Zusammenfassung
Der Anlaß dafür, daß Alfred Nobel im Alter von 54 Jahren diese Zeilen schrieb, war eine Anfrage seines Bruders Ludvig. Dieser hatte als erster in der Familie Nobel angefangen, die Familiengeschichte zu erforschen. Aus diesem Grund hatte er Alfred gebeten, einerseits seine eigene Biographie zu schreiben und anderseits zu erzählen, was er selbst über die Schicksale der Vorfahren wußte. Als der Bruder sich mit diesem kurzgefaßten Dokument nicht zufriedengab und seine Anfrage nach einer lüackenlosen Biographie wiederholte, wehrte Alfred erneut ab: «Warum Dich mit biographischen Aufsätzen langweilen? Niemand liest Aufsätze üaber andere Personen als Schauspieler und Mörder, vornehmlich letztere, sei es, daß sie ihre Tat auf dem Schlachtfeld oder auf eine die Leute faszinierende Art und Weise zu Hause vollbracht haben. Die Familie weiß ja ungefähr alles üaber unseren Vater, und ob das Publikum seine Biographie bekommt oder nicht, düarfte von geringem Interesse sein.»
Dringende Angelegenheiten und vertragliche Verpflichtungen werden bei mir aus Zeitmangel inzwischen wochen- ja zuweilen monatelang zwangsverschleppt Biographien zu schreiben ist mir unter solchen Umständen vollständig unmöglich, es sei denn, sie dürfen im Telegrammstil sein, und solche sind, scheint mir, die beredtesten. Z. B.: Alfred Nobel — erbärmliches Halbleben, hätte von menschenfreundlichem Arzt erstickt werden sollen, als er schreiend in dieses Leben trat. Größte Verdienste: die Nägel rein zu halten und nie jemandem zur Last zu liegen. Größte Fehler: keine Familie zu haben, keine frohe Laune, keinen guten Magen. Größter und einziger Anspruch: nicht lebendig begraben zu werden. Größte Sünde: nicht dem Mammon zu huldigen. Bedeutende Ereignisse in seinem Leben: keine. Sagt das nicht genug und mehr als genug? Und was gibt es schon in unserer Zeit, das in die Rubrik ‹bedeutende Ereignisse› gehört? Die zehn Milliarden Sonnen, die sich in unserer kleinen Astralblase, Milchstraße genannt, bewegen, sind auch unbedeutend und würden sich ihrer Kleinheit schämen, wenn sie ein Bewußtsein vom Ausmaß des Ganzen hätten. Wer hat Zeit, Biographien zu lesen, und wer kann so naiv oder liebenswürdig sein, sich dafür zu interessieren? Das frage ich mich in vollem Ernst.
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Preview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Rights and permissions
Copyright information
© 1995 Springer Basel AG
About this chapter
Cite this chapter
Fant, K. (1995). 1. In: Alfred Nobel. Lebensgeschichten aus der Wissenschaft. Birkhäuser, Basel. https://doi.org/10.1007/978-3-0348-6368-1_1
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-0348-6368-1_1
Publisher Name: Birkhäuser, Basel
Print ISBN: 978-3-0348-6369-8
Online ISBN: 978-3-0348-6368-1
eBook Packages: Springer Book Archive