Auszug
Primäres Ziel der europäischen Integration ist die Schaffung einer Union von Staaten und Völkern sowie eines Binnenmarktes. Zentrale Motive dieser Ziele waren und sind die Friedenssicherung auf dem europäischen Kontinent, der Export von Stabilität und die wirtschaftliche Entwicklung. Der Verlauf seit der Unterzeichnung des Pariser Vertrages im Jahr 1951 verlief nicht kontinuierlich, sondern war gekennzeichnet durch Phasen des sprunghaften Fortschritts, unterbrochen von Zeiten der Stasis, des politischen Patts und der Stagnation. Schon in den frühen Jahren der Integration war Theoretikern wie Praktikern klar, dass die ökonomische Integration ein Vehikel auch für eine politische Union sein sollte, benötigt doch die Integration von Märkten auch eine Koordination der Politiken.186 Gleichberechtigte Ziele waren politische und ökonomische Integration aber nicht.187 Vielmehr vertraute man auf die Kraft der Sachlogik, von der Theorie des (Neo-)Funktionalismus188 in die Worte “spill over” gefasst (Rosamond 2000).189 Die Integration sektoraler Teilbereiche würde die Notwendigkeit weitere Integration vor Augen führen, die normative Kraft des Faktischen geradezu einen Automatismus der Integration weiterer Politikbereiche ergeben. “Economic integration carried the burden of building a polity.” (Laffan 1997: 15). Vor allem Fritz Scharpf (1997, 1999) hat in seinen Analysen der EU auf die fundamentale Spannung zwischen Demokratie und Kapitalismus hingewiesen.
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Literatur
Bereits der Schuman Plan vom 9. Mai 1950 verwies mehrmals auf das Ziel einer Föderation. Den „Verfassungsvätern“ der EGKS und der EWG war durchaus bewusst, dass die Integration nationaler Ökonomien früher oder später eine politische Integration nach sich ziehen musste. Vgl. dazu Hans von der Groeben (1984), Walter Hallstein (1979), Frances Lynch (1988).
Vgl. dazu Brigid Laffan (1997: 15): “The relationship between market integration and political union is fluid, complex and multilayered.”
Vgl. dazu die Schriften von David Mitrany (1933, 1943, 1975), Ernest Haas (1958, 1971), und Philippe Schmitter (1969).
Vgl. dazu Pascal Lamy (in Klein 2002), ehemaliger Kommissar für Handel 1999–2004: “Cooperation on coal and steel was the first thing the founding fathers of the European project agreed upon. It was a trick they played: they wanted a political union and the easiest place to begin was a common market in these two basic products.”
Akt zur Einführung allgemeiner unmittelbarer Wahlen der Abgeordneten der Versammlung vom 8.10.1976 (ABl 1976 L 278).
Bereits in der am 27.6.1963 verabschiedeten Entschließung der Versammlung über die Zuständigkeiten und Befugnisse des Europäischen Parlaments (ABl 1963, S. 1916) forderte das Parlament ein Mitentscheidungsrecht.
Vgl. Interinstitutionelle Erklärung des EP, des Rates und der Kommission über Demokratie, Transparenz und Subsidiarität, Bulletin der EG Nr. 10, 1993, S. 124ff.; Interinstitutionelles Abkommen zwischen dem EP, dem Rat und der Kommission über demokratische Konsultation vom 15.11.2001; Zum EUGH vgl. Anne-Marie Burley/Walter Mattli (1993), Joseph Weiler (1993), Karen Alter (1996), Sonja Puntscher Riekmann (1998).
Z.B.: EUGH, RS 41/69, Chemiefarma vs. Europäische Kommission Slg. 661; RS 1253/79, Battaglia vs. Europäische Kommission Slg. 297; RS 208/80, Lord Bruce of Donnington vs. Aspden (1981) Slg. 2205; RS 230/81, Luxembourg vs. Europäisches Parlament Slg. 225; RS 13/83, Europäisches Parlament vs. Rat, Slg. 1513; RS 34/86, Rat vs. Europäisches Parlament, Slg. 2189; RS 300/89, Europäische Kommission vs. Rat Slg. 2895.
John Peterson (1995: 71) unterscheidet in diesem Verbund zwischen 1) history making decisions or the grand bargains; 2) systemic level or policy-setting decision-making; 3) meso-level policy-making of policy-shaping decision-making.
Siehe Schlussfolgerungen des Vorsitzes, Europäischer Rat Kopenhagen 21.–22. Juni 1993, SN 180/1/93. Christopher Hillion (2002: 402) nannte die politischen Kriterien der Erklärung „quasi-legal“.
David Collier und Steven Levitsky (1997) führen 500 Begriffe an, die zur Unterscheidung verschiedener Versionen der Demokratie benutzt werden.
Bulletin der EG Nr. 3/1978.
EuGH, Rs. 26/62, N.V. Algemene Transport en Expedite Onderneming Van Gend en Loos v. Nederlandse administratie der belastingen.
EuGH, Rs. 6/64 Costa v. ENEL. Bestätigt in EuGH, Rs. 106/77, Amministrazione delle Finanze dello Stato v. Simmenthal.
EuGH, Rs. 138/79 Roquette Frères-Isoglucose.
EuGH, Rs. 302/87, European Parliament v. Council.
ABl 1984 Nr. 84/C 77/33. Wiederabgedruckt u.a. bei Wilfried Loth (2002: 129ff.).
ABl 1984 C 77.
Vgl. die Entschließung des Europäischen Parlaments zu den Ergebnissen der Regierungskonferenz vom 7.7.1992, DOK A3 — 123/92, ABl. 1992 C 125, S. 81. Das EP merkte v.a. Schwächen im Bereich des Mitentscheidungsverfahrens und die fehlenden Kontrollbefugnisse in der Gemeinsamen Außen-und Sicherheitspolitik und der Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres an.
ABl. Nr. C 329 vom 6.12.1993, S. 133.
ABl 1994 C 61/155 [Dok A3-0064/94]. Wiederabgedruckt in Wilfried Loth (2002: 205ff.).
Bulletin der EG Nr. 6/1995. Für die mantra-artige Wiederholung des Demokratieausbaus lassen sich viele Beispiele zitieren: siehe z.B. die Berichte der Reflexionsgruppe zur IGC 1996, SN 509/1/95 REV 1, SN 520/1/95 REV 1. Der Bericht der Reflexionsgruppe übernimmt auch die Möglichkeit der Sanktion bei schwerwie genden Verstößeen gegen die Demokratie in einem Mitgliedsland wie sie sich im Spinelli-Entwurf aus dem Jahr 1984 findet; Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von Korfu (24./25.6.1994), SN 150/94; Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von Madrid (15./16.12.1995), SN 400/95; die Vorlage eines „Allgemeinen Rahmen für einen Entwurf zur Revision der Verträge“ der irischen Präiidentschaft vom 5.12.1996, CONF/2500/96.
DOK A4-0347/97, Bulletin EU Nr.11 1997.
Zur rechtswissenschaftlichen Analyse siehe Peter Pernthaler und Peter Hilpold (2000).
CONV 850/03.
KOM (2001) 428 endg.
Philipp Steinberg (2001: 3) weist zu recht darauf hin, dass in dieser Aufzählung der Kommission das Fehlen der politischen Parteien erstaunen muss.
Siehe dazu den von Dietrich Schindler (1967) geprägten Begriff der “ambiance”. Vgl. dazu auch Dieter Grimm (2004) und James Tully (1995: 183f.): “Constitutions are not fixed and unchangeable agreements reached at some foundational moment, but chains of continual intercultural negotiations and agreements in accord with, and violations of the conventions of mutual recognition, continuity and consent.”
Vgl. die Schlussfolgerungen der Europäischen Räte von Birmingham (16.10.1992), Edinburgh (11./12.12.1992) und Kopenhagen (21./22.6.1993).
Schlussfolgerungen des Vorsitzes Europäischer Rat Lissabon 23./24.3. 2000, Punkt 38.
Siehe dazu Markus Jachtenfuchs (1999, 2002) und Richard Katz (2001).
Jean Monnet schrieb bereits am 4. August 1943 von der „europäischen Wesenseinheit“, die er als Gegenbegriff zur Föderation formuliert (Lipgens 1986: 134).
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(2007). Das Repräsentativsystem der Europäischen Union. In: Repräsentation ohne Demokratie. Springer, Vienna. https://doi.org/10.1007/978-3-211-69916-4_6
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