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Part of the book series: Schlick Studien ((MORITZSTUDIEN,volume 1))

Auszug

Der Philosoph Moritz Schlick wurde am 22. Juni 1936, Ende des Sommersemesters an der Universität “Wien von einem ehemaligen Studenten auf der Feststiege der Aula vor zahlreichen Anwesenden erschossen. Vom Mörder Johann Nelböck gibt es außer Generalien nicht vieles zu berichten, was ohne den Mord1 an Moritz Schlick und dessen spektakuläre Inszenierung als Mord auf offener Bühne die Nachwelt erreicht hätte. Gegensätzlicher in Herkunft, Persönlichkeit und Lebensweg, gegensätzlicher in Ausstrahlung und Erfolg können Lehrer und Student kaum sein. Aus eigenem Antrieb und Durchsetzungswillen vom Kleinbauernsohn aus sehr kargen Lebensumständen zum mäßig erkenntnisfähigen Philosophen geworden, wäre Nelböck wahrscheinlich als Unbekannter in der Geschichte verschwunden, hätte er nicht seinen international beachteten Philosophieprofessor und Doktorvater Moritz Schlick in seine wahnhaften Projektionen hineingezogen und vernichtet.

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  1. Zum Mordfall: Dokumentation in Friedrich Stadler, Studien zum Wiener Kreis, S. 920-961; Lit.: Peter Malina, Tatort: Philosophenstiege, S. 231-253 in M. Benedikt und R. Burger, Bewusstsein, Sprache und die Kunst, Wien 1988; Peter Mahr, Erinnerung an Moritz Schlick, Textbeiträge und Ausstellungskatalog anlässlich des 60. Todestages, Wien 1986; Michael Siegert, Der Mord an Professor Moritz Schlick, S. 123-131 in Leopold Spira, Attentate, die Österreich erschütterten, Wien 1981.

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  2. Stellvertretend sei hier Heinrich Gomperz genannt, der einer Wiener Bürgerfamilie entstammte, welche in den letzten Jahrzehnten der Habsburger Monarchie das kulturelle und demokratisch-liberale Klima der Stadt Wien mit geprägt hatte. Zum Gomperz-Kreis Friedrich Stadler (1997), Studien zum Wiener Kreis, S. 500ff.

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  3. Stellvertretend sei hier auf die Fächer Pädagogik und Soziologie hingewiesen.

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  4. Biografie in Friedrich Stadler (1997), Studien zum Wiener Kreis, S. 693f.

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  5. Der Verweis auf Rothstocks spektakuläre Ermordung des Schriftstellers Hugo Bettauer wurde im ‚Ständestaat’ zum geflügelten Wort gewaltbereiter Intellektueller, die ihre Gegner mit Morddrohung einschüchtern wollten.

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  6. Funders Leitartikel sind Spiegel der faschistoiden Tendenz des politischen Katholizismus in der Vaterländischen Front (VF). Seine Autoren benutzen für besonders aggressive Artikel Pseudonyme. Funder bestellt bei Lohnschreibern wie z.B. Nelböck Artikel, deren Inhalte er vorgibt. Sie werden meist anonym gedruckt. Besonders aggressiv lässt er Ernst Karl Winter, das Volksheim Ottakring und Institutionen attackieren, die sich um Integration von ehemals sozialistischen Gruppierungen und Arbeitern in den sogenannten Ständestaat bemühen. Nach dem ‚Anschluss’ wird Friedrich Funder mit dem sogenannten Prominententransport nach Dachau gebracht. In der Zweiten Republik reüssiert Funder als Chefredakteur und Herausgeber der angesehenen katholischen Kulturzeitschrift „FORUM“.

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  7. Es ist dies eine Sichtweise, die unmittelbar nach dem Mord-vermutlich durch den Universitätsprofessor Johann Sauter (illegaler Nationalsozialist, später Funktionär der NSDAP) unter dem Pseudonym „Austriacus“-in der Wochenzeitung „Schönere Zukunft“ (dokumentiert in Stadler, Studien a.a.O) dem Wiener Bürgertum nahegebracht worden war.

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  8. Leo Gabriel, nach dem Krieg Ordinarius für Philosophie und später Rektor der Universität Wien, ist bei Verwandten aufgewachsen als Waise und Zögling der Schulbrüder. Er promoviert 1930 nach abgebrochenem Theologiestudium und nur vier Semestern Lehramtsstudium mit mäßigem Erfolg bei Heinrich Gomperz. Nach der Lehramtsprüfung 1931 beginnt seine Berufslaufbahn als Gymnasiallehrer im Bundesschuldienst. Damit hatte er seine Existenzgrundlage gesichert. Kurz nach der Machtübernahme durch Dollfuß betätigt Gabriel sich in der Fortbildung Christlicher Gymnasiallehrer. Diese Berufemöglichkeit verfolgt er nicht weiter. Nach 1934 steigert er sein Engagement in der Vaterländischen Front und im Volksheim so sehr, dass er spätestens ab Jänner 1936 kaum noch Zeit für den Unterricht am Gymnasium aufgewendet haben kann. Ihm schwebte offensichtlich eine andere Karriere vor. Zur Berufebiografie Leo Gabriels vor 1938 Renate siehe Lotz in Zeitgeschichte Nr. 6 (31), Wien 2004.

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  9. Traude Cless-Bernert in Die Presse 29. 9. 1982, S. 6; Als Zeitzeugin des Mordgeschehens dokumentiert Cless-Bernert ihre Erinnerung für die Zeitschrift Zeitgeschichte, Jg. 9, Nr. 7 April 1982 S. 229-234. dazu auch V. Matejk a a.a.O.

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  10. Heute eingemeindet in der Bezirksstadt Wels, Oberösterreich.

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  11. Johann Nelböck, Die Bedeutung der Logik in Empirismus und Positivismus, Dissertation Wien 1931, UB Wien.

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  12. Die Vorgeschichte lässt sich rekonstruieren aus zahlreichen Presseberichten. Alle Tageszeitungen berichten in den Tagen nach dem Mord über polizeiliche Vernehmungen sehr ausführlich und recherchieren Hintergrundfakten der Vorgeschichte genau. Auch von den Prozessverhandlungen werden Nelböcks Aussagen wortgetreu wiedergegeben. Zusammen mit dem Gutachten in der Krankenakte, dem psychiatrischen Gutachten zwischen Mord und Prozess entsteht ein genaues Bild der Vorgeschichte des Mordes aus Nelböcks Sicht. Die Ausschnitte sind dokumentiert in StLB Wien, Schlagwortkartei-Presseindex und Tagblattarchiv / Sammlung Dr. Früh, Faszikel Schlick und Nelböck. Zur Krankenakte siehe Peter Malina, a.a.O.

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  13. Quellen: Prozessvernehmung von Sylvia Borowitzka und Valerie Hanusch; Hilde Spiel und Traudl Cless-Bernert in Leserbriefen, Pressebeiträgen und Essays. Bericht des Musikers und Zeitzeugen Trötzmüller (Microfiche im Archiv des IVC), belletristisch verarbeitet von Dietmar Grieser, Eine Liebe in Wien

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  14. Prof. Moritz Schlick hatte die Annahme von Borowitzkas Dissertation abgelehnt und Prof. Reininger um Betreuung der Doktorandin ersucht. B. versuchte vermutlich durch Nelböcks Manipulation zur Drohung, sich an dem Professor, in den sie offensichtlich verliebt war, für diese Abweisung zu rächen.

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  15. Ein Hinweis auf Evidenzhaltung dieses Ausschlussverfahrens findet sich in einem Schreiben von Prof. Richard Meister, AUW Personalakte Moritz Schlick.

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  16. Hilde Spiel, Traude Cless-Bernert u.a. berichten darüber.

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  17. Die Prozessberichte sind voll davon. StLB Wien, Tagblattarchiv a.a.O.

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  18. Fürsorgeakten im Stadtarchiv Wels und Aussage des psychiatrischen Gutachters im Prozess, StLB Wien, Tagblattarchiv a.a.O.

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  19. Die sogenannte „Deutsche Gemeinschaft“, ein Geheimbund von Burschenschaften, Universitäts-und Ministerialbeamten, Professoren etc. führt „Gelbe Listen“ von sogenannten „Geraden“ und „Ungeraden“, in der auch Moritz Schlick zum „Mussjuden“ gebrandmarkt wird. Quelle: IZG Nachlass von Emmerich Czermak; Lit.: Wolfgang Rosar, a.a.O., Michael Siegert (Wien 1981) in: Forum Juli/August 1981, S. 22-23.

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  20. Tagebücher des Emmerich Czermak im Archiv des Instituts für Zeitgeschichte, Universität Wien.

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  21. Heinrich Drimmel Universitätssachwalter der VF, später österreichischer Unterrichtsminister, verschafft ihm diese Aufgaben. Gabriel wurde 1934 pädagogischer Leiter und Vortragender der VF-Hochschullager, die als staatsbürgerliche Grundausbildung im Sinne des Ständestaats für alle Studenten verpflichtend sind. In diesem Rahmen verfasst Gabriel eine erste ideologische Gebrauchsschrift, „Führertum und Gefolgschaft“, in der Liberalismus und Demokratie entstellend verkürzt und verunglimpft werden, während Gewaltanwendung als Durchsetzung von Führungsstärke gerechtfertigt wird. Rudolf Henz u.a. installieren Leo Gabriel bei der Gründung des „Vaterländischen Frontwerks Neues Leben“ als dessen Wiener Landessachwalter. Gabriel steht 1936 auf der Seite der neuen VF-Machthaber um Zernatto. Dies erklärt den wachsenden Handlungsspielraum Leo Gabriels in Wien trotz massiver Kritik an seiner NL-Arbeit, sodass er gleichzeitig seinen Aufstieg vom Gymnasiallehrer zum fahrenden Erwachsenenbildner betreiben kann.

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  22. Das Volksheim Ottakring, von Hartmann und Reich 1905 als Volkshochschule gegründet, war ein Volksbildungsinstitut, dessen Bildungskonzept und Satzung in Europa Vorbildwirkung hatte. Alphabetisierung und allgemein verständliche Vermittlung der neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse, handwerkliche und kaufmännische Fortbildung sowie ein breites kunstpädagogisches Angebot, Musik-und Theatergruppen wurden von einer breiten Hörerschaft besucht. Unter den Vortragenden und Fachgruppenleitern finden wir Universitätsprofessoren, Dozenten, Wirtschaftsexperten, Autoren etc.

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  23. Gabriels Einkommen ist durch die Beamtenstelle als Gymnasiallehrer gesichert. Er gefährdet grundlos mit einer Pressekampagne und durch Denunziationen (östA, AdR/ Sammlungen / Kartons VF Allgemein und VF Bezirke) zahlreiche Dozenten und Funktionsträger des Volksheims sowie Protagonisten der Sprechchor-Aufführung Hiob.

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  24. Nach dem Februar 1934 übernahm der den katholischen Sozialisten zugehörige Kulturreferent der Arbeiterkammer, als promovierter Historiker auch Volksheimdozent, auf Ersuchen des Trägervereins die kommissarische Geschäftsleitung des Volksheims, bis er durch Leo Gabriel 1936 hinausgedrängt wird. Belege in R. Lotz, Zeitgeschichte, a.a.O.

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  25. Übereinstimmend mit Dr. Cwicklitzer und Dr. Fleischer, dem Leiter der staatswissenschaftlichen Fachgruppe.

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  26. Gabriel schleust Spitzel der VF im Volksheim ein, doch trotz der Denunziationen behält Viktor Matejka die Gestaltung der Erwachsenenbildung in der Hand. Dessen Kurs ist dem von Ernst Karl Winter verwandt. Diese Tendenz trifft zusammen mit der Erkenntnis der autoritären Regierung, dass ‚ohne Arbeiterschaft kein Staat’ zu machen sei, welche auch hinter der sogenannten ‚Aktion Winter’ steht. Matejka bemüht sich gegen die Interessen von Leo Gabriel, die Sektion Philosophie ganz an sich zu ziehen, Ende 1934 einige der entlassenen Volksheimdozenten zurückzugewinnen. ÖVHA, Bestand Ottakring, Protokolle 1934 und FDÖP, Nachlass Leo Gabriel, C-V: handschriftliche Notizen Gabriels über Konflikte im Volksheim Ottakring.

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  27. ÖVHA/Bestand VHO, Protokolle 1934 und FDÖP Graz, Nachlass Leo Gabriel C-V, Notizen und diverse Schreiben, Konflikte im Volksheim betreffend.

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  28. Matejkas schriftlichem Nachlass ist zu entnehmen, dass er sich Gabriel entgegenstellt, obwohl er ihn für äußerst gefährlich hält. In Briefen äußert er sich, dass er als Zeuge 1937 vieles, das zur Klärung der Mordumstände hätte beitragen können, nicht habe vorbringen können, um sich nicht selbst zu gefährden. In seiner Autobiografie, Das Buch Nr. 3, weist Matejka hin auf Leo Gabriels persönliche Beteiligung an der Verschärfung von Nelböcks Aggressionen gegen Moritz Schlick, Michael Siegert greift in einem groß aufgemachten Artikel 1982 in „Profil“ darauf zurück. Verblüffend ist die Dreistigkeit, mit der Leo Gabriel sich als Schlick nahestehender Philosoph darzustellen versucht, als 1982 und 1986 infolge einer wenig fundierten Laudatio von Peter Kampits der Pressestreit um Gabriels Beteiligung am Fall Nelböck öffentlich ausgetragen wird.

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  29. Renate Lotz, Die ideologische Kriegserklärung der Vaterländischen Front an das Volksheim Ottakring, ein Beispiel österreichischer Gleichschaltung vor 1938. Festvortrag zum 100jährigen Jubiläum des Volksheim Ottakring, Wien 2005. Belegstellen in Zeitgeschichte a.a.O.

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  30. Schreiben Funders im Nachlass Leo Gabriels, FDÖP, Graz

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  31. Nelböck in mehreren Aussagen, StLB Wien, Tagblattarchiv, a.a.O.

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  32. Tagblatt und andere Zeitungen 23. 6. 1936

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  33. Zahlreiche Presseorgane kolportierten unausgegorene Wahnvorstellungen des Mörders und bereichern sie mit damaligen Verdikten wie Materialist, Atheist etc., sodass dem Opfer Mitschuld an der eigenen ‚Hinrichtung’ unterstellt wurde. Während der Prozesstage stand Nelböck anstelle des Opfers im Zentrum der Aufmerksamkeit. Er hatte einen bedeutenden Gegner getötet. Im Zusammenhang mit dem Straferlass durch die Nationalsozialisten sind Prozessakten in Berlin bei einem Fliegerangriff vernichtet worden. Von Anklageschrift und Urteilsbegründung, einigen Protokollen, Gutachten etc. existieren heute nur noch Kopien. Die in Wien verbliebenen Akten sind nach 1951 verschwunden. Dennoch lassen sich aus den Aktenkopien im DOW und durch äußerst zahlreiche Presseberichte der Jahre 1936 und 1937 die Verhöre und Zeugenaussagen verlässlich rekonstruieren.

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  34. Leo Gabriel war nicht wie behauptet zu unvermeidlichen Exerzitien in Innsbruck, sondern nahm während des Prozesses an Vorstandssitzungen im Volksheim Ottakring teil. Belege in Renate Lotz, Zur Biografie Leo Gabriels, S. 381ff in Zeitgeschichte Nr. 6, 31, Wien 2004. Quellen ÖVHA, Bestand VHO, Protokolle; und ÖStA/ AdR/ Sammlungen, Karton VF 43.

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  35. Diesen Terminus gebraucht Leo Gabriel selbst für durchaus übliche Propagandaveranstaltungen mit Rahmenprogramm. Langhammer und Czermak beschreiben die Programmqualität als Zumutung.

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  36. Leo Gabriel, Führertum und Gefolgschaft, Wien 1936. Siehe dazu R. Lotz, Zeitgeschichte a.a.O. und den Beitrag von Eckehart Köhler in dieser Publikation.

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  37. So Viktor Matejka in einem Brief an Jean Améary.

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  38. Karl Lauss hatte noch ‚Wiederbetätigungsverbot’.

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Lotz-Rimbach, R. (2009). Mord verjährt nicht: Psychogramm eines politischen Mordes. In: Stadler, F., Wendel, H.J., Glassner, E. (eds) Stationen. Dem Philosophen und Physiker Moritz Schlick zum 125. Geburtstag. Schlick Studien, vol 1. Springer, Vienna. https://doi.org/10.1007/978-3-211-71581-9_3

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