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Evolution und Rhetorik

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Gerechtigkeit als Zufall
  • 469 Accesses

Auszug

Dem Leser wurde ein Bastardtext versprochen. Sein hybrides Prinzip der Komplementarität soll in diesem Buch bis zum Schluss durchgehalten werden. Wir vertrauen darauf, dass das Ende des Textes den verbleibenden Beliebigkeiten, Unentschiedenheiten und Offenheiten ein Ende setzt. Die Komplementarität berifft das Verhältnis zwischen Rhetorik und Evolution. In diesem Verhältnis gibt es die Simulation der Bindung des Richters an den Gesetzgeber, für die hyperbolisch der Begriff des Subsumtionsautomaten steht. Und es gibt die Stimulation einer inneren Stimme des Juristen. Meist lassen sich Simulation und Stimulation gut auseinander halten, etwa wenn man die strikte Unterscheidung zwischen produktiver Regel und reproduktiver Regelanwendung kritisiert, wenn man gesetzespositivisitische Reduktion einerseits und hohle politische Neutralität der Rechtswissenschaft andererseits beklagt oder den Subsumtionsautomaten als Legende enthüllt. Beides lässt sich gut unterscheiden, wenn man entgegen der Behauptung deterministischer Bindung auf die Freiheiten des Rechtsanwenders hinweist. Und es lässt sich gut auseinander halten, wenn man darauf verweist, dass die Freiheit des Anwenders kein leerer Dezisionismus bedeutet, sondern die Bindng des Rechts an Wissens- und Konventionsbestände einer fragmentierten Gesellschaft.

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Literatur

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(2007). Evolution und Rhetorik. In: Gerechtigkeit als Zufall. TRACE Transmission in Rhetorics, Arts and Cultural Evolution. Springer, Vienna. https://doi.org/10.1007/978-3-211-71689-2_6

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  • Online ISBN: 978-3-211-71689-2

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