Johann Caspar Lavater

Zusammenfassung

Ich war in meinen Gedanken immer Baumeister, Erfinder und Aufbauer babylonischer Thürme — wie dann wirklich das immer noch in meiner Seele liegt, und meinen Kindern und Freunden nicht verhehlt werden darf, daß es ein unaustilgbarer Grundzug meines Charakters ist — gereich’ es nun zur Ehre oder Schande! — ungeheur große Dinge zu sehen, zu bauen in Gedanken wenigstens, zu veranstalten — und zwar, ohne Rücksicht auf Ehre und Ruhm. Es ist Bedürfnis meiner individuellen Kraft und Natur — mächtig zu wirken. Alle meine frühsten und spätesten Unternehmungen haben in mir, in meinem Innwendigen wenigstens, dieß Gepräge. In meiner frühsten Jugend war mir jedes Gebäude zu klein, jeder Thurm zu niedrig, jedes Geschöpfe zu unausgedehnt. Wenn ich einen hohen Thurn sähe, oder auch nur davon hörte, klopfte mir das Herz. Die entzückendste Freude war’s mir, aller meiner leicht schwindelnden Furchtsamkeit ungeachtet, Thürme zu besteigen, und von der Höhe herab alles klein, und nur das groß zu sehen, was mir nahe war. Ich blieb oft Viertelstunden ob dem Privet sitzen, um meinen festen, hohen, unüberwindlichen Thurnbau stattlich und ungeheuer genug in meinen Gedanken zu vollenden. Diese Liebe zu hohen Thürnen ist itzt noch bis zur Leidenschaft beynahe in mir rege. Es war auf meinen spätern Reisen ein wahres Bedürfnis für mich, die Thürme, zu Straßburg, Augsburg, St. Ulrich, und den höchsten von allen, den zu Landshut zu besteigen.