Auszug
Dem Leser wurde ein Bastardtext versprochen. Sein hybrides Prinzip der Komplementarität soll in diesem Buch bis zum Schluss durchgehalten werden. Wir vertrauen darauf, dass das Ende des Textes den verbleibenden Beliebigkeiten, Unentschiedenheiten und Offenheiten ein Ende setzt. Die Komplementarität berifft das Verhältnis zwischen Rhetorik und Evolution. In diesem Verhältnis gibt es die Simulation der Bindung des Richters an den Gesetzgeber, für die hyperbolisch der Begriff des Subsumtionsautomaten steht. Und es gibt die Stimulation einer inneren Stimme des Juristen. Meist lassen sich Simulation und Stimulation gut auseinander halten, etwa wenn man die strikte Unterscheidung zwischen produktiver Regel und reproduktiver Regelanwendung kritisiert, wenn man gesetzespositivisitische Reduktion einerseits und hohle politische Neutralität der Rechtswissenschaft andererseits beklagt oder den Subsumtionsautomaten als Legende enthüllt. Beides lässt sich gut unterscheiden, wenn man entgegen der Behauptung deterministischer Bindung auf die Freiheiten des Rechtsanwenders hinweist. Und es lässt sich gut auseinander halten, wenn man darauf verweist, dass die Freiheit des Anwenders kein leerer Dezisionismus bedeutet, sondern die Bindng des Rechts an Wissens- und Konventionsbestände einer fragmentierten Gesellschaft.
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Literatur
Distanzierungen von der Naturwissenschaft findet sich z.B. auch bei Abegg (Fn. 161), 373 m.w.N.; Lampe (Fn. 31), 21; Amstutz (Fn. 186), 137 verweist auf Bestandsaufnahmen der Distanzierungsversuche; gänzlich streitunwillig dabei sogar z.B. Saliger (Fn. 150).
Amstutz (Fn. 186), 167.
Original heißt es bei Gil Scott Heron, The Revolution will not be televised (1974).
Das Wittgenstein-Zitat nimmt Janich (Fn. 162), 128 zum Anlass einer Analyse über die Verwirrungen und Entfernungen zwischen Objekt-und Metasprachen zweiter, dritter und vierter Ebene in naturalistischen Theorien. Anders als er würden wir deswegen nicht auf die Sinnentleerung der Theorien schließen, sondern darin eine differenzierende Entwicklung mit dem Aufbau von Hyperreferenzen sehen.
Während Wieacker (Fn. 28), 44 von Chiffren und Bildern spricht (Der Begriff der Kontinuität, mit dem der Historiker Wirkungen früherer Kulturen auf spätere auf-fasst, ist indessen vorerst noch unbestimmt. Ähnlich wie die einfacheren Bilder des Einflusses, der Vererbung, des Vermächtnisses, des Fortlebens und der Lehr eist es zunächst nur eine bloße Chiffre zur abkürzenden Bezeichnung komplexer und ungewisser Beziehungen die wir unserer täglichen Erfahrung mechanischer, biologischer oder psychologischer Wirkungszusammenhänge entlehnen. Es empfiehlt sich, solche für die Darstellung unvermeidlichen Modelle so zurückhaltend und geschmeidig zu wählen wie möglich. Vielleicht ist der Erfahrung des Historikers von den Wirkungen der antiken Kultur auf die europäische Tochterkultur am angemessensten das Vererbungsmodell der modernen Biologie, die die Weitergabe des Lebens im Wandel der Generationen als einen Informationsprozess beschreibt: lebendige Formen reproduzieren sich, indem ein System genetischer Informationen wie eine Matrize neue organische Substanz zu gleichen oder ähnlichen Gestalten aufbaut und organisiert.) unterscheidet Amstutz genauer zwischen Analogien und Metaphern.
Symptomatisch: Lampe (Fn. 31), 24 klärt mit einer Metapher, welche Form der Analogie er wünscht; generell kritisch: Janich (Fn. 162), 128; im Detail zwar verteidigend, i.E. aber für Metaphern statt für Analogien Amstutz (Fn. 186), 134 ff.
Abegg/ Amsutz/ Karavas, Soziales Vertragsrecht. Eine rechtsevolutorische Studie (2006), 55 vergleichen sich mit Tierzüchtern, die aufgrund einschlägiger Erfahrung die Evolution spielend nutzen, nicht aber suspendieren.
Zur Biologie der Rhetorik Mühlmann, Die Natur der Kulturen (1996).
Als kognitive Fähigkeit und kulturevolutionäre Errungenschaft beschrieben bei Tomasello, Die kulturelle Entwicklung des menschlichen Denkens (2002), 200 f.
Es ist zu beobachten, das Disziplinen, wie die anglo-amerikanische Tradition von Law and Economics mit ihren dogmatischen Texten, die evolutionäre Begrifflichkeit angeregt aufsaugen, um ihre Modelle juridisch gebundener Reproduktion weiter anreichern zu können; vgl. Roe (Fn. 26).
Mühlmann (Fn. 46), 92; Luhmann (Fn. 20), 328.
Zum strange loop vgl. Teubner (Fn. 36), 7–17.
Wir folgen einer Anweisung von Teubner Ökonomie der Gabe — Positivität der Gerechtigkeit, in: Koschorke/ Vismann (Fn. 27), 199–212.
Neves, From the Autopoiesis to the Allopoiesis of Law, Journal of Law and Society 28 (2001), 242–264.
Die ökonomische Evolutionstheorie schlägt hingegen Effizienz als Maßstabsgeber für die Entwicklung und Entsorgung juristischer Einrichtungen vor, vgl. kritisch Roe (Fn. 26).
Hatte z.B. Thomasius in der frühen Neuzeit das decorum entmoralisiert und seinen natürlichen Bereich vom decorum politicum scharf unterschieden, so treffen die Sphären in der evolutionären Konkurrenz von rhetorischem decorum und Fitness wieder aufeinander; Kaufmann, Die Rolle des decorum in der Ethik des Christian Thomasius, Jahrbuch für Recht und Ethik 8 (2000), 233–245.
Amstutz (Fn. 186), 309–345 schließt mit Anweisungen über Modelle der Rechtskonkretisierung; Abegg (Fn. 215) bewertet Gerichtsentscheidungen; lakonisch über die mangelhafte Folgsamkeit des evolvierenden Rechts Luhmann (Fn. 20), 296; Helsper (Fn. 168) übersetzt seine Ergebnisse hingegen in ministerialamtstaugliche Parteiprogramme.
Zum Unterschied hermeneutischer und experimenteller Methoden kritisch: Tomasello (Fn. 270), 7 f.
Das Leitbild der evolutionären Landschaft Tran (Fn. 43), 10–13 m.w.N. Besser noch, auch vom polyzentrischen Kosmos zu sprechen.
Kaser, Römische Rechtsgeschichte (1967/1993), 173.
Jablonka/ Lamb (Fn. 30), 2.
Hierzu Mühlmann (Fn. 46) und dort Vorwort von Grunwald, V–XIX.
A.A. Masters/ Gruter (Hg.), The Sense of Justice. Biological foundations of law (1992), wo die Autoren von Grundlagen etc. sprechen; im neuzeitlichen System der Wissenschaft gehört der aufgewirbelte Staub übrigens zu Theorie der Meteore/Schwebeteilchen (Fn. 232).
Ladeur, Negative Freiheitsrechte und Selbstorganisation (2000), 1.
Teubner, Selbstsubversive Gerechtigkeit: Kontingenz-oder Transzendenzformel des Rechts (2007).
nihil est enim in dicendo, Catule, maius, quam ut faveat oratori is, qui audiet, utique ipse sic moveatur, ut impetu quodam animi et perturbatione magis quam iudicio aut consilio regatur: plura einim multo homines iudicant odio aut amore aut cupiditate aut iracundia aut dolore aut laetitia aut spe aut timore aut errore aut aliqua permo-tione mentis quam veritate aut praescripto aut iuris norma aliqua aut iudici formula aut legibus, Cicero, De Oratore II 178; Cicero, Orator 38, 131 zählt ähnliche Affekte auf.
Cosmides/ Tooby, Cognitive adaptions for social exchange, in: Barkow (Hg.), The Adapted Mind (1992), 163–228; Chasiotis, Die Mystification der Homöostase, Gestalt Theory 17 (1995), 88–129.
Habermas nutzt die Evolutionstheorie über ein Homologie zwischen sozialen Bewußtseinsstrukturen und der evolutionären Psychologie, Habermas, Zur Rekonstruktion des Historischen Materialismus (1976/1995), 13; Luhmann sieht mit der Entstehung der subjektiven Rechte einen evolutionären Wandel von Reziprozität zur Komplementarität des Rechts; vgl. Luhmann (Fn. 70), 363.
Schwintowski, Juristische Methodenlehre (2005), 204; Danielli, Altruism and the internal reward system or the opium of the people, Journal of Social and Biological Structures, 3 (1980), 87–94; Gruter, Ostracism on Trial, Ethology and Sociobiology 7 (1986), 271–279.
Andere spöttische Reflexe zur These von evolutionärer Belohung rechtmäßigen Verhaltens liefern Lahusen/ Simon, Bücherstand I, KritV 2007, 6–89 (32).
Von der Anomalie spricht Luhmann (Fn. 20), 586.
Cicero (Fn. 1).
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(2007). Evolution und Rhetorik. In: Gerechtigkeit als Zufall. TRACE Transmission in Rhetorics, Arts and Cultural Evolution. Springer, Vienna. https://doi.org/10.1007/978-3-211-71689-2_6
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