Zusammenfassung
Fachbegriffe, die nahe an der Alltagssprache sind, haben es schwer und leicht zugleich: Sie müssen nicht erklärt werden, weil ja jeder vermeint, ihn zu kennen, aber genau dadurch schleppen sie einen uneindeutig-vagen Bedeutungshof mit sich herum. Die einfachen Begriffe im alltagssprachlichen Gebrauch erweisen sich bei genauerer Analyse als höchst voraussetzungsvoll und komplex. Die Gefahr der mangelnden begrifflichen Eindeutigkeit resultiert bei der Individualisierung (I.) allein schon aus der Verwandtschaft mit sehr ähnlichen Begriffen. Wer wüßte nicht sofort, was gemeint ist, wenn vom „Individuum“die Rede ist: Eine einzelne Person in ihrer von anderen Personen unterscheidbaren Verknüpfung spezifischer Merkmale. Vom lateinischen Wortstamm her soll mit dem Individuumsbegriff etwas „Unteilbares“erfaßt sein. In der griechischen und mittelalterlichen Philosophie ist er für das Atom verwendet werden, also für eine nicht weiter aufspaltbare Grundeinheit der Welt. Aber so wie inzwischen die Spaltbarkeit des Atoms möglich ist, so ist auch die Vorstellung, das Individuum sei etwas Letztes und nicht mehr hintergehbares, längst dekonstruiert. Bereits Litt sieht im Zusammenhang mit dem Individuumsbegriff die „Gefahr vielfacher Begriffsverwirrung“(1926: 163). Das habe damit zu tun, daß er ungenügend von solchen Begriffen wie „Individualität“, „Individualismus“, „Individuation“oder „I.“abgegrenzt sei, die ihn ja alle im Wortstamm aufbewahren.
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Literatur
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Keupp, H. (2002). Individualisierung. In: Greiffenhagen, M., Greiffenhagen, S., Neller, K. (eds) Handwörterbuch zur politischen Kultur der Bundesrepublik Deutschland. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-80358-0_36
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