Zusammenfassung
Die Stellung der Intellektuellen (I.) hängt in Deutschland eng mit der Geschichte des → Bürgertums zusammen. Seine demokratiegeschichtliche Verspätung (→ Politische Traditionen) hat auch das Verhältnis von Geist und Macht beeinflußt. Während die ersten parlamentarischen Staaten Europas ihren I. schon früh politische und publizistische Wirksamkeit boten, waren die deutschen I. bis ins 20. Jhdt. weithin zur Rolle des applaudierenden oder heimlich kritisierenden Zuschauers der Politik verurteilt. Ihre ökonomische Lage war meist miserabel (Hauslehrer), und immer neue Wellen von Zensur zwangen viele von ihnen entweder in die Emigration (Heine, Marx), zur Aufgabe ihres Amtes (die „Göttinger Sieben“) oder zur Anpassung an die Politik der alten Mächte (Fontane). Feudale Anschauungen (monarchisches Prinzip) verbanden sich mit bürgerlichem Selbsthaß, Vernunftfeindschaft, Kulturkritik und Antiparlamentarismus. Die Ereignisse von 1848 unterbrachen für kurze Zeit die sich in der I.-Kultur des deutschen Bürgertums spiegelnden feudalen Tendenzen. Das Paulskirchenparlament versammelte eine große Zahl liberaler Geister. Durch die nachfolgende Reaktion verloren die deutschen I. den Anschluß an die Entwicklung in den westeuropäischen Staaten. Das antidemokratische Denken entwickelte eine spezifisch deutsche Tradition, die durch Unterscheidungen von Kultur und Politik, Moral und Politik und die Flucht in mancherlei Innerlichkeiten (die „Reiche“der Natur, der → Familie, der Kunst und Musik, der Philosophie) gekennzeichnet war.
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Preview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Literatur
Craig, Gordon Alexander 1993: Die Politik der Unpolitischen. Deutsche Schriftsteller und die Macht 1770–1871, München.
Greiffenhagen, Martin 1986: Propheten, Rebellen und Minister. Intellektuelle in der Politik, München.
Greiffenhagen, Martin/Greiffenhagen, Sylvia 1993: Ein schwieriges Vaterland. Zur politischen Kultur im vereinigten Deutschland, München/Leipzig.
Greiner, Ulrich 1997: Die Vorzüge des Elfenbeinturms. Über Literatur und Engagement heute, in: Merkur 51, S. 1093–1104.
Korte, Karl-Rudolf 1991: Über Deutschland schreiben. Schriftsteller sehen ihren Staat, München.
Pross, Harry 1992: Protestgesellschaft. Von der Wirksamkeit des Widerspruchs, München.
Schelsky, Helmut 1975: Die Arbeit tun die anderen. Klassenkampf und Priesterherrschaft der Intellektuellen, Opladen.
Seibt, Gustav 1998: Strukturveränderungen in der kulturellen Öffentlichkeit. Die neue Ohnmacht des Feuilletons, in: Merkur 52, S. 731–736.
Sontheimer, Kurt 1976: Das Elend unserer Intellektuellen. Linke Theorie in der Bundesrepublik Deutschland, Hamburg.
Strauss, Botho 1993: Anschwellender Bocksgesang, in: Der Spiegel 6/1993.
Editor information
Editors and Affiliations
Rights and permissions
Copyright information
© 2002 Westdeutscher Verlag GmbH, Wiesbaden
About this chapter
Cite this chapter
Greiffenhagen, M. (2002). Intellektuelle. In: Greiffenhagen, M., Greiffenhagen, S., Neller, K. (eds) Handwörterbuch zur politischen Kultur der Bundesrepublik Deutschland. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-80358-0_38
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-80358-0_38
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Print ISBN: 978-3-322-80359-7
Online ISBN: 978-3-322-80358-0
eBook Packages: Springer Book Archive