Wo leben sie?

Zusammenfassung

In diesem letzten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts sollten wir in der Lage sein, das Verbreitungsgebiet einer Gruppe 1,80 m langer, fast 150 Pfund schwerer Fische festzustellen. Daß wir möglicherweise immer noch nicht genau wissen, wo überall Quastenflosser vorkommen, erinnert uns daran, daß die Welt eben doch groß ist und riesige Bereiche der irdischen Ozeane auch heute noch nicht vollständig erforscht sind. Doch vielleicht kennen wir die Antwort bereits, und Quastenflosser leben in unseren Tagen wirklich nur noch an der Küste der Comoren. Unter Ichthyologen herrscht allgemein Übereinstimmung darüber, daß man Latimeria nur auf den Comoren findet und das südafrikanische Exemplar ein Irrläufer war. Doch wir wissen, daß die meisten, insbesondere die großen Meeresfische gewöhnlich eine sehr weite geographische Verbreitung haben. Kleine Küstenfische hingegen sind gelegentlich auf eine Region beschränkt, besonders dann, wenn es sich um „Inselfische“ handelt. Doch all die anderen großen Fische, darunter Haie und Makrelenartige (Scombridae) aus tieferen Wasserschichten oder Barsche, die in denselben comorianischen Gewässern wie Latimeria vorkommen, findet man überall im Indischen Ozean und noch darüber hinaus. Wenn sich der Lebensraum der heutigen Quastenflosser wirklich auf die Comoren beschränkt, dann muß es dafür einen ganz besonderen Grund geben. Die Frage „Wo leben sie?“ hängt zweifellos mit der wichtigeren Frage zusammen „Warum leben sie gerade dort und nicht irgendwo anders?“ Latimeria ist nicht weltweit verbreitet. Hängt ihr anscheinend begrenztes Verbreitungsgebiet mit der Tatsache zusammen, daß sie das Ende der Kreidezeit überlebten, statt wie verwandte Arten auszusterben, also mit der komplexen geologischen Geschichte des westlichen Indischen Ozeans? Welche Fakten liegen uns zu diesem Thema vor, und wie können wir sie interpretieren?

Mein vollständiger Unglaube in die Idee von den „unergründlichen Tiefen“ löste das Problem natürlich keineswegs.

J. L. B. Smith