Auszug
Ich werde in meiner Betrachtung zunächst einige Gestalten unterscheiden, in denen Kritik als Beruf auftreten kann. Diese Gestalten sind nicht auf bestimmte Bereiche der Kritik — Kunstkritik, Kulturkritik, moralische Kritik, Gesellschaftskritik — zugeschnitten. Es liegen ihnen vielmehr voneinander abweichende Verfahren zugrunde, denen in verschiedenen Bereichen eine unterschiedliche Berechtigung zukommen mag. Meine Liste erhebt keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit, wenngleich ich meine, dass sie durchaus zentrale Varianten einer professionellen Kritik enthält. Am deutlichsten werden diese Varianten, wenn man sie sich als Figuren vorstellt, die sich aus unterschiedlichen Motiven berechtigt glauben, im gesellschaftlichen Raum befürwortend und verwerfend zu intervenieren. Ich stelle sechs dieser Figuren vor — den Richter, den Advokaten, den Ermittler, den Therapeuten, den Enthusiasten und den Opportunisten. Als roten Faden benutze ich das Beispiel der Kunstkritik, obwohl die präsentierten Unterscheidungen, wie gesagt, keineswegs allein auf dieses Feld zugeschnitten sind. Darüber hinaus lässt meine Charakterisierung dieser Figuren unter der Hand schon durchblicken, dass eine gute Kritikerin gleich welchen Typs Affinitäten auch zu anderen Modi der Kritik kultivieren wird. Entsprechend wird eine meiner Thesen im zweiten Teil lauten, dass zum Metier der Kritik ein permanenter Widerstand gegen ihre Verunstaltung durch eine oder einige ihrer Gestalten gehört. Wegen dieser und anderer Konsequenzen enthalten meine typologischen Variationen sowohl eine Kritik der Kritik (also an Formen kritischer Praxis) als auch eine Kritik der Kritik der Kritik (also an Theorien der Kritik), insoweit diese nur eine oder einige wenige ihrer Varianten gelten lassen will.
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© 2007 Institut für Theorie der Gestaltung und Kunst (ith), www.ith-z.ch, und Voldemeer AG, Zürich
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Seel, M. (2007). Gestalten der Kritik. In: Huber, J., Stoellger, P., Ziemer, G., Zumsteg, S. (eds) Ästhetik der Kritik oder Verdeckte Ermittlung. Springer, Vienna. https://doi.org/10.1007/978-3-211-70899-6_2
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