Zusammenfassung
In diesem Kapitel werden zwei wichtige Voraussetzungen der Mathematisierung des Knotenproblems beschrieben. Zunächst gehe ich auf verschiedene Formen des Wissens ein, das in menschlichen Kulturen über verschlungene Fäden und Linien gesammelt wurde, lange bevor irgend jemand an eine mathematische Behandlung solcher Dinge dachte (2.1). Anschließend stelle ich dar, wie im 18. Jahrhundert eine Reihe von Mathematikern damit begannen, dem Knotenproblem verwandte Probleme zu mathematisieren, und wie dadurch auch der Boden für eine mathematische Behandlung verschlungener Kurven im Raum bereitet wurde (2.2).
L’ouvrier qui fait une tresse, un réseau, des nœuds, ne les conçoit pas par les rapports de grandeur, mais par ceux de situation: ce qu’il voit, c’est l’ordre dans lequel sont entrelacés les fils.
Alexandre Théophile Vandermonde, 1771
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Literatur
Vgl. Art. „Textiles“ in (Meyers et al. 1997, Bd. 5) sowie (Leroi-Gourhan 1964/1980, 172).
Vgl. vorige Fußnote und (Leroi-Gourhan 1964/1980, 218 f.).
Eine englische Übersetzung und eine Diskussion der beschriebenen Knoten gibt (Day 1967). Auf die Überlieferung dieses Texts komme ich unten zurück.
H. O. Schröder, Art. „Oreibasios“, in: (Pauly-Wissowa, Supplementband VII, Spalten 797–812).
Ausführlich zu entsprechenden Belegen in hebräischen Texten bei (Gandz 1931).
Zu den Quipus vgl. (Day 1967) und ausführlicher (Asher und Asher 1981).
Art. „Ornament and pattern“ in (Turner et al. 1996, Bd. 23, 532) und Art. „Çatal Hüyük“ in (Meyers et al. 1997, Bd. 1).
Art. „Interlacing“, in (Turner et al. 1996, Bd. 15).
Vgl. (Wilson 1994/1996, Kap. 9) und (Racinet 1873/1978).
Ein vielfältiges und kreatives Spiel mit solchen Linien findet sich z.B. in den lusona-Figuren des afrikanischen Volkes der Tschokwe in Kongo und Tschad, vgl. dazu (Asher 1988) und (Gerdes 1994).
Art. „Celtic“ in (Lewis und Darley 1986).
Die bekanntesten Bücher sind das Book of Durrow, Dublin, Trinity College Library; die Lindisfarne Gospels, London, British Library (beide 2. Hälfte 7. Jahrhundert); und das Book of Keils, Dublin, Trinity College Library, um 800.
Academy of Leonardo da Vinci, ca. 1495, London, British Museum, PD 1877.1–13.364. Eine Abbildung findet sich z.B. in (Wilson 1994/1996, 191). Zur islamischen Knotenomamentik vgl. (Wilson 1994/1996, 200 ff.) sowie die Art. „Interlacing“ und „Islamic Art“ in (Turner et al. 1996, Bd. 15).
Eine Einführung in dieses Thema findet sich bei (Livingston 1993/1995).
Zitiert bei (Thorndyke 1923, Bd. 1, 19).
(Day 1967,50); für die Verbindung von Zahlen- und Knotenmagie in der ägyptischen Kultur vgl. auch Art. „Knoten“ in (Bonnet 1952).
Art. „Knoten“ in (Helck und Otte 1976–1992, Bd. 3).
Vgl. W. Dilling, Art. „Knots“ in (Hastings 1908–1927, Bd. VII).
In einem Gesetzesvorschlag gegen Magie (Nomoi, XI, 933de).
22. Buch, Kap. 29; vgl (Thorndyke 1923, Bd. 1,65 f.).
(Thorndyke 1923, Bd. 1,69 und 71); (Thorndyke 1923, Bd. 1,592) über Marcellus, De medicamentis, Kap. 32. Zur Unterstützung der Geburt durch das Lösen von Knoten vgl. auch W. Dilling, Art. „Knots“ in (Hastings 1908–1927, Bd. VII).
Vgl. (Thorndyke 1923, Bd. 1, 662).
Der betreffende Knoten ist z.B. auf dem Umschlag von (Rolfsen 1976) gezeichnet.
Die ausführlichste Beschreibung findet sich im 1. Buch der Könige 7,41 ff.
W. Dilling, Art. „Knots“ in (Hastings 1908–1927, Bd. VII).
Historia naturalis, 29. Buch, Kap. 9; vgl. wiederum W. Dilling, ebd.
Zu letzterem vgl. Art. „Knots“, in (Lewis und Darley 1986).
Etwa mit Blick auf den Gartenbau der Renaissance und des Barock. (Ashley 1944/1982,217) erwähnt unter anderem eine Beschreibung gärtnerischer Liebesknoten in Stephen Blakes The Compleat Gardener’s Practice (1664).
Die am Beginn dieses Buches wiedergegebene Partiturseite stammt aus: Claudio Monteverdi, L’incoronazione di Poppea, MS Napoli, Biblioteca del Conservatorio di Musica „San Pietro a Maiella“, Rari 6.4.1, S. 228; abgedruckt im Libretto zur Einspielung von John Eliot Gardiner u.a., Archiv Produktion 447 088–2.
Arrianus, Anabasis, II.3; zitiert nach der Übersetzung von G. Wirth, München: Artemis, 1985.
Ich folge hier (Day 1967,103–106).
Art. „Zoppino“ in (Lewis and Darley 1986); vgl. auch das oben in Anm. 13 erwähnte Werk der Schule Leonardos, das möglicherweise zu den Vorlagen Zoppinos zählte.
Vgl. (Ashley 1944/1982,195, 217 und 307).
Vgl. z.B. Encyclopédie, Tome XI (im Verzeichnisband fälschlich: IX) des planches: „Metier à faire du marli“, pl. VIII; „Gazier“, pl. IV; „Soierie“, pl. XXVIII, XXXVIII–LIX, LXV, LXX–XC, CXVIII–CXXII, CXXV–CXXIX.
Aristoteles, Metaphysik, 1061 a 29 ff.; zitiert nach der Übersetzung von F. F. Schwartz, Stuttgart: Reclam, 1970.
Aristoteles, Physik, bes. Buch VI.9 und VIII.8; dazu auch (Dehn 1936b).
Art. „Analyse“, in: Encyclopédie, Bd. 1,400–401. Zum Verständnis der Mathematik in der Aufklärung als einer analytischen Kunst vgl. auch (Hankins 1985,17–23).
Leibniz an Huyghens, 8. September 1679, zit. nach (Pont 1974, 7).
Ein Teil davon ist inzwischen in (Leibniz 1995) leicht zugänglich.
Vgl. z.B. (Leibniz 1995, 206 f.). Die Relation der Kongruenz spielte auch eine elementare Rolle in Leibniz’ entsprechenden Symbolisierungsversuchen.
Nach der Veröffentlichung von Leibniz’ Korrespondenz mit Huyghens (Uylenbroek 1833) kam es zu einer intensiven Diskussion über die Frage, was Leibniz selbst unter seiner Analysis situs verstand. Im Jahr 1846 zeigte Hermann Grassmann, daß Leibniz nicht an jenes Gebiet der Geometrie dachte, welches wir Topologie nennen; demgegenüber vertrat Grassmann die Auffassung, daß Leibniz einen koordinatenfreien geometrischen Kalkül im Stil der späteren Vektorrechnung und linearen Algebra intendierte (Grassmann 1846). Die Diskussion dauert bis in die Gegenwart an; vgl. z.B. (Crowe 1967/1985, Kap. 1), (Pont 1974, 7 f.), sowie Echeverrias Einleitung zu (Leibniz 1995) und die dort genannten Texte. In ihren Anfängen ging es nicht zuletzt auch um eine Berufung auf Leibniz’ Autorität. So hat Grassmann mit seinem Beitrag Autorität für seine eigene Ausdehnungslehre beansprucht, während umgekehrt Johann Benedikt Listing, dessen Vorstudien zur Topologie von 1847 in Kapitel 3 behandelt werden, Leibniz noch einmal vorsichtig als Ahnvater der Topologie reklamierte. Wie obige Bemerkungen zeigen, sind jedoch beide Interpretationen anachronistisch. Worauf Leibniz hoffte, war genau das, was er an Huyghens schrieb: ein symbolischer Kalkül, der den gesamten Bereich der Geometrie umfassen und es erlauben sollte, deren Probleme auf direktere Weise als mit den Mitteln der Koordinatisierung zu lösen. Wenn Leibniz dabei von „linearer“ Analysis und von „Maschinen“ und „Bewegungen“ sprach, so spielte er damit auf die u.a. von Pappos als lineare bzw. mechanische Probleme bezeichneten Themen der klassischen Geometrie an. Diese im antiken ebenso wie im frühneuzeitlichen Verständnis den im strengen Sinn „geometrischen“ Problemen gegenübergestellten Themen waren im 17. Jahrhundert Gegenstand großer Aufmerksamkeit.
Die betreffende Korrespondenz ist beschrieben in (Sachs et al. 1988).
Der lateinische Text in (Euler 1736, § 1).
Dieser Problemtyp wird heute der Graphentheorie eingeordnet. Diese Einordnung ist aber Resultat einer wesentlich später erfolgten Differenzierung der Teilgebiete der Topologie; vgl. dazu (Biggs et al. 1976). Wir werden diese Entwicklung noch mehrfach berühren.
Z.B. durch das Entfernen größerer Zyklen von Teilwegen. Auch dies ändert nicht die Parität der Gebiete und damit die Lösbarkeit des Problems. Näheres in (Biggs et al. 1976,10 ff.).
Eulers brillante Karriere verdankt sich nicht zuletzt seinen Beiträgen zu allen diesen Gebieten. Vgl. allgemein zum Thema (Hankins 1985). Am besten studiert ist wohl das Gebiet der Wahrscheinlichkeitsrechnung; vgl. dazu (Daston 1988) sowie die beeindruckende Studie (Brian 1994).
Vgl. Zilsels Arbeiten über die italienische Renaissance (Zilsel 1976) und Studien über das England des 17. Jahrhunderts wie (Shapin und Schaffer 1985).
Vgl. insbesondere den Art. „Géomètre“; zur Debatte ferner (Hankins 1970).
Vgl. hierzu auch (Krämer 1988).
Zu Vandermonde vgl. (Lebesgue 1955); Details über Vandermondes akademische und politische Laufbahn finden sich außerdem in (Dhombres und Dhombres 1989) und (Brian 1994).
Vgl. hierzu (Sullivan 1997).
Vgl z.B. (Hobsbawm 1969, Kap. 3).
Vgl. dazu § 32.
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© 1999 Friedr. Vieweg & Sohn Verlagsgesellschaft mbH, Braunschweig/Wiesbaden
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Epple, M. (1999). Der Praktische Umgang Mit Knoten und die Anfänge der Analysis Situs . In: Die Entstehung der Knotentheorie. Vieweg+Teubner Verlag. https://doi.org/10.1007/978-3-322-80295-8_2
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