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Versteckte Verwandtschaften. Erkenntniskritik und Wissenschaftsanalyse – Cohen und der Logischen Empirismus

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Philosophie und Wissenschaft bei Hermann Cohen/Philosophy and Science in Hermann Cohen

Part of the book series: Veröffentlichungen des Instituts Wiener Kreis ((WIENER KREIS,volume 28))

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Zusammenfassung

Hermann Cohen, der Begründer der Marburger Schule des Neukantianismus, hat einen bis dato unterirdischen Einfluss auf den Logischen Empirismus ausgeübt. Seine Konzeption der transzendentalen Methode sowie seine scharfe Polemik gegen den Psychologismus wurden insbesondere von Rudolf Carnap und Hans Reichenbach zum Teil angenommen, aber zugleich auch umgewandelt. Reichenbach’s Analyse der Wissenschaft und Carnaps logische Analyse wissenschaftlicher Sätze sind mit Cohens Ansatz in dem Sinne noch verbunden, dass die Kritik der Vernunft Kantischer Prägung durch die Eruierung der begrifflichen Struktur wissenschaftlicher Theorien ersetzt wird. Trotz offensichtlicher Differenzen handelt es sich doch um einen Zusammenhang, auf den die Forschung weiter einzugehen hat.

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Notes

  1. 1.

    Unter den zahlreichen Studien, die neue Auslegungsperspektiven erschlossen haben, sei hier verwiesen auf die Beiträge von Ronald N. Giere/Alan W. Richardson (Eds.), Origins of Logical Empiricism, Minneapolis-London: University of Minnesota Press 1998; Alan W. Richardson, Carnap’s construction of the world. The „Aufbau“ and the emergence of logical empiricism, Cambridge: Cambridge University Press 1998; Michael Friedman, Reconsidering Logical Positivism, Cambridge: Cambridge University Press 1999; Michael Friedman, A Parting of the Ways. Carnap, Cassirer, and Heidegger, Chicago and La Salle (Illinois): Open Court 2000; Paolo Parrini, L’empirismo logico. Aspetti storici e prospettive teoriche, Roma: Carocci 2002; Thomas Ryckman, The Reign of Relativity. Philosophy in Physics 19151925, Oxford: Oxford University Press 2005; A.W. Carus, Carnap and Twentieth-Century Thought. Explication as Enlightenment, Cambridge: Cambridge University Press 2007; Michael Friedman/Richard Creath (Eds.), The Cambridge Companion to Rudolf Carnap, Cambridge: Cambridge University Press 2007; Alan W. Richardson/Th. Uebel (Eds.), The Cambridge Companion to Logical Empiricism, Cambridge: Cambridge University Press 2007; F. Schmitz, Le Cercle de Vienne, Paris: Vrin 2009; Christian Krijnen/Kurt Walter Zeidler (Hg.), Wissenschaftsphilosophie im Neukantianismus. AnsätzeKontroversenWirkungen, Würzburg: Königshausen & Neumann 2014.

  2. 2.

    Siehe aber die Pionierarbeit von Geert Edel, „Cohen und die analytische Philosophie der Gegenwart“, in: Reinhardt Brandt/Franz Orlik (Hg.), Philosophisches DenkenPolitisches Wirken. Hermann-Cohen-Kolloquium Marburg 1992, Hildesheim-Zürich-New York: Olms 1993, S. 179–203.

  3. 3.

    Vgl. Immanuel Kant, Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik, die als Wissenschaft wird auftreten können, AA IV, § 4, S. 274–275: „Prolegomena sollen […] Vorübungen sein; sie sollen mehr anzeigen, was man zu thun habe, um eine Wissenschaft wo möglich zur Wirklichkeit zu bringen, als sie selbst vortragen. Sie müssen sich also auf etwas stützen, was man schon als zuverlässig kennt, von da man mit Zutrauen ausgehen und zu den Quellen aufsteigen kann, die man noch nicht kennt, und deren Entdeckung uns nicht allein das, was man wußte, erklären, sondern zugleich einen Umfang vieler Erkenntnisse, die insgesammt aus den nämlichen Quellen entspringen, darstellen wird. Das methodische Verfahren der Prolegomenen, vornehmlich derer, die zu einer künftigen Metaphysik vorbereiten sollen, wird also analytisch sein“ (siehe auch § 5, S. 279). Vgl. dazu Benno Erdmann, Historische Untersuchungen über Kants Prolegomena, Halle: Niemeyer 1904, S. 7 f.

  4. 4.

    Vgl. Paul Natorp, „Kant und die Marburger Schule“, in: Kant-Studien 17, 1912, S. 198. Siehe ferner Paul Natorp, „Zur Frage nach der logischen Methode. Mit Beziehung auf Edmund Husserls Prolegomena zur reinen Logik“, in: Kant-Studien, 6, 1901, S. 270–283. Schon in dem Aufsatz „Ueber objective und subjective Begründung der Erkenntnis“, in: Philosophische Monatshefte, 23, 1887, S. 257–286 hatte Natorp sich systematisch mit dem Psychologismus auseinandergesetzt (vgl. dazu Matthias Rath, Der Psychologismusstreit in der deutschen Philosophie, Freiburg-München: Alber 1994, S. 101–114). Zum Psychologismusstreit siehe Martin Kusch, Psychologism. A Case Study in the Sociology of Knowledge, London and New York: Routledge 1995 (der aber den erwähnten Beitrag von Natorp übersieht). Auffallend ist, dass auch neuere Studien zum Neukantianismus und zur Psychologismuskritik die Position Natorps kaum in Betracht ziehen (vgl. R. Lanier Anderson, „Neo-Kantianism and the Roots of Anti-Psychologism“, in: British Journal for the History of Philosophy, 13, 2005, S. 287–323).

  5. 5.

    Hermann Cohen, Das Prinzip der Infinitesimal-Methode und seine Geschichte, in: Hermann Cohen, Werke, hg. vom Hermann-Cohen-Archiv, Bd. V, Hildesheim-Zürich-New York: Olms 1984, S. 5.

  6. 6.

    Für einen allgemeinen Überblick siehe Massimo Ferrari, Filosofia analitica, in: Claudio La Rocca/Stefano Besoli/Riccardo Martinelli (Eds.), L’universo kantiano. Filosofia, scienze, sapere, Macerata: Quodlibet, 2010, S. 647–707. Einen interessanten Beitrag zu diesem Problemzusammenhang bietet Mario Ariel González Porta, „Frege e Natorp. Platonismos, antipsicologismos e teorias da subjetividade“, in: Derselbe, Estudos Neokantianos, Sãn Paulo: Edições Loyola 2011, S. 199–228.

  7. 7.

    Cohen, Das Prinzip der Infinitesimal-Methode und seine Geschichte, op. cit., S. 5.

  8. 8.

    Ibid., S. 6.

  9. 9.

    Ibid., S. 6.

  10. 10.

    Hermann Cohen, Kants Theorie der Erfahrung, in: Cohen, Werke, hg. vom Hermann-Cohen-Archiv, Bd. I/1, Hildesheim-Zürich-New York: Olms 1987, S. 94.

  11. 11.

    Ibid., S. 110.

  12. 12.

    Hermann Cohen, Biographisches Vorwort, in: Friedrich Albert Lange, Geschichte des Materialismus und Kritik seiner Bedeutung in der Gegenwart, Iserlohn-Leipzig: Baedeker 1881, S. X.

  13. 13.

    Eine eingehende Diskussion der Bedeutung der transzendentalen Methode innerhalb der verschiedenen Richtungen des deutschen Neukantianismus findet sich in: Kurt Walter Zeidler, „Begriff und ‚Faktum‘ der Wissenschaft“, in: Krijnen/Zeidler (Hg.), Wissenschaftsphilosophie im Neukantianismus, op. cit., S. 85–116.

  14. 14.

    Vgl. Hermann Cohen, Logik der reinen Erkenntnis, in: Cohen, Werke, hg. vom Hermann-Cohen-Archiv, Bd. VI, Hildesheim-New York: Olms 1997, S. 396.

  15. 15.

    Vgl. Natorp,„Kant und die Marburger Schule“, op. cit., S. 194–196.

  16. 16.

    Siehe dazu Massimo Ferrari, „Is Cassirer a Neo-Kantian Methodologically speaking?“, in: Rudolf A. Makkreel/Sebastian Luft (Eds.), Neo-Kantianism and Contemporary Philosophy, Bloomington and Indianapolis: Indiana University Press 2010, S. 293–314.

  17. 17.

    Cohen hatte übrigens die Relativitätstheorie in der zweiten Auflage (1914) seiner Logik der reinen Erkenntnis ganz kurz berücksichtigt und die These vertreten, dass die von der Relativitätstheorie formulierte wechselseitige Bedingtheit von Raum und Zeit bereits durch die Logik präfiguriert worden sei. Beide Begriffe seien in der transzendentalen Grundlegung der mathematischen Naturwissenschaft insofern unlösbar miteinander verflochten, als sie kategoriale Bedingungen der mathematischen Antizipation der Ortszeit und der Bewegung ausmachen (Cohen, Logik der reinen Erkenntnis, op. cit., S. 198–199).

  18. 18.

    Hans Reichenbach, Relativitätstheorie und Erkenntnis Apriori, in: Hans Reichenbach, Gesammelte Werke, hg. von Andreas Kamlah und Maria Reichenbach, Bd. 3, Die philosophische Bedeutung der Relativitätstheorie, Braunschweig/Wiesbaden: Vieweg & Sohn 1977, S. 263–264.

  19. 19.

    Der Text dieses Briefes ist zugänglich in der DVD-Edition sämtlicher bislang aufgefundener Briefe von und an Ernst Cassirer (Nr. 284), in: Ernst Cassirer, Nachgelassene Manuskripte und Texte, Bd. 18, Ausgewählter wissenschaftlicher Briefwechsel, hg. von J.M. Krois, Hamburg: Meiner 2009.

  20. 20.

    Hans Reichenbach, „Der gegenwärtige Stand der Relativitätsdiskussion“, in: Logos, 10, 1921, S. 316–378, abgedruckt in: Reichenbach, Gesammelte Werke, Bd. 3, op. cit., S. 342–378 (S. 349–350).

  21. 21.

    Moritz Schlick, Kritische Gesamtausgabe, Abteilung I, Bd. 1, Allgemeine Erkenntnislehre, hg. von Hans Jürgen Wendel und Fynn Ole Engler, Wien-New York: Springer 2009. S. 135.

  22. 22.

    Ibid., S. 748–749.

  23. 23.

    So Cassirer in einem Brief an Schlick vom 23. Oktober 1920 (vgl. Cassirer, Ausgewählter wissenschaftlicher Briefwechsel, op. cit., S. 50–51).

  24. 24.

    Rudolf Carnap, Scheinprobleme in der Philosophie und andere metaphysikkritische Schriften, hg. von Th. Mormann, Hamburg: Meiner 2004, S. 3.

  25. 25.

    Ibid., S. 15.

  26. 26.

    Rudolf Carnap, Die Aufgabe der Wissenschaftslogik, in: Joachim Schulte/Brian McGuinness (Hg.), Einheitswissenschaft, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1992, S. 90.

  27. 27.

    Rudolf Carnap, Foundations of Logic and Mathematics, Chicago: Chicago University Press 1939, S. 2.

  28. 28.

    Ibid., S. 47: „The service which mathematics renders to empirical science consists in furnishing these instruments; the mathematician not only produces them for any particular case of application, but keeps them in store, so to speak, ready for need that may arise“.

  29. 29.

    Ibid., S. 61.

  30. 30.

    Vgl. Ernst Cassirer, Das Erkenntnisproblem in der Philosophie und Wissenschaft der neueren Zeit, Bd. IV, Von Hegels Tod bis zur Gegenwart (18321932), in: Ernst Cassirer, Gesammelte Werke. Hamburger Ausgabe, Bd. 5, Hamburg: Meiner 2000, S. 27, wo bezeichnenderweise Bezug genommen wird auf Hans Hahn, Die Krise der Anschauung, wiederveröffentlicht in Hans Hahn, Empirismus, Logik, Mathematik, hg. von B. McGuinness, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1988, S. 86–114.

  31. 31.

    Vgl. Hans Reichenbach, L'empirisme logique et la désagrégation de l'a priori in: Actes du Congrès International de Philosophie Scientifique, Paris: Hermann 1935, vol. I, S. 28–35.

  32. 32.

    Hans Reichenbach, Ziele und Wege der heutigen Naturphilosophie, hg. von N. Milkov, Hamburg: Meiner 2011, S. 51.

  33. 33.

    Ibid., S. 100, 103.

  34. 34.

    Ibid., S. 97. Dieses Zitat ist aus Reichenbachs Aufsatz „Logistic Empiricism in Germany and the Present State of its Problems“ entnommen, der jetzt in deutscher Übersetzung in der oben erwähnten Textsammlung vorliegt (siehe Fußnote 32).

  35. 35.

    Ibid., S. 51.

  36. 36.

    Ibid., S. 121–122.

  37. 37.

    Siehe oben Fußnote 3.

  38. 38.

    Vgl. Walter Dubislav, Zur Methodenlehre des Kritizismus, Langensalza: Hermann Beyer & Söhne 1929, abgedruckt in: Nikolay Milkov (Hg.), Die Berliner Gruppe. Texte zum Logischen Empirismus, Hamburg; Meiner 2015, S. 397–428.

  39. 39.

    Hans Reichenbach, „Kant und die Naturwissenschaft“, in: Die Naturwissenschaften 21, 1933, S. 601–666, abgedruckt in: Die Berliner Gruppe, op. cit., S. 443–465 (S. 461).

  40. 40.

    Ibid., S. 463–464.

  41. 41.

    Hans Reichenbach, Experience and Predicition. An Analysis of the Foundations of the Structure of Knowledge, Chicago (Illinois): Chicago University Press 1938, S. 3 (Hervorhebung von mir).

  42. 42.

    Ibid., S. 5.

  43. 43.

    Ibid., S. 5–6.

  44. 44.

    Ibid., S. 6–7.

  45. 45.

    Ibid., S. 7.

  46. 46.

    Ibid., S. 8.

  47. 47.

    Ibid., S. 12 (meine Hervorhebung).

  48. 48.

    Vgl. E. Cassirer, „Erkenntnistheorie nebst den Grenzfragen der Logik und Denkpsychologie“, in: Jahrbücher der Philosophie 3, 1927, S. 31–92, abgedruckt in: Cassirer, Gesammelte Werke, Bd. 17, Aufsätze und kleine Schriften 19271931, Hamburg: Meiner 2004, S. 57 Anm. 89.

  49. 49.

    Hans Reichenbach, The Rise of Scientific Philosophy, Berkeley and Los Angeles: University of California Press 1953, S. 44.

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Ferrari, M. (2018). Versteckte Verwandtschaften. Erkenntniskritik und Wissenschaftsanalyse – Cohen und der Logischen Empirismus. In: Damböck, C. (eds) Philosophie und Wissenschaft bei Hermann Cohen/Philosophy and Science in Hermann Cohen. Veröffentlichungen des Instituts Wiener Kreis, vol 28. Springer, Cham. https://doi.org/10.1007/978-3-319-58023-4_8

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