Zusammenfassung
Das politikwissenschaftliche Verständnis von Identität (I.) erfaßt in demokratietheoretischer Hinsicht die vollkommene Übereinstimmung oder Gleichheit von Herrschern und Beherrschten zur Gewährleistung direkt ausgeübter Volkssouveränität. Diese ideengeschichtlich geprägte Auffassung wird mittlerweile ergänzt und zunehmend ersetzt durch die sozialpsychologisch orientierte Bedeutung des Begriffs, die zwischen den beiden Dimensionen personaler und kollektiver I. unterscheidet sowie auf das Selbstverständnis eines Individuums, einer Gruppe oder einer Gesellschaft zielt, dessen Stabilität und Kontinuität auf Integration, Kohäsion und Konsens basieren, dessen Dynamik und Pluralität hingegen von Konflikten, Widersprüchen und Dissens motiviert werden. Die I. von Großgruppen entwickelt sich in Prozessen sozialer Interaktion und Kommunikation als Selbstverortung im Zeichenraum sowie in der Spannung zwischen Bestätigung und Aktualisierung von Wissen, Normen und Beurteilungen. Als Selbstdefinition verarbeitet diese Identifikation auch Fremdzuschreibungen von Eigenschaften und bezieht sich auf die Vergangenheit in Form eines kollektiven Gedächtnisses, das die Erinnerungen an gemeinsam erlebte bzw. erlittene Ereignisse speichert, auf die Gegenwart in Form eines Orientierungsrahmens bei der aktuellen Wahrnehmung und Ordnung von Informationen zur Konstruktion von Sinn sowie auf die Zukunft in Form antizipierender Projektion möglicher Entwicklungen.
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Literatur
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Bergem, W. (2002). Identität. In: Greiffenhagen, M., Greiffenhagen, S., Neller, K. (eds) Handwörterbuch zur politischen Kultur der Bundesrepublik Deutschland. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-80358-0_34
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