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Reflexive Vernetzung: die aktuelle Form moderner Vernetzung

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Part of the book series: Organisation und Gesellschaft ((OUG))

Zusammenfassung

Reflexive Vernetzung ist die aktuelle Form moderner Vernetzung. Sie ist Ausdruck von Vernetzung unter der Bedingung institutionalisierter Reflexivität in einer reflexiv gewordenen Moderne. Gleichzeitig ist sie heute relevantes Medium der Konstitution von Ökonomie im Kontext reflexiver Vergesellschaftung (Giddens, 1990a; 1991a). Formen der Vernetzung von Unternehmungen kannte schon das 19. Jahrhundert (Sydow, 1992, 54 ff.). Daß die Form des Netzwerks, zunächst ohne großes Aufhebens, in die zeitgenössischen Governance-Strukturen der USA einsickert, beginnt für Hollingsworth (1991) bereits mit den 1950er Jahren. Erst seit den achtziger Jahren indes werden Praktiker und dann auch Theoretiker dessen inne, und jetzt setzt ein Prozeß der Reflexion auf diese Form ein. Reflexive Vernetzung meint dieses Innewerden und sodann die intendierte Überprüfung und Ausgestaltung von Vernetzung auf einer durch das reflexive Systemmonitoring der Netzwerkkonstitution kontinuierlich hervorgebrachten und revidierten Basis des Wissens über Netzwerke. Die Legitimationsgrundlage der Vernetzung wird dabei durch die durchgängige Vergegenwärtigung netzwerkförmiger Handlungsmöglichkeiten und -alternativen gleich mitproduziert und ständig erneuert.

“The reflexivity of modern social life consists in the fact that social practices are constantly examined and reformed in the light of incoming information about those very practices, thus constitutively altering their character”

(Giddens, 1990a, 38).

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Literatur

  1. Die Rede von reflexiver Vernetzung von Unternehmungen meint also nicht, Unternehmungs-netzwerke würden erst jetzt damit beginnen, interorganisationale Beziehungszusammenhänge reflexiv auszugestalten. Das haben Unternehmungen als hochgradig reflexiv regulierte Sozialsysteme seit ihrem Bestehen schon immer getan. Heute aber wird auf Netzwerke als Form, als Gesamtzusammenhang und als inzwischen ‚zuhandene‘ (Schütz) Alternative zu Markt und Unternehmung mit eigenen Stärken und Schwächen reflektiert. Was sich ändert, ist daher der dominante Bezugspunkt der Reflexion und Regulation: Gebrochen wird heute radikal mit allen Formen (Fortsetzung der Fußnote auf der nächsten Seite) oder Resten traditionaler Auslegung interorganisationaler Beziehungen, mit Formen, die sich primär durch ihren Bezug auf Tradition legitimieren, die mit all ihren Institutionen darauf eingestellt sind, daß alles so bleibt, wie es ist und die reklamieren, daß die bisher praktizierte Form der Ausgestaltung interorganisationaler Beziehungen mit ihren Routinen und Ritualen nicht nur bisher gültig war, sondern auch gegenwärtig ist und in Zukunft sein wird (zum Traditionsbegriff s.a. Luhmann, 1997, 654). Bezugspunkt der Validierung ist so also nicht mehr hauptsächlich die Tradition, sondern das jeweils vergegenwärtigte Wissen. Das schließt jedoch Wissen über Kontinuitäten von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft und Wissen mit ein, das über entsprechend ausgelegte Praktiken des Netzwerk- allgemein: des Systemmonitoring einen kontinuierlichen Vorgriff auf Zukunft über die Organisation von Wissensumwelten konstituiert. Traditionen verlieren im Zuge dieser Entwicklungen zudem nie vollständig an Bedeutung — vielmehr werden immer wieder auch neue konstituiert, gerade auch weil vieles sich immer eines reflexiven Monitorings im Zuge der Auslegung der Systemregulation entzieht. Die Erweiterung der Horizonte im Zuge reflexiver Vernetzung fußt dabei in Unternehmungsnetzwerken nicht auf einem abstrakten Wahrheits- oder Ganzheitsanspruch. Sie ist vielmehr an Interessen gebunden und daher auch in der Erweiterung selbstredend hochgradig selektiv.

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  2. Vorstellungen von ‚one best ways‘ geraten so heute durchgängiger in die Kritik. Permanent kritisch überprüft werden konventionelle, als ‚taken for granted‘ betrachtete Sicht-, Legitimationsund Handlungsweisen im Netzwerk, in der Industrie, in der Ökonomie oder in der Gesellschaft (wie etwa die aus der Strategieliteratur [s.a. Whipp, 1996] bekannten ‚dominant logics‘ [Huff, 1982], und ‚business recipes‘ [Spender, 1989] oder die aus industriesoziologischen Schriften vertrauten Vorstellungen tayloristischer-fordistischer Organisation [z.B. Lipietz, 1991] oder ‚systemischer Rationalisierung‘ [Teil II.1]).

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  3. Die Rede von globalen Kontexten bedeutet nicht, daß jede Unternehmung oder jedes Unternehmungsnetzwerk globale Zusammenhänge reflektiert oder zu reflektieren hat. Allgemein stimme ich aber nicht nur Giddens, sondern auch March (1995, 428) zu: „Although most organizations are still basically local and exist with only minor direct global connexions, globalism is an increasing factor in contemporary organizational life.“

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  4. Isomorphe Sprech- und Organisationsweisen resultieren eben — wie aus der institutionalistischen (Meyer/Rowan, 1977; DiMaggio/Powell, 1983; Leblebici et al., 1991) oder auch der mikropolitischen Organisationsforschung (Ortmann et al., 1990; Windeler, 1992a; 1992b) bekannt — nicht nur aus ökonomischen, technischen oder politisch-rechtlichen Anforderungen oder gar Zwängen. Vielmehr spielen auch Legitimationserfordernisse, Mythen des Organisierens, Leitbilder, Nachahmung und politische Prozesse gerade im Bereich der Ökonomie eine nicht zu unterschätzende Rolle. Zu einer sozio-historischen, im 18. Jahrhundert startenden Betrachtung der Voraussetzungen, warum der Netzwerkbegriff aufkommen und heute eine nahezu universelle Verbreitung gewinnen konnte, siehe Laufer (1995).

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  5. Viele Formen zwischenbetrieblicher Verbindungen haben wir angesichts der herrschenden Sichtweisen schlicht nicht gesehen, an den Rand oder aus dem Bild gedrängt. Wechselweises Lizensieren zwischen großen Unternehmungen im internationalen Rahmen bildet so etwa in der chemischen und der Industrie großer elektrischer Geräte seit den zwanziger und dreißiger Jahren des Jahrhunderts bis heute ein signifikantes Merkmal dieser Industrien. Auch ‚joint ventures‘ sind keine Erfindungen der letzten Jahre (Chesnais, 1991, xiii). Und geht man historisch noch weiter zurück, dann weist bereits das Verlagssystem, als eines der Vorläufer kapitalistischer Wirtschaftens, spätestens seit dem 13. Jahrhundert Merkmale der Vernetzung auf. Netzwerkartige Verbindungen überziehen, so berichtet auch Ferdinand Braudel (1986 [1979], 344 ff.; insbes. 350), zu der Zeit ganz Europa (ergänzend Sydow, 1992, 56 ff.) — obgleich wir es in früheren Zeiten vermutlich stärker mit Formen traditionaler, denn reflexiver Vernetzung zu tun haben.

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  6. Ein statistischer Nachweis aktuell zunehmender Kooperation und Arrangements zwischen Unternehmungen ist schwierig zu führen. Auf was man überall stößt, sind Trendaussagen wie die folgenden: „In Europa stieg zwischen 1980 und 1985 die Zahl der Kooperationsabkommen um das rund Zehnfache, während sich die Zahl der internationalen ‚joint ventures‘ zwischen US-Firmen und Überseepartner seit 1978 beinahe verdoppelt hat“(Badaracco, 1991, 17 f.); Die Anzahl der Beschäftigten oder die Fertigungstiefe sinkt (z. B. McMillan, 1990; s.a. den Überblick bei Sydow, 1992, 15 ff.). Eine ausführlichere Diskussion der Probleme eines wirtschaftsstatistischen Belegs wie indirekter Möglichkeiten, empirische Evidenz beizubringen, findet sich bei Sydow (1992, 15 ff.) und Klein (1996).

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  7. Für eine beträchtliche Anzahl von Netzwerken gilt, daß die sozialen Beziehungen zwischen den Unternehmungen in den Geschäftspraktiken nach und nach stärkere Bedeutung erlangen. Nicht selten kommt es zu unintendierten, netzwerkförmigen Beziehungen zwischen ihnen, ohne daß dies jeweils mit einem Vertragsabschluß als einem meßbaren Indikator einhergeht.

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  8. Nämlich um die keinesfalls a priori immer gegebene und per se feststehende, an spezielle Kontextwie Systembedingungen geknüpfte Praktiken im Kontext. Die Netzwerkform ist also intelligent anzuwenden und nicht pauschal zu be- oder abzuurteilen. Adäquanz ist dabei ein mehrrelationaler Begriff. Die Form der sozialen Regulation ökonomischer Aktivitäten muß zunächst für eine Vielzahl an ‚stakeholders‘ (Staehle, 1999, 426 ff.) ‚stimmen‘. Vorausgesetzt ist etwa, daß es sich bei den Unternehmungen im Netzwerk um kompetente und um ökonomisch potente Partner handelt. Sie müssen zumindest (1.) die Phase der Formation des Netzwerkes ökonomisch durchstehen und positiv mitgestalten, (2.) die durch eigene oder fremde ökonomische Kraft ermöglichte Teilnahme für sich nutzen und (3.) gewährleisten können, daß entsprechende Kapazitäten und Fähigkeiten vorhanden sind und die praktizierte Form der Kooperation auch dem Gegenstand und dem Geschäftskontext adäquat ist, so daß sich durch den Zusammenschluß die Ressourcen verbessern und sich die Wettbewerbsfähigkeit steigert. Netzwerke sind kein Allheilmittel.

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  9. Das ist neu natürlich nur im Sinne des Kontingenzbewußtseins gegenüber einem ‚one best way‘-Denken, dessen frühe wissenschaftliche Reflexion Taylors Scientific Management war. Organisation ist, wie angedeutet, per se ein reflexives Phänomen.

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  10. Das gilt auch für die Stellung von Wissenschaft. Auch sie verliert im Zeitalter der sich radikalisierenden Moderne an allgemein akzeptierter Gültigkeit.

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  11. Castells (1996, z. B. 470) Gegenthese beruht auf einem anderen Netzwerkbegriff. Er spricht von Netzwerken als „sets of interconnected nodes“, verwendet also einen Begriff von Netzwerk, der an den in der strukturellen Netzwerkforschung üblichen erinnert.

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  12. Getragen wurde die Infragestellung überkommener Formen der Koordination ökonomischer Aktivitäten durch kleine und mittlere Unternehmungen im dritten Italien (Piore/Sabel, 1985 [1984]), durch neue, innovative Industrien im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien (Saxenian, 1990) und durch Japan als neu aufkommender ökonomischer Weltmacht (Gerlach, 1992).

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  13. Auf gesellschaftlicher Ebene ist dies etwa im Phänomen eines erstarkenden Fundamentalismus zu beobachten.

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  14. Was Wassiliy Kandinsky (1955 [1927]) zu Beginn des letzten Jahrhunderts für das 20. Jahrhundert postulierte, gewinnt m.E. zunehmend an Plausibilität: die Moderne steht „unter dem Zeichen ‚und‘“, und dieses ‚Und‘ kennzeichnet nun auch den Bereich der Ökonomie sowie die Ausgestaltung interorganisationaler Beziehungen (allg. Beck, 1993, 9). Statt eines Denkens, das im Zeichen der Spezialisierung und der Ordnung des Sozialen nach einer Wahl, nach Zerteilung und nach Absonderung vermeintlich alternativer Teile von Welt im Namen eines ‚Entweder-Oder‘ verlangt, schärft die reflexive Regulation den Blick für das ‚Und‘, für das Nebeneinander, die Vielheit, die Ungewißheit, die Zusammenhänge, die Kontextualität und Geschichtlichkeit sowie die reflexive Konstituiertheit. Das ‚Und‘ wird selbst reflexiv.

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  15. Daher wird ‚access‘ wichtig: Der Zugang zu relevanten Netzwerken entscheidet darüber, ob man noch stärker als schon bisher als Privatperson und als formell freier Unternehmer wie als lohnabhängiger Beschäftigter, als Unternehmung, als Unternehmungsnetzwerk, als Region oder als Nationalstaat ins Abseits gerät oder nicht. Möglichkeiten der Ausbildung neuer oder der Vertiefung bereits existierender gesellschaftlicher Trennungen, Spaltungen und Zusammenhänge, die die Folien traditioneller Betrachtungen und Ausrichtung der Praxis überlagern, scheinen auf. Sie zeigen jedoch noch keine deutlichen Konturen — und zwar trotz oder, soll man eher sagen, wegen reflexiver Strukturation.

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  16. Nohria und Garcia-Pont (1991) haben das für die Automobilindustrie, Sydow et al. (1995) für Versicherungsmaklernetzwerke, Piskorski und Nohria (1999) für Venture-Capitalists und Zaheer und Zaheer (1999) für Banken im Wechselkursgeschäft (f.e. Überblick Gulati/Nohria/Zaheer, 2000, 207) aufgezeigt.

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  17. Von Prozessen eines Reflexivwerdens von Ökonomie künden in der Managementliteratur eine Vielzahl von Konzepten, in denen Flexibilität, Dynamik und Hybridizität eine Rolle spielen (s.a. Hitt, 1998): Man denke etwa an Überlegungen, die das Erzielen nachhaltiger und dauerhafter Wettbewerbsvorteile binden an ‚strategische Flexibilität‘ (Hitt/Keats/DeMarie, 1998), an ‚dynamische Kern-Kompetenzen‘ (Lei/Hitt/Bettis, 1996), ‚hybride Strategien‘ (z.B. Proff/Proff, 1997), ‚flexible Architekturen‘ von Unternehmungen mit leicht zu rekohfigurierenden Bündeln von ‚assets‘ (Nadler/Tushman, 1997), an das Management institutioneller Kontexte von Ressourcenentscheidungen (Ginsberg, 1994; Oliver, 1997), an ‚nichtlineares Lernen und Denken‘ (Hitt, 1998) und, last but not least, an das konstante Selektieren von ‚governance modes‘ binden (Hedlund, 1993, 225).

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  18. Auch in der Organisationstheorie finden sich allerdings Prozesse der Detraditionalisierung: Ansichten soziologischer Institutionentheorie (z.B. Meyer/Rowan, 1977) werden heute fruchtbar mit der Handlungs- oder Strukturationstheorie (z.B. DiMaggio/Powell, 1983; 1991; Scott, 1994a) oder mit Ansätzen des Rational Choice oder dem Resource-based View verknüpft (Oliver, 1997). Führende Vertreter der Populationsökologie erweitern ihre Fragestellungen auf Institutionalisierungsprozesse und greifen dabei Argumentationen, wie sie aus der soziologischen Institutionentheorie vertraut sind, auf (z.B. Hannan, 1998). Andere wiederum verknüpfen Evolutions- und Chaostheorie (Kappelhoff, 2000b; zu aktuellen Entwicklungen in der Organisationstheorie s.a. Ortmann/Sydow/Türk, 1997). Auch in der Industriesoziologie und Techniksoziologie ist das Thema ‚reflexive monitoring‘ unter Bezug auf Giddens vereinzelt aufgegriffen worden, so durch Deutschmann et al. (1995) und Rammert (1997).

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Windeler, A. (2001). Reflexive Vernetzung: die aktuelle Form moderner Vernetzung. In: Unternehmungsnetzwerke. Organisation und Gesellschaft. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-80353-5_7

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-80353-5_7

  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften

  • Print ISBN: 978-3-531-13100-9

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