Schmerz und innere Empfindungen

Zusammenfassung

Bei der Auseinandersetzung mit der Schmerzwahrnehmung sind wir offenbar zunächst von Fragen nach der Wirklichkeit befreit: Der Schmerz wird von dem, der in erleidet, als etwas wahrgenommen, das in ihm selbst stattfindet; es handelt sich nicht um irgendein möglicherweise fragwürdiges Objekt oder Ereignis. Doch wenn wir uns etwas näher mit ihm beschäftigen, wird deutlich werden, wie variabel Schmerz an sich ist und wie wandelbar wir selbst sind: «Die Variationsbreite der Beziehung zwischen Schmerz und Verletzung nimmt alle Stufen zwischen Verletzung ohne Schmerz und Schmerz ohne Verletzung ein.»¹⁷ Es fällt in der Tat schwer, «gesetzmäßige Beziehungen» zwischen geistigen und cerebralen Ereignissen zu spezifizieren. Nach einer Amputation empfindet ein Patient Schmerz «in» einem Körperteil, das es längst nicht mehr gibt: Welche Art von Realität ist das? Um auf die Realität zu stoßen, müssen wir uns dem Gehirn zuwenden, wo es irgendein dauerhaftes Modell oder eine entsprechende Repräsentation von dieser Gliedmaße geben muß. Tatsächlich ist es anhand von Hirnuntersuchungen in gewissem Sinne gelungen, sie zu finden. Elektrische Reizung der sensorischen Area S1 für das Bein (siehe Kapitel 17. iv) ruft im allgemeinen ein kribbelndes Gefühl hervor, aber keinen Schmerz. Bei einem Menschen, der ein schmerzhaftes Bein besessen oder eine Amputation durchgemacht hat, löst Reizung dieses Gebietes gerade «diesen Schmerz» aus; zweifellos wird er auch über Schmerz in dem Bein nach Reizung benachbarter Areale berichten, die normalerweise den Arm betreffen.¹⁸