches, eben um die Medienproduktion, zu kompensieren: Die mediale Vermittlung wurde in die klassischen Literatur- und Kunstwissenschaften integriert: Comics, Film, Hörspiel und Medienkunst tauchten als neue Gegenstände neben dem traditionellen Kanon in der Hoffnung auf, dass die massenhafte Präsenz der in Frage stehenden Phänomene — was Relevanz allein schon vermittels der schieren Häufigkeit zu garantieren schien2 — doch eigentlich auch auf ihre Theorien abfärben müsste. Das Entree der Medienwissenschaften in die Kunst- und Literaturwissenschaften verdankt sich so einem vorgängigen Legitimationsverlust dieser Wissenstypen und dem Versprechen eines Legitimationstransfers durch den neu zugelassenen Gegenstandsbereich. Ähnliche Akkommo-dations-Strategien an die medial veränderten Verhältnisse wurden sukzessive von den diversen Sozialwissenschaften dadurch gefahren, dass kommunikationstheoretische Fragestellungen und die Medienwirkungsforschung thematisiert wurden3. Die Herausbildung eines eigenständigen Wissenstyps Medienwissenschaft stellt insofern den Abschluss eines langfristigen Prozesses sukzessiver Anpassung klassischer Wissensmodelle an medial veränderte Verhältnisse dar.

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Literatur

  1. U.a. Knilli rang um „Einsicht in die Arbeit in den Freiräumen und neuen Gebieten“ (Friedrich Knilli 1973, S. 290), und diese neuen Freiräume und Arbeitsgebiete sind für die Literatur- und Kunstwissenschaften in den 70er Jahren eben die Massenmedien gewesen. Dass der Ausbau der Hochschulen ebenfalls zu einem Bedarf an neuen Forschungsfeldern führte und die Massenmedien diesen Bedarf befriedigten, sei nur noch am Rande angemerkt.

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  2. So operiert etwa Knilli mit diesem Gewicht und Prestige der schieren Zahl, wenn er bemerkt, dass „die Hochschulen mit solchen Reichweiten [denen von ARD und ZDF; Anm. d. Verf.] nicht konkurrieren können“ (ebenda, S. 305).

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  3. Vgl. dazu Gerhard Maletzke 1998, S. 16–29, und derselbe 1963.

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  4. Diese Ambivalenz bildete den Anlass für die Medienkritik der Frankfurter Schule; vgl. Max Horkheimer, Theodor W. Adorno 1980, 108ff.

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  5. So hat etwa schon Walter Benjamin auf die Supplements-Funktion des Starkults aufmerksam gemacht, der der Kategorie des Autors aus seiner unter medienindustriellen Bedingungen prekär gewordenen Lage verhelfen soll und der zugleich mediale Industrieproduktion so zurichtet und codiert, dass sie mit den am traditionellen Kunstwerk einstudierten Rezeptionsweisen zu verarbeiten ist. Benjamins Hoffnung auf neue Wahrnehmungsmodi hat sich demgegenüber kaum realisieren lassen. (Vgl. Walter Benjamin 1979, 27ff.) In der Regel werden insbesondere Programmstudien genau aus diesem Grunde durchgeführt; ex postUntersuchungen zur Identifizierung von Erfolgsgründen sind dagegen eher selten, schon weil das Planungsziel annähernde oder es sogar übertreffende Reichweiten und Marktanteile als ausreichender Erfolgsausweis betrachtet werden. Das von ZDF-Intendant Dieter Stolte engagiert vorgetragene Plädoyer und zugleich Versprechen für eine „zweite, andere Währung“als die der Einschaltquoten (vgl. Dieter Stolte 1992, insbes. 139), nämlich die Berücksichtigung von Qualitätskriterien, erscheint bis heute kaum eingelöst.

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  6. Unter diesen Verdacht geriet z.B. Klaus Merten sehr schnell mit seiner COMDAT-Studie „Darstellung von Gewalt im Fernsehen“ (Münster 1993) im Auftrag des Senders RTL, deren Ergebnisse denen vorab von Jo Groebel und Uli Gleich erzielten (vgl. Jo Grobel, Uli Gleich 1993) u.a. in Bezug auf die für dieses Genre einschlägigen RTL-Angebote deutlich widersprachen.

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  7. Das gilt übrigens auch für die flexible und praxisnahe Generierung von Untersuchungsfragen unter dem in Auftragsprojekten üblichen hohen Zeitdruck; vgl. Karin Böhme-Dürr 1995, 14.

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  8. Ein derartiger normativer Transfer mit Legitimationseffekt muss keineswegs platt und direkt, sondern kann durchaus auch — und das keineswegs zum Schaden des Legitimationseffekts und damit des Ziels des Unternehmens — indirekt erfolgen: So etwa, wenn Fischer u. a. (vgl. Heinz-Dietrich Fischer, Jürgen Niemann, Oskar Stodiek 1996) eine kompetent und gewissenhaft recherchierte Geschichte der Gewaltdiskussion im Zusammenhang von Medienprodukten vorlegen und zu Recht auf die penetranten Redundanzen dieses Diskurses verweisen, sie jedoch das lebhafte Interesse des Auftraggebers (RTL) an einer Relativierung dieses Diskurses, der sich für ihn zu einem erheblichen Marketing-Nachteil entwickelt hatte, verschweigen. Die Kombination von zutreffender Relativierung einer Argumentationsstrategie und gleichzeitiger Tabuisierung der Analyse des Phänomens produziert einen keineswegs unwirksamen Legitimationseffekt.

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  9. Luhmann deutet zwar darauf hin, dass derart differente Funktionssysteme durchaus mittels struktureller Kopplungen (vgl. Niklas Luhmann 1996, 124f.) in einen Konnex zu zwingen seien, nur konstatiert er solche Zusammenhänge schlicht, bedenkt jedoch nicht, dass eine Rekonstruktion der strukturellen Kopplung notwendige normative Selbstbeschränkungen der verbundenen Systeme zu Tage fordert. Das Gelingen der strukturellen Kopplung bleibt an diese Bedingungen, die die Aufrechterhaltung der jeweiligen Funktionssysteme gewährleisten, gebunden. Insofern operierte eine legitimistisch orientierte Medienforschung auf Kosten der Leitdifferenz des Wissenschaftssystems, so dass statt von einer strukturellen Kopplung eher von einer Kolonialisierung des Wissenschaftssystems — im Habermasschen Sinne — zu reden wäre.

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  10. Dabei fand die Systemdifferenz in der ideologekritischen Medienwissenschaft der 70er Jahre durchaus Berücksichtigung, nämlich als Grundlage einer zwar ein wenig ungelenk, da abstrakt bleibenden Kritik etwa mittels der „Klassenbedingtheit des Mediums“ als Hauptdeterminante seiner Aussagen (vgl. Friedrich Knilli 1973, 303). Das Scheitern des Aufklärungsprogramms, das den spezifischen Typus von Pragmatik dieser Medienforschung darstellte und dem dann eben auch die Paradigmen der Ideologiekritik zum Opfer fielen, sowie dessen Substitution durch eine postmoderne Unbedarftheit Heß dann eben auch die ideologischen Risiken der strukturellen Kopplung in Vergessenheit geraten.

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  11. Die Risiken derartiger struktureller Kopplungen (vgl oben Anm. 10) gelten natürlich auch in diesem Fall, und eine eingeschliffene Praxis entbindet nicht von ihnen.

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Gebhard Rusch

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© 2002 Westdeutscher Verlag GmbH, Wiesbaden

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Klauser, R., Leschke, R. (2002). Strukturmuster medienwissenschaftlicher Pragmatik. In: Rusch, G. (eds) Einführung in die Medienwissenschaft. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-80365-8_21

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-80365-8_21

  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften

  • Print ISBN: 978-3-531-13323-2

  • Online ISBN: 978-3-322-80365-8

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