Kleeblatt und Rauchfangkehrer

Auszug

Obwohl sie müde war, machte Marlis einen kleinen Umweg über den Rathausplatz. Der Himmel war wolkenverhangen. Am Morgen war es für diese Jahreszeit viel zu warm gewesen, jetzt wurde es merklich kälter. Dunkelheit hatte sich über die Stadt gesenkt. Der große Christbaum erstrahlte noch immer in all seiner Pracht, nur das seltsame Gefühl banger Erwartung stellte sich bei Marlis nicht mehr ein. Weihnachten war vorüber. Immer wieder streifte ihr brauner Schuh über Hüllen von Silvesterknallern und stieß an leere Sektflaschen. Scherben zerbrochener Gläser und Papierschlangen bedeckten an manchen Stellen den feuchten Boden. Die Buden, in denen gestern noch Glücksbringer, Punsch und Sekt angeboten worden waren, hatten heute die Läden geschlossen. Verlassen standen sie nutzlos im leisen Nieselregen. Hin und wieder begegneten ihr Menschen mit müden Gesichtern. Ihnen war anzumerken, dass sie den Jahreswechsel ausgiebig gefeiert hatten. Ab und zu erklangen das Weinen eines Kindes und der laute Knall eines verspäteten Neujahrböllers. Für Marlis war Silvester ein Tag wie jeder andere gewesen. Sie hatte keine Familie, die sie erwartete, daher war es ihr nicht unrecht, an Weihnachten und Silvester zu arbeiten. Der Druck des Alleinseins, den sie das Jahr über nicht so drastisch wahrnahm, verstärkte sich, wurde an diesen Feiertagen nahezu unerträglich. Sich hinter der Arbeit zu verschanzen, bot eine lebbare Möglichkeit über diese Feste hinweg zu kommen.