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Tatsache, Wert und menschliche Sensibilität: Die Brentanoschule und die Gestaltpsychologie

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Feeling and Value, Willing and Action

Part of the book series: Phaenomenologica ((PHAE,volume 216))

Abstract

In diesem Aufsatz werden die Fragen nach dem Ort der Werte in der Erfahrung und nach ihrer Natur als Qualität besonderer Art anhand von Ansätzen der Brentanoschule und der Gestaltpsychologie untersucht. Konkret geht es darum, diejenigen Positionen innerhalb dieser Schulen zu analysieren, welche die Werte sowohl in Abhängigkeit von den Eigenschaften des Objektes, an dem diese haften, als auch von der psychophysischen Konstitution des Subjektes, welche sich auf Werte bezieht, verstehen. Brentanos Dispositionalismus, Meinongs erste und zweite dispositionalistische Theorie der Werte und Landmann-Kalischers Theorie der Werte als sekundäre Qualitäten werden exemplarisch als Vertreter der Brentanoschule untersucht, während Köhlers These der Werte als Gestaltqualitäten die Auffassung der Berliner gestalttheoretischen Schule repräsentieren soll. Die Untersuchung dieser Positionen wird einen neuen Blick auf das Wertphänomen werfen, die sich sowohl vom Realismus als auch vom Emotivismus unterscheidet, und welche darin besteht, es in Abhängigkeit von unseren affektiven Dispositionen zu erklären, seien diese als Gemütsbewegungen, Begehrungen, Gefühle oder emotionale Wahrnehmungen verstanden.

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Notes

  1. 1.

    Mit dem Terminus „Verstrickung“ übersetze ich den von Putnam verwendeten englischen Begriff „entanglement“ und folge insofern Putnams Grundidee (Putnam 2002).

  2. 2.

    Putnam selbst behauptet, dass die Idee schon vorher entwickelt worden sei. Anzumerken ist, dass diese Grundidee auch im Neukantianismus zu finden ist. Ebenfalls von Dewey ausgehend, insbesondere seinem Buch Experience and Nature, entwickelt Cassirer in dem Kapitel über „Mythen und Religion“ in Essay on Man den Gedanken einer Verstrickung von Tatsachen und Werten (Cassirer 1967, zuerst 1944).

  3. 3.

    Darunter ist hauptsächlich die Position McDowells zu verstehen (McDowell 2001).

  4. 4.

    Dabei muss diese Position von Lewis’ Version des Dispositionalismus unterschieden werden. Lewis vertritt eine naturalistische Lesart des Dispositionalismus, bei der Werte auf psychologische Tatsachen reduziert werden (Lewis 1989, 113).

  5. 5.

    Beide Punkte finden sich in der heutigen Debatte im Rahmen der „Sensibility Theory“ etwa von McDowell behandelt. Vgl. McDowell 2001.

  6. 6.

    http://plato.stanford.edu/entries/fitting-attitude-theories/

  7. 7.

    Diese Lektüre Brentanos wird durch die späteren Entwicklungen seiner Thesen seitens seiner Schüler innerhalb der Gegenstandstheorie (Twardowski, Meinong u.a.) sowie durch die Unterscheidung innerhalb der analytischen Philosophie zwischen materiellen und formalen Objekten motiviert (Kenny 1963).

  8. 8.

    Brentano verweist ganz direkt auf dieses mögliche Missverständnis: Brentano 1925, 89.

  9. 9.

    Vgl. für eine ähnliche Kritik Reicher 2009, 113.

  10. 10.

    Vgl. Für eine ähnliche Interpretation Reicher 2009, 114 und 115. Reicher behauptet, dass Meinongs Position einen Hang zum Wertrealismus habe. Die Tatsache, dass Meinong sich später für den Wertrealismus positioniert, spricht für diese Interpretation. Allerdings verstehe ich in diesem Aufsatz die dispositionalistische Positionen nicht als eine Variante des Realismus, sondern als eine Alternative zu demselben.

  11. 11.

    Er nimmt noch weitere Änderungen vor. Für eine detaillierte Untersuchung vgl. Vendrell Ferran 2009.

  12. 12.

    Der Einfluss Brentanos und seiner Schule auf das Werk der Autorin ist etwa daran zu erkennen, dass Landmann-Kalischer Brentanos Bild der Psyche und seine Intentionalitätsthese übernimmt (Landmann-Kalischer 1910, 35).

  13. 13.

    Crispin Wright hat einen ähnlichen Einwand gegen McDowell untersucht (Wright 1988, 49).

  14. 14.

    Landmann-Kalischer behauptet, dass die Gefühle „Vorstellungsresiduen“ hinterlassen, und wenn diese wieder erregt werden, kann sich das Gefühl wieder aktualisieren.

  15. 15.

    Vgl. für eine genaue Darstellung dieser Einflüsse Smith 1996, Kap. 10.

  16. 16.

    Vgl. für eine ähnliche Interpretation Toccafondi 2009, 137.

  17. 17.

    Für eine starke und eine schwache Lesart dieser These der Gestalt vgl. Mulligan 2009, 195–196.

  18. 18.

    Dieser Punkt findet sich bei Roberta De Monticelli entwickelt. Vgl. De Monticelli (unveröffentlichtes Manuskipt, in Vorbereitung).

  19. 19.

    Ich werde in diesem Aufsatz das englische Wort benutzen. Im Deutschen wäre von Aufforderungscharakter die Rede, ein Konzept, welches innerhalb der Gestaltpsychologie sehr verbreitet war. In einer ähnlichen Hinsicht wird auch in der heutigen englischsprachigen Debatte von affordance (Affordanz, Angebotscharakter) gesprochen. Dieses Wort wurde von James Gibson im Rahmen einer interaktionistischen Sichtweise der Wahrnehmung geprägt, welche im Übrigen ihrerseits unter dem Einfluss der Gestaltpsychologie (Koffka) stand. Unter Affordanz wird die Qualität eines Objektes verstanden, dem Subjekt eine Handlungsmöglichkeit anzubieten. Vgl. Gibson 1977.

  20. 20.

    In diesem Punkt schein Köhler näher an Schelers Thesen eines Ordo Amoris zu stehen. Der Ordo Amoris ist nicht als Gefühl zu verstehen, sondern als eine affektive Grundhaltung, die den Kern unserer Person ausmacht und unseren kognitiven und volitiven Zugang zur Welt bestimmt (Scheler 1986).

  21. 21.

    Eine genauere Kritik lässt sich bei Frondizi finden. Vgl. Frondizi 2010, 16ff.

  22. 22.

    Dieser Aufsatz hat sich von zahlreichen Gesprächen über die Philosophie der Werte, die ich mit Francesc Perenya Blasi geführt habe, inspirieren lassen. Ihm gilt mein Dank.

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Vendrell Ferran, Í. (2015). Tatsache, Wert und menschliche Sensibilität: Die Brentanoschule und die Gestaltpsychologie. In: Ubiali, M., Wehrle, M. (eds) Feeling and Value, Willing and Action. Phaenomenologica, vol 216. Springer, Cham. https://doi.org/10.1007/978-3-319-10326-6_9

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