Zusammenfassung
Vandermonde verdiente sich seinen Lebensunterhalt zeitweise als Direktor des Pariser Musée des arts et des métiers, Gauß als Direktor der Göttinger Sternwarte. Thomson, Maxwell und Tait arbeiteten als Experimentalphysiker in Labors und als mathematische Physiker an ihrem Schreibtisch. Die Mathematik, die im folgenden betrachtet wird, stammt in aller Regel aus den Händen von Universitätsprofessoren der Mathematik, die in einem wohlorganisierten System wissenschaftlicher Arbeitsteilung ihr Geld verdienten. Von Vandermonde bis Tait stand fest, daß die Mathematik der Verkettungen und Knoten es mit Gebilden des Raumes der alltäglichen Erfahrung zu tun hatte; von der Jahrhundertwende an wurden Knoten mehr und mehr Objekte in mathematischen Räumen, deren Beziehung zum „wirklichen“ Raum der Erfahrung nur indirekt hergestellt werden konnte, selbst wenn es sich um den „gewöhnlichen“ ℝ3 handelte. „Knoten“ in höherdimensionalen Mannigfaltigkeiten tauchten als neue epistemische Objekte auf, und Techniken zu ihrer Behandlung wurden entwickelt, die für die Wissenschaftler des 19. Jahrhunderts kaum verständlich gewesen wären. Demgegenüber finden heutige Leserinnen und Leser in den knotentheoretischen Texten des frühen 20. Jahrhunderts zum ersten Mal eine mehr oder weniger vertraute Sprache, nachvollziehbare Begriffsbildungen und überzeugende Beweise.
Je ne crois donc pas avoir fait une œuvre inutile en écrivant le présent Mémoire; je regrette seulement qu’il soit trop long; mais, quand j’ai voulu me restreindre, je suis tombé dans l’obscurité; j’ai préferé passer pour un peu bavard.
Henri Poincaré, 1895
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Literatur
Obwohl bereits zeitgenössische Beobachter die genannten Umbrüche als eine Epochenschwelle beschrieben, hat erst (Mehrtens 1990) das Stichwort und Problem der „mathematischen Moderne“ mit Nachdruck in die historische Diskussion gebracht.
Für Weber war die Geschichte der Moderne im wesentlichen eine Geschichte der Entwicklung dieser Rationalitätsformen; vgl. z.B. die Zwischenbetrachtung in (Weber 1920–1921, Bd. 1). Eine einflußreiche Rekonstruktion dieser Position findet sich in (Habermas 1981, Bd. 1, Kap. 2).
In systemtheoretischer Perspektive und mit Blick auf die Physik in Deutschland beschreibt diesen Prozeß (Stichweh 1984).
Da eine monographische Zusammenfassung dieser sozialhistorischen Entwicklungen bislang nicht greifbar ist, müssen die einschlägigen Informationen derzeit noch aus einer Vielzahl von Einzelstudien zusammengetragen werden, von denen hier stellvertretend (Schubling 1983a,b), (Pyenson 1983), (Hensel u.a. 1989), (Gispert 1991), (Rowe 1989a, 1997) und (Parshall und Rowe 1994) genannt seien. Eine wichtige Quelle (und selbst ein historisches Dokument) ist ferner (Lorey 1916); einen knappen Überblick für den deutschsprachigen Raum gibt auch (Mehrtens 1990, Kap. 5).
Hilberts Äußerungen in seinem Vortrag über „Mathematische Probleme“ von 1900 oder die Einleitung zu Bourbakis Elements des mathématiques können als Versuche einer solchen Kodifizierung gelesen werden; vgl. dazu (Mehrtens 1990, Kap. 2.1 und 4.4), (Rowe 1998), (Corry 1996). Tatsächlich repräsentierten solche Texte jedoch viel eher partikuläre Festlegungen des Phänomens mathematischer Rationalität, das sich nur in der zeitlichen Ordnung eines Handlungsgeflechts angemessen fassen läßt.
Vgl. dazu z.B. (Pyenson 1982).
Wissenschaftshistoriker haben mit der Aufarbeitung der Beziehungen zwischen Mathematik und Relativitätstheorie begonnen, vgl. z.B. (Pyenson 1985), (Galison 1979), (Corry 1997) und die Beiträge in (Gray 1999). Die nähere Untersuchung der entsprechenden Beziehungen zur Entstehung der Quantenmechanik steht dagegen noch aus.
Eine erste Bestandsaufnahme dieser Entwicklung macht für die USA (Dahan-Dalmedico 1996).
Vgl. (Dauben 1979), (Moore 1982), (Purkert und Ilgauds 1987).
Vgl. (Wussing 1969), für die kombinatorische Gruppentheorie auch (Chandler und Magnus 1982).
Mehrtens nennt dies den „reflexiven Diskurs“ der Mathematik, vgl. (Mehrtens 1990, Kap. 6).
Klassische Charakterisierungen finden sich z.B. in dem von d’Alembert verfaßten Artikel „Mathématiques“ der französischen Encyclopédie und am Beginn von Eulers Algebra von 1770.
(Mehrtens 1990, Kap. 1) gibt eine wesentlich ausführlichere Interpretation der in diesem Absatz nur kurz angedeuteten Entwicklungen.
Vgl. hierzu (Gray 1992).
Vgl. (Volkert 1986). — Am deutlichsten ist diese Ablösung im Zusammenhang der Darstellung von Funktionen durch trigonometrische Reihen sichtbar. Während diese im 18. Jahrhundert im Zusammenhang des Problems der schwingenden Saite eingeführt und dann von Fourier im Rahmen des Problems der Wärmeleitung zur Darstellung „beliebiger“ periodischer Funktionen eingesetzt wurden, traten im 19. Jahrhundert Fragen der Konvergenz und Eindeutigkeit solcher Darstellungen in den Vordergrund, die ohne Rücksicht auf physikalische Abhängigkeiten diskutiert wurden. Beispiele von „Monsterfunktionen“ wurden konzipiert, welche die Ausbüdung einer komplexen Hierarchie von Begriffen zur Beschreibung reeller Funktionen notwendig machten, und es ist eine oft erzählte Episode der Mathematikgeschichte, wie Cantor im Zusammenhang solcher Fragen auf die Theorie unendlicher Punktmengen geführt wurde.
Vgl. z.B. (Jammer 1960), (Torretti 1978), (Richards 1988) und (Gray 1989).
Vgl. hierzu z.B. (Scholz 1980) und (Rowe 1989b), ferner oben § 54.
Angesichts der Bedeutung des Mannigfaltigkeitsbegriffs für die Differenzierung von empirischer und mathematischer Geometrie spricht Mehrtens treffend von einer „Riemannschen Trennung“ (Mehrtens 1990, 67 ff.). Dabei darf freilich nicht vergessen werden, daß sich diese „Trennung“ zunächst sehr langsam entwickelte und erst nach der Jahrhundertwende voll zum Tragen kam.
Es ging Hilbert um die Klärung der logischen Beziehungen zwischen den grundlegenden Sätzen der Geometrie, nachdem ein Resultat von F. Schur gezeigt hatte, daß der Satz von Pascal den Aufbau einer Streckenrechnung ohne Benützung von Stetigkeitseigenschaften ermöglichte. Vgl. dazu die detaillierte Studie von (Toepell 1986).
Das Wesentliche hierüber ist schon von verschiedener Seite gesagt worden — vgl. z.B. (Freudenthal 1956) und (Mehrtens 1990, 114 ff.) -, so daß ich mich auf wenige Bemerkungen beschränken kann. Ausführlicher habe ich das Thema mit Bezug auf die Grundlagen der Analysis in (Epple 1996c) behandelt.
Dieses Beispiel stammt von Frege: Frege an Hilbert, 6. 1. 1900, in (Frege 1980, 17).
Hilbert an Frege, 29. 12. 1899, in (Frege 1980, 13).
So in Bezug auf die Widerspruchslosigkeit der Axiome der reellen Zahlen, auf welche Hilbert die Konsistenz der Axiome der Geometrie zurückgeführt hatte, in (Hilbert 1900, 184).
Wie ein Netz von mathematischen Fiktionen gleichwohl wissenschaftlich nützlich sein könnte, versucht — übrigens auch mit ausdrücklichem Bezug auf Hilberts Grundlagen der Geometrie — Hartry Field in seiner interessanten Studie Science Without Numbers darzulegen (Field 1980).
Viele Akteure haben diese moderne Freiheit der mathematischen Imagination stark empfunden — was auch immer ihre fachpolitischen Interessen in der rhetorischen Ausbeutung dieser Erfahrung gewesen sein mögen (dazu (Mehrtens 1990, Kap. 2)), oder was immer aus philosophischer Sicht kritisch dazu gesagt werden kann.
Die zuletzt zitierte Formulierung stammt aus (Mehrtens 1995). Mehrtens vertritt bisweilen sogar die wesentlich weitergehende (und mithin schwieriger zu verteidigende) These, daß diese Charakterisierung nicht nur die moderne Mathematik, sondern alle historischen Formen der Mathematik trifft, vgl. z.B. (Mehrtens 1990,461 ff.). In der mathematischen Moderne wurde nach dieser Auffassung der sprachkonstruierende Charakter der Mathematik nicht neu geschaffen, sondern lediglich reflexiv erfaßt.
Vgl. vor allem (Scholz 1980, Kap. VII), eine Studie, die jedenfalls zuerst konsultiert werden sollte. Ferner (Bollinger 1972), (Dieudonné 1989, Kap. 1), (vanden Eynde 1992), (Volkert 1994), (Sarkaria 1996), (Nowak 1996) und (Herreman 1997).
Vgl. (Scholz 1980, 270–287), (Volkert 1994, Kap. 3.2).
(Scholz 1980, 287) weist darauf hin, daß Poincaré hier einen Wechsel der Terminologie vollzog, der den innovativen Charakter seiner Erklärungen zusätzlich unterstrich.
Die genauen Forderungen an die Orientierung mußten aus dem Kontext der Poincaréschen Definition erschlossen werden; sie waren zunächst nicht vollständig expliziert. Vgl. dazu (Bollinger 1972, § 5).
Poincarés q-te Betti-Zahl entspricht nach heutiger Konvention der um eins vermehrten q-ten Betti-Zahl (ebd., §§ 6–9); vgl. dazu im Detail die in den vorigen Anmerkungen angegeben Literatur.
Vgl. im Detail (Scholz 1980, 311 ff.), (vanden Eynde 1992, § 3.1).
Definitionsverfahren durch explizite Äquivalenzklassenbildung kamen erst nach der Jahrhundertwende in allgemeinen Gebrauch. Mathematiker des 19. Jahrhunderts behalfen sich in der Regel wie Poincaré durch mehr oder weniger klare Umschreibungen.
Vgl. (Scholz 1980, 325 ff.), (Dieudonné 1989,17).
(Dieudonné 1989, 30) spricht drastisch und etwas übertrieben von „unsupported guesswork“ in Poin-carés ersten konkreten Bestimmungen von Betti-Zahlen.
(Poincaré 1895, § 10), „Cinquième exemple“.
Z.B. von Poincaré selbst im Zusammenhang seiner Untersuchung der von ihm so genannten „Klein-schen Funktionen“, sowie von Wilhelm Killing in seinen Untersuchungen der Raumformen konstanter Krümmung. In beiden Fällen handelte es sich um die Beschreibung von Fundamentalbereichen diskontinuierlich operierender diskreter Gruppen im Euklidischen, hyperbolischen oder sphärischen Raum.
Vgl. (Poincaré 1895, 233 ff.). Die Zahl der Ecken entsprach der Zahl der Gruppen koinzidierender Kantenbilder, die der Kanten der Anzahl der Paare konjugierter Seitenbilder, und die der Flächen der Zahl der angrenzenden Polyeder. Näheres bei (Scholz 1980, 295) und (Volkert 1994, 94 ff.).
In seiner zweiten Arbeit zur Analysis situs gab Poincaré immerhin einen (allerdings fragwürdigen) Beweisversuch für diese Annahme (Poincaré 1899, § 16). Zu späteren Klärungen vgl. unten.
(Kneser 1925). Vgl auch die nächste Fußnote.
Vgl. z.B. (Dieudonné 1989, Kap. 2 und 3). In höheren Dimensionen trifft dies allerdings nicht mehr vollständig zu. Zwar stellten sich bereits in den dreißiger Jahren alle differenzierbaren Mannigfaltigkeiten als triangulierbar heraus, aber topologische Mannigfaltigkeiten höherer Dimensionen besitzen möglicherweise keine Triangulierung im üblichen Sinn mehr (gemäß welchem der „Stern“ einer 0-Zelle stets eine Vollkugel sein soll). Außerdem erwies sich die „Hauptvermutung“ in Dimensionen größer als 3 als falsch; vgl. z.B. (Hirsch 1978, § 10.9.4) und (Ranicki et al. 1996).
Die Anfänge der kombinatorischen Gruppentheorie sind beschrieben in (Wussing 1969) und (Chandler und Magnus 1982). Der Aufsatz (Dyck 1882), der oft als der erste Text bezeichnet wird, in welchem Gruppen abstrakt durch eine Präsentation definiert wurden, faßte eine Sprechweise zusammen, die bereits vorher im funktionentheoretischen Kontext gebräuchlich war.
Nachdem Poincaré im Zusammenhang seiner Verallgemeinerung des Eulerschen Polyedersatzes den verallgemeinerten Polyederbegriff (im Sinn der Zellenzerlegungen einer Mannigfaltigkeit) eingeführt hatte (ebd., § 16), kam er nicht noch einmal auf die Berechnung der Fundamentalgruppe zurück. Mindestens im Fall von drei Dimensionen dürfte ihm aber klar gewesen sein, daß das angegebene Berechnungsverfahren auch auf in mehrere Polyeder zerlegte Mannigfaltigkeiten übertragbar war. Zu diesem Zweck konnten beispielsweise die verschiedenen Polyeder durch das Löschen von gewissen Seitenflächen zu einem einzigen vereinigt werden (diese Methode deutete er im Zusammenhang des Eulerschen Satzes selbst an). Eine Alternative war, die Aufstellung der fundamentalen Wege und Relationen durch die Einführung von Hilfswegen, die von einem Polyeder in ein anderes führten, entsprechend zu ergänzen. Beide Wege wurden von den ersten Lesern Poincarés beschritten; Beispiele werden uns in der Folge noch begegnen.
Vgl. vor allem (Heegaard 1898, § 12.) Heegaard kritisierte nicht nur den Poincaréschen Dualitätssatz, sondern auch den naiven Umgang mit dem Begriff „Untermannigfaltigkeiten“ in der Definition der Homologierelation, der über Probleme mit Singularitäten hinwegsah.
Die Kritik Heegaards und die wichtigsten Aspekte von Poincarés Reaktion darauf sind wiederholt in der Literatur beschrieben worden, vgl. Anm. 31.
(Ebd., § 4). Poincaré gab keine Präzisierung dieser anschaulichen Unterscheidung, die durch seine früheren Beispiele nahegelegt war (z.B. ist das oben beschriebene Beispiel offensichtlich eine Zerlegung 2. Art). Poincaré führte außerdem noch „Polyeder 3. Art“ ein, in welchen die Zellen nicht mehr einfach zusammenhängend sein mußten.
Vgl. (Scholz 1980, 291 f.) zu Poincarés Begriff der Orientierung.
Vgl. (Poincaré 1899, § II; Poincaré 1900, §§ 1,4).
Bereits die Idee, daß einer Linearkombination der Homologien zwischen den Zellen generell wieder eine Homologie zwischen Untermannigfaltigkeiten von V entspricht, macht differentialtopologische Schwierigkeiten. Vgl. hierzu und zu späteren Entwicklungen (Dieudonné 1989, 20, 30 ff. und Part 1, Ch.
In moderner Sprache: die Theorie endlich erzeugter Moduln über dem Ring der ganzen Zahlen, oder, wie Emmy Noether zuerst betont hat, die Theorie endlich erzeugter abelscher Gruppen; vgl. (Noether 1925). Die für den vorliegenden Zusammenhang nötigen Resultate wurden zuerst von (Smith 1861) und dann von (Frobenius 1879) angegeben. Poincaré entwickelte die nötigen Sätze allerdings noch einmal neu, ohne auf diese Arbeiten Bezug zu nehmen.
Aus heutiger Perspektive beschrieb Poincaré die Zerlegung der q-ten Homologiegruppe in einen freien Anteil, dessen Rang β q — 1 ist (die heutige Betti-Zahl), und zyklische Anteile, deren Ordnung und Anzahl durch die Torsionszahlen der Dimension q gegeben sind. Diese gruppentheoretische Umdeutung geht vor allem auf (Noether 1925) zurück; eine ausführliche Beschreibung der Zusammenhänge zwischen beiden Bildern findet sich in (Seifert und Threlfall 1934, Kap. 3).
(Ebd., § 4). In der Tat war es eine andere Beschreibung dieser Mannigfaltigkeit, die Heegaard veranlaßt hatte, Poincaré die Unzulänglichkeit seiner früheren Behandlung der Betti-Zahlen vorzuwerfen. Vgl. dazu auch §77 und §81.
(Ebd., § 5); dabei muß eine irrtümliche Bezeichnung Poincarés korrigiert werden. — Durch die Betrachtung der reziproken Zerlegung erkennt man übrigens auch leicht, daß das frühere Berechnungsverfahren für die Fundamentalgruppe eines dreidimensionalen „Polyeders“ das nichtkommutative Analogon der Berechnung der ersten Homologie darstellt. In der Tat entsprechen die den Flächen der Zerlegung zugeordneten fundamentalen Wege gerade den Kanten der reziproken Zerlegung, während die Kanten der gegebenen Zerlegung in die zweidimensionalen Zellen der reziproken Zerlegung übergehen. Die fundamentalen Äquivalenzen gehen dabei in die Berandungsrelationen für die Kanten der reziproken Zerlegung über. Eine Präsentation der reduzierten 1-Homologie der reziproken Zellenzerlegung ist daher die abelsch gemachte, zur Ausgangszerlegung gehörende Präsentation der Fundamentalgruppe.
Die mäandrischen Schicksale von Poincarés diesbezüglichen Vermutungen und anschließende Bemühungen verfolgt insbesondere (Volkert 1994).
(Herreman 1997) betont zurecht, daß die Semantik der mathematischen Sprache Poincarés verbietet, seine Texte einer „rein kombinatorischen“ Topologie zuzurechnen. Diese Diagnose (die zeitgenössische Leser Poincarés wie z.B. Heinrich Tietze zweifellos akzeptiert hätten) widerspricht jedoch nicht der Tatsache, daß die von Poincaré geschaffene epistemische Konfiguration eine wesentliche Voraussetzung für die Entwicklung dieser Richtung war. Vgl. dazu Abschnitt 3 dieses Kapitels.
Wie es etwa die drastische Rhetorik der Anfangskapitel von (Dieudonné 1989) nahelegt.
Ein Beispiel findet sich in § 85.
Vgl. § 54. Es sollte freilich auf die von (Scholz 1980, 289) betonte Einschränkung hingewiesen werden, die Poincarés Position technisch von der Kleins doch absetzt: Gemäß Poincarés anfänglichen Definitionen bilden nämlich die Homöomorphismen von Mannigfaltigkeiten keine Gruppe, sondern nur ein Gruppoid.
Vgl. für Alexander § 104.
Etwa (Veblen 1922), (Kerékjártó 1923), (Reidemeister 1932b), (Seifert und Threlfall 1934), (Alexandroff und Hopf 1935).
Erst dann wurde es auch möglich, die genauen Beziehungen zwischen den verschiedenen in Poincarés Schriften entworfenen Definitionsstrategien systematisch zu untersuchen. Weitere Informationen hierzu in (Scholz 1999) sowie verstreut in (Dieudonné 1989).
Vgl. (Magnus 1978). Wie sehr Hilbert Dehns Dissertation schätzte, zeigt sieh an folgender Passage in einem Brief Hilberts an Hurwitz vom 5. November 1899: „Da Sie sich auch etwas für die Grundlagen der Geometrie interessieren, so möchte ich Sie auf eine wohl noch in diesem Semester erscheinende Dissertation von einem meiner besten Schüler Herrn Dehn aufmerksam machen, über deren Resultate ich ganz entzückt bin.“ (NSUB Göttingen, Cod. MS. Hilbert.)
D.h. um eine Definition auf der Basis endlicher Zerlegungen von Polyedern und des Kongruenzbegriffs, aber ohne Benützung von Stetigkeitsaxiomen; vgl. Dehns Habilitationsschrift (Dehn 1901).
Dehns Briefe an Hilbert befinden sich in der NSUB Göttingen, Cod. MS Hilbert. Im folgenden wird lediglich das Datum angegeben.
Vgl. Dehn an Hilbert, 24. September 1900, sowie die folgenden, aus Karlsruhe gesandten Briefe.
Dehn an Hilbert, 3. April 1911.
Dehn an Hilbert, 9. März und 11. Juli 1913. Ob in den Kieler Schwierigkeiten die jüdische Herkunft Dehns eine Rolle spielte, muß dahingestellt bleiben. — Zur weiteren Biographie Dehns vgl. Abschnitt 9.3.
Das hat auch Wilhelm Magnus, der 1929 bei Dehn promovierte, wiederholt betont, etwa in folgender Passage: „Hilbert’s influence on Dehn extends well beyond Dehn’s first unpublished paper. It was a most fortunate coincidence that Dehn met Hilbert during Hilbert’s ‚geometric period.’“ (Magnus 1978, 133.)
Vgl. die Anmerkung in (Dehn und Heegaard 1907, 153).
(Dehn und Heegaard 1907, 156). Diese Definition wurzelte übrigens direkt in den „topologischen“ Teilen von Hilberts Grundlagen der Geometrie. Streckenkomplexe sind direkte Verallgemeinerungen der Hilbertschen „Streckenzüge“ (Hilbert 1899, §§ 3–6). Der einzige Unterschied ist, daß bei Hilbert nur Ketten von Paaren (AB), (BC), (CD),... anstelle beliebiger Paarungen wie oben zugelassen waren.
Vgl. zu den technischen Einzelheiten auch (Bollinger 1972, 144–147).
Außer in einem der Axiome, in welchem schlicht verlangt wurde, daß zwei Komplexe in einer Mannigfaltigkeit genau dann homotop im Sinn Dehns und Heegaards waren, wenn sie im Sinn der Punktmengen stetig ineinander deformierbar waren. An dieser Formulierung, die das Problem der Hauptvermutung schlicht durch axiomatische Setzung zu erledigen suchte, zeigt sich die Naivität dieses verfrühten Axioma-tisierungsversuchs der Topologie (ebd., 169).
An anderen Texten zeigt dies auch (Herreman 1997).
Von dem Bild der Topologie, das Listing 60 Jahre früher umrissen hatte, trennen Dehn und Heegaard zwei Stufen der Differenzierung. Im Jahr 1847 war weder die äußere Differenzierung der Mathematik von den exakten Wissenschaften noch die innere Differenzierung der Topologie von anderen Zweigen der Mathematik ein etablierte Tatsache. Vgl. § 30.
(Dehn und Heegaard 1907, 207 ff.) — Obwohl Dehn sich früher mit dem Beweis des Jordanschen Kurvensatzes in der Ebene beschäftigt hatte, wurde das Problem der Isotopie geschlossener Kurven auf Flächen nicht erwähnt.
Dieses Urteil ergibt sich auch aus anderen Beobachtungen. So zweifeln Dehn und Heegaard an der von Weith behaupteten Möglichkeit, Knoten durch wendepunktfreie Diagramme darzustellen, obwohl sie andererseits auf die Brunnsche Arbeit (Brunn 1897) hinwiesen, aus der diese Behauptung sich direkt ergibt (vgl. § 60). Die Verbindung des Gaußschen Traktproblems mit den entsprechenden Überlegungen Taits wurde ebenfalls nicht verfolgt.
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Epple, M. (1999). Der Anbruch Der Mathematischen Moderne und die Disziplinäre Schwelle Der Topologie. In: Die Entstehung der Knotentheorie. Vieweg+Teubner Verlag. https://doi.org/10.1007/978-3-322-80295-8_7
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