Skip to main content

Spiel im Spiel

Opposition und Schwesterfelder von Marcel Duchamp und Vitaly Halberstadt (1932)

  • Chapter
  • 336 Accesses

Part of the book series: Edition Transfer ((EDTRANS))

Zusammenfassung

Gegen Ende seines Essays über Marcel Duchamp merkt Herbert Moiderings an, dass Duchamps Ästhetik ihren konsequentesten Ausdruck im Rückzug ins Schachspiel fand.1 Der Raum des Spiels bietet einen Fluchtort vor der lauten Betriebsamkeit der Kunst, die sich dem „retinalen Schauer“ verpflichtet hat. Spiel ist zugleich ein Fluchtpunkt, in dem Duchamps skeptische Haltung, die Suche nach Strategien der „Präzisionsmalerei und Indifferenzschönheit“ und die Idee der „Reliterarisierung des Bildes“ perspektivisch zusammentreffen.2

This is a preview of subscription content, log in via an institution.

Preview

Unable to display preview. Download preview PDF.

Unable to display preview. Download preview PDF.

Literatur

  1. Herbert Moiderings: Marcel Duchamp. Parawissenschaft, das Ephemere und der Skeptizismus. Frankfurt/M. 1987, S. 106. Für wichtige Hinweise und seine großzügige Hilfe danke ich Paul B. Franklin (Paris).

    Google Scholar 

  2. Marcel Duchamp: Salt Seller. The Writings of Marcel Duchamp (Marchand du sel). Hrsg. von Michel Sanouillet und Elmer Peterson. New York 1973, S. 30. Sämtliche Übersetzungen der Duchamp-Zitate aus dem Englischen hier und im Folgenden: Lena Strouhal.

    Google Scholar 

  3. Pierre Cabanne: Dialogues with Marcel Duchamp. Übers, von Robert Padgett. New York 1971, S. 77f. [The Documents of 20th-century Art, hrsg. von Robert Motherwell).

    Google Scholar 

  4. Eine bemerkenswerte Ausnahme ist der Artikel von Hubert Damisch: The Duchamp Defense. In: October, Nr. 10, 1979, S. 5–28, dessen Titel auf Nabokovs Schachroman The Defense (1930) anspielt. Siehe auch Mark Kremer: What’s in a Game? In: New in Chess Magazine, Nr. 2, März/April 1989, S. 34–45; Hans Ree: The Human Comedy of Chess. A Grandmaster’s Chronicles. Vorwort von Jan Timman. Milford/Conn. 1999, S. 315–324.

    Article  Google Scholar 

  5. Opposition und Schwesterfelder bleibt unerwähnt u. a. in Arthur Brall: Künstlerbücher, Artists’ Books, Book as Art. Ausstellungen, Dokumentationen, Kataloge, Kritiken. Frankfurt/M. 1986; Katja Deinert: Künstlerbücher. Historische, systematische und didaktische Aspekte. Hamburg 1995; Stephen Bury: Artists’ Books. The Book as a Work of Art, 1963–1995. Brookfield/Vt. 1995; Johanna Drucker: The Century of Artists’ Books. New York 1995; und Malerbücher — Künstlerbücher. Die Vielseitigkeit eines Mediums in der Kunst des 20. Jahrhunderts. Hrsg. von Martin Hellmold und Anna Thurmann-Jajes. Köln 2001

    Google Scholar 

  6. Duchamp, zit. in Francis Roberts: I Propose to Strain the Laws of Physics. In: Art News, Jg. 67, Nr. 8, Dezember 1968, S. 63.

    Google Scholar 

  7. Zit. in Jean-Marie Drot: Jeu d’échecs avec Marcel Duchamp. 16 mm, 54 Min., 1963. Episode für die Serie L’Art et les hommes, ausgestrahlt durch RTF, Paris, 8. Juni 1964; erweitert und neu hrsg. unter dem Titel Marcel Duchamp. A Game of Chess. 56 Min. Chicago 1987, Videokassette.

    Google Scholar 

  8. Siehe die Partiensammlung in Ernst Strouhal: Duchamps Spiel. Wien 1994; und Vlastimil Fiala: The Chess Biography of Marcel Duchamp (1887–1968). Bd. 1: The Early Chess Career (1887–1925). Olomouc 2002. Der Schachgroßmeister Werner Hug schätzt die historische Elo-Zahl von Marcel Duchamp auf über 2.300 Ratingpunkte, was heute etwa der Stärke eines starken FIDE-Meisters oder internationalen Meisters, nicht aber der eines Großmeisters entspricht. Vgl. Werner Hug: Duchamp der Taktiker. In: Tages-Anzeiger, 24. Dezember 1994, S. 46. Zu Duchamps Schachstil siehe Ralph Rumneys Interview mit Francois Le Lionnais: Marcel Duchamp as a Chess Player and One or Two Related Matters. In: Studio International, Nr. 973, Jänner–Februar 1975, S. 23ff.

    Google Scholar 

  9. Diese Schachstudie erscheint auf den ersten Blick recht einfach, ist jedoch in Wirklichkeit sehr kompliziert. 1976 versprach Francis M. Naumann eine Belohnung von $ 15 für eine Lösung dieses Problems, das Großmeister Larry Evans in seiner monatlichen Kolumne in Chess Life & Review (Oktober 1976, S. 580) publizierte. Obwohl Naumann zahlreiche Zuschriften erhielt, war keine überzeugende Lösung darunter. 27 Jahre später beschloss ich, mich noch einmal mit der Studie zu beschäftigen, überzeugt davon, dass es eine Lösung der Aufgabe „Weiß zieht und gewinnt“ geben müsse, die unterhalb der Schachstudie auf der Einladungskarte gedruckt war. Nach fünf Monaten Arbeit kam ein Team von Endspielspezialisten aus Österreich, Frankreich, den Niederlanden und Deutschland zu dem Schluss, dass Weiß die Partie nicht gewinnen kann, was Naumanns Hypothese, „dass Duchamp ein Problem erfunden hat, für das es keine bekannte Lösung gibt“, bestätigt. Siehe Francis M. Naumann: Marcel Duchamp. The Art of Making Art in the Age of Mechanical Reproduction. New York 1999, S. 173, Anm. 14. Ob zufällig oder mit Absicht, scheint die Stellung in allen möglichen Variationen remis zu sein. Zumindest in diesem Fall gibt es zwar ein Problem, aber keine Lösung.

    Google Scholar 

  10. Zum Zusammenhang zwischen Why not Sneeze Rose Sélavy? und Duchamps Schachplakat vgl. Damisch: The Duchamp Defense, a. a. O., S. 26f.

    Google Scholar 

  11. Zu Duchamps Schachfiguren aus Buenos Aires im Kontext anderer Schachfiguren des 20. Jahrhunderts vgl. Catherine Phillips (Hrsg.): The Art of Chess. London 2003, S. 7.

    Google Scholar 

  12. Vgl. Duchamps Kommentare in Frank R. Brady: Duchamp, Art and Chess. In: Chess Life, Jg. 16, Nr. 6, Juni 1961, S. 168f.

    Google Scholar 

  13. Duchamp, Rede am Schachkongress der New York State Chess Association in Cazenovia, zit. in Jennifer Gough-Cooper, Jacques Caumont: Ephemerides on and about Marcel Duchamp and Rose Sélavy 1887–1968. In: Marcel Duchamp. Work and Life. Hrsg. und mit einer Einleitung von Pontus Hutten. Cambridge/Mass. 1993, Eintrag 30. August 1952.

    Google Scholar 

  14. Ebd.

    Google Scholar 

  15. Ebd.

    Google Scholar 

  16. Cabanne: Dialogues with Marcel Duchamp, a. a. O., S. 18f.

    Google Scholar 

  17. Marcel Duchamp: Marcel Duchamp. Interviews und Statements. Hrsg., übers, und kommentiert von Serge Stauffer. Stuttgart 1992, S. 189; Otto Hahn: Entretien: Marcel Duchamp. In: L’Express, Nr. 684, 23. Juli 1964, S. 23.

    Google Scholar 

  18. Zit. in James Johnson Sweeney: Eleven Europeans in America. In: Museum of Modern Art Bulletin, Jg. 13, Nr. 4/5, 1946, S. 20.

    Google Scholar 

  19. Cabanne: Dialogues with Marcel Duchamp, a. a. O., S. 19. Siehe auch Kremer: What’s in a Game?, a. a. O., S. 38.

    Google Scholar 

  20. Duchamp, zit. in Denis de Rougemont: Marcel Duchamp mine de rien. In: Preuves, Jg. 18, Nr. 204, Februar 1968, S. 43; und Duchamp, zit. in Drot: Jeu d’échecs avec Marcel Duchamp, a. a. O.

    Google Scholar 

  21. Duchamp, zit. in Gough-Cooper, Caumont: Ephemerides on and about Marcel Duchamp and Rose Sélavy 1887–1968, a. a. O., Eintrag 24. November 1954.

    Google Scholar 

  22. Zit. in Brady: Duchamp, Art and Chess, a. a. O., S. 169.

    Google Scholar 

  23. So z. B. Man Ray über das Atelier seines Freundes in der rue Larrey in Paris: „Hier arbeitete und schlief Duchamp in einer strengen, einfachen Atmosphäre wie ein Mönch. Nichts erinnerte daran, dass hier ein Künstler lebte — der Schachtisch war das wichtigste Möbelstück.“ Man Ray: Self Portrait (1963). Reprint mit einem Vorwort von Merry A. Foresta und einem Nachwort von Juliet Man Ray. Boston 1988, S. 189.

    Google Scholar 

  24. Zit. in Gough-Cooper, Caumont: Ephemerides on and about Marcel Duchamp and Rose Sélavy 1887–1968, a. a. O., Eintrag 30. August 1952.

    Google Scholar 

  25. Zit. in Allan G. Savage: Reconciling Chess. A Marcel Duchamp Sampler. Davenport/Iowa 1998, S. 4. Savages kurzes Buch bietet einen guten Überblick und eine Analyse der Geschichte von Opposition und Schwesterfelder.

    Google Scholar 

  26. Vgl. u. a. die von Lancel selbst besorgten Ausgaben Le Tournoi d’échecs de Paris (1925) und Le Match Colle-Koltanowski (1926).

    Google Scholar 

  27. Das Problem der Springercharade besteht in einer Theorie der Bestimmung des Weges eines Springers über alle Felder des Schachbretts, ohne ein Feld zweimal zu betreten. 1795 wurde für die Lösung des Problems ein Preis von der Akademie der Wissenschaften in Berlin ausgeschrieben. Vgl. Maurice Kraitchik: Le Probleme du cavalier. Brüssel 1927, S. 2.

    Google Scholar 

  28. Ich verweise auf die exzellente Darstellung in André Behr, Beat Züger: Schwesterfelder und heterodoxe Opposition: Erläuterungen zu Marcel Duchamps und Vitaly Haiberstadts vergriffenem Buch zur Endspieltheorie. In: Tages-Anzeiger, 8. Jänner 1994, S. 51, und auf die Diskussion in Basel am 1. Juni 2002 im Rahmen der Ausstellung „Marcel Duchamp“ im Museum Jean Tinguely, der ich wichtige Hinweise zum Verständnis verdanke. Zur Kritik an anderen Darstellungen vgl. Ree: The Human Comedy of Chess, a. a. O., S. 321.

    Google Scholar 

  29. Vgl. Jean-Louis Préti: Recueil d’études progressives sur les fins des parties au jeu d’échecs composées seulement du roi et des pions. Paris 1856; Frederic Richard Gittins: The Chess Bouquet, or The Book of the British Composers of Chess Problems. London 1887, S. 212–216; Rinaldo Bianchetti: Contributo alla teoria dei finali di soli pedoni. Florenz 1925

    Google Scholar 

  30. Marcel Duchamp: Formule de l’opposition hétérodoxe dans les domaines principaux. In: Le Surréalisme au service de la revolution, Nr. 2, Oktober 1930, S. 18f. Eine weitere, wenig bekannte Vorstufe zu Opposition und Schwesterfelder bildet Duchamps Typoskript A Thousand Endgames (um 1931); vgl. Étant Donné, 7, 2006, S. 214–219.

    Google Scholar 

  31. Duchamp, Halberstadt: L’Opposition et les cases conjuguées sont réconciliees par M. Duchamp et V. Halberstadt, Brüssel 1932, S. 112.

    Google Scholar 

  32. Vgl. die Debatte in L’ltalia Scacchistica: [Stefano Rosselli del Turco]: Un plagio. Jg. 22, Nr. 18, 15. September 1932, S. 273f.; Rosselli del Turco: Un plagio (Continuazione...). Jg. 22, Nr. 20, 15. Oktober 1932, S. 305ff.; die beiden von Duchamp und Halberstadt unterzeichneten Briefe vom 26. September 1932 und vom 25. Oktober 1932, Jg. 22, Nr. 20, 15. Oktober 1932, S. 305, und Jg. 22, Nr. 23, 1. Dezember 1932, S. 353; und Rinaldo Bianchettis Brief an del Turco vom 14. November 1932, Jg. 22, Nr. 23, 1. Dezember 1932, S. 353–356.

    Google Scholar 

  33. Walter Bähr: Opposition und kritische Felder im Bauernendspiel. Eine schachtheoretische Abhandlung auf neuer Grundlage für Turnierspieler und Endspielfreunde. Freiburg im Breisgau 1936, S. 43.

    Google Scholar 

  34. „Wir haben es deshalb für unentbehrlich gehalten, eine das Liebliche weit überschreitende Anzahl von Diagrammen zu zeigen, um das Verständnis für den Text zu erleichtern. Diese Darstellung wird dazu beitragen, dem Problem seinen pseudo-esoterischen Charakter zu nehmen, der die Ursache aller Streitigkeiten ist.“ Duchamp, Halberstadt: L’Opposition, a. a. O., S. 1.

    Google Scholar 

  35. Halberstadt komponierte rund 200 Schachstudien. Seine Beiträge und Kommentare finden sich über viele Jahre hinweg in französischen Fachzeitschriften. Zu seiner Biografie vgl. Le Crayon Noir: Silhouettes. Vitaly Halberstadt. In: Thèmes 64, Nr. 30, April–Juni 1963, S. 470f.; In Memoriam. In: Themes 64, Nr. 48, Oktober–Dezember 1967, S. 793; Georges M. Fuchs: Esquisses. In: Thèmes 64, Nr. 121, Jänner–März 1986, S. 2432f.

    Google Scholar 

  36. Moiderings: Marcel Duchamp, a. a. O., S. 110.

    Google Scholar 

  37. Vgl. Bonus Socius. MS, Biblioteca Nazionale Centrale, Florenz, Banco di Rari, B.A. 6; Luis de Lucena: Repeticion de amores e arte de axedrez con el cl juegos de partido. Salamanca 1496/97. Oratio Gianutio [Gianuzzio]: Libro net quale si tratta delta Maniera di Giuocar à Scacchi. MS, Österreichische Nationalbibliothek, Wien, Handschriftensammlung, Cod. 10533

    Google Scholar 

  38. Duchamp, Halberstadt: L’Opposition, a. a. O., S. 93–107.

    Google Scholar 

  39. Duchamp, zit. in Laurence S. Gold: A Discussion of Marcel Duchamp’s Views on the Nature of Reality and Their Relation to the Course of His Artistic Career. Princeton University, 1958, S. iii.

    Google Scholar 

  40. Zu Recht hält Dieter Daniels fest: „Duchamps Kunst ist intellektuell bis zum Extrem, macht aber keinerlei Konzessionen an die Rationalität der Wissenschaft. [...] Duchamps Vorgehen ist, trotz aller Intellektualität, ein genuin künstlerisches Vorgehen — deshalb braucht es auch keine Erklärungen oder Begründungen au ßerhalb der Kunst.“ Vgl. Dieter Daniels: Duchamp und die anderen. Der Modellfall einer künstlerischen Wirkungsgeschichte in der Moderne. Köln 1992, S. 262.

    Google Scholar 

  41. Zit. in Gold: A Discussion of Marcel Duchamp’s Views on the Nature of Reality and Their Relation to the Course of His Artistic Career, a. a. O., S. iii.

    Google Scholar 

  42. Zum Curriculum des Collège de Pataphysique siehe http://www.fatrazie.com/statutscp.htm (Zugriff: Mai 2006).

    Google Scholar 

  43. Zit. in Brady: Duchamp, Art and Chess, a. a. O., S. 168 (Hervorhebung ES).

    Google Scholar 

Download references

Authors

Rights and permissions

Reprints and permissions

Copyright information

© 2009 Springer-Verlag/Wien

About this chapter

Cite this chapter

Strouhal, E. (2009). Spiel im Spiel. In: Umweg nach Buckow. Edition Transfer. Springer, Vienna. https://doi.org/10.1007/978-3-211-75732-1_14

Download citation

  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-211-75732-1_14

  • Publisher Name: Springer, Vienna

  • Print ISBN: 978-3-211-75731-4

  • Online ISBN: 978-3-211-75732-1

Publish with us

Policies and ethics