Zusammenfassung
Spricht man heute mit einem Dynamiker über Dimensionen, so muß man sich von der Vorstellung trennen, daß deren Werte ganzzahlig sind. Durch seine Auffassung vom Dimensionsbegriff ist es ihm sicher vertrauter, festzustellen, daß ein durch die Dynamik definiertes Gebilde, das wohl eine Punktmenge im Koordinatenraum Rm sein kann, etwa die Dimension log 2 hat, als daß es 1-, 2- oder 3-dimensional wäre. Auf die Frage nach dem Grund hierfür könnte man etwa die folgende Antwort erhalten:
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«Wir versuchen in der Dynamik komplizierte Abläufe (man nennt sie zuweilen chaotisch) zu modellieren. Dabei spiegelt sich die Kompliziertheit der zu untersuchenden Prozesse unter anderem darin wider, daß wir es mit ungewohnten mathematischen Gebilden aus der Geometrie oder auch Maßtheorie zu tun bekommen. Die seltsamen Attraktoren zum Beispiel sind Punktmengen im Rm oder in Mannigfaltigkeiten, die viel eher an das Cantorsche Diskontinuum als an vertraute Figuren wie Kurven, Flächen, Mannigfaltigkeiten oder etwas Ähnliches erinnern. Auf der Suche nach numerischen Invarianten für diese Gebilde kam man auch zu deren Dimension. Aber die Anschauung von dem, was die Dimension sein sollte, beschränkt sich auf vernünftige Figuren; hier bei vielen in der Dynamik auftauchenden Gebilden läßt sie uns im Stich, und wir sind auf mathematische Definitionen angewiesen. Je nach dem Ausgangspunkt führt uns unsere Vorstellung zu verschiedenen Varianten einer solchen Definition, die sich bei einfachen Punktmengen nur formal unterscheiden mögen. Nicht aber bei uns in der Dynamik, wo interessante Mengen ganz verschiedene Dimensionen erhalten können je nachdem, für welche Definition wir uns entscheiden. So konnten wir uns unter den angebotenen Dimensionsbegriffen einen passenden auswählen, oder, wenn wir Feinheiten unterscheiden wollen, können wir sogar eng miteinander verwandte Dimensionen vergleichen. Dabei ergab es sich, daß die klassische, im Rahmen der Topologie von Poincare, Brouwer, Menger, Urysohn u. a. eingeführte Dimension ungeeignet erschien, und das schon deswegen, weil sie nur ganzzahlige Werte liefert, während wir durch die auf Hausdorff zurückgehenden Definitionen in der Regel nicht ganze reelle Zahlen und damit feinere Invarianten erhalten. Außerdem steht der mathematische Formalismus, aus dem die Hausdorffsche Dimension hervorgegangen ist, der Denkweise in der Dynamik näher als die topologische Dimensionstheorie. Viele Impulse für Neuentwicklungen in der Dimensionstheorie sind in letzter Zeit von der Dynamik ausgegangen, und alle beziehen sich auf die Dimensionen, die auch nicht ganzzahlige Werte annehmen können. »
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© 1996 Friedr. Vieweg & Sohn Verlagsgesellschaft mbH, Braunschweig/Wiesbaden
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Bothe, HG., Schmeling, J. (1996). Die Hausdorff-Dimension in der Dynamik. In: Brieskorn, E. (eds) Felix Hausdorff zum Gedächtnis. Vieweg+Teubner Verlag. https://doi.org/10.1007/978-3-322-80276-7_9
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-80276-7_9
Publisher Name: Vieweg+Teubner Verlag
Print ISBN: 978-3-322-80277-4
Online ISBN: 978-3-322-80276-7
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