Zusammenfassung
Im Jahre 1960 veröffentlichte der ungarisch-amerikanische Physiker Eugene Wigner einen Artikel mit dem Titel «The Unreasonable Effectiveness of Mathematics in the Natural Science» (Die unglaubliche Wirksamkeit der Mathematik in der Naturwissenschaft).1 Dabei handelte es sich keineswegs um die Klage eines alternden Wissenschaftlers, der mit der zunehmenden mathematischen Raffinesse und Komplexität der modernen Physik nicht mehr zurechtkam: Wigner selbst war ein renommierter theoretischer Physiker, der seine Kollegen in den 40er Jahren ermutigt hatte, sich mit neuen mathematischen Konzepten zu beschäftigen, insbesondere mit der Theorie der Symmetrien. Wigner irritierte jedoch die augenfällige Tatsache, daß die Mathematik, obwohl von Mathematikern allein für ihre eigenen Zwecke erfunden, dennoch scheinbar zwangsläufig ihren Weg in physikalische Theorien fand. Im Laufe des 20. Jahrhunderts war dieser Transfer immer auffälliger geworden, denn die Physiker verwandten in ihren Theorien nun die Mathematik von Geometrien in gekrümmten Räumen, Symmetriebeziehungen, Matrixalgebra und ähnlichem — Konzepte, die auf dem Höhepunkt der viktorianischen Wissenschaft entwickelt und damals als allerreinste Mathematik angesehen worden waren. Doch das Eindringen der Mathematik bereitete nicht nur Wigner Kopfzerbrechen, sondern verwirrte auch viele andere Wissenschaftler, darunter Albert Einstein: «Wie kann es sein», fragte er einmal, daß sich die Mathematik, «ein Produkt des menschlichen Geistes, das von keinerlei Erfahrung abhängt, so wunderbar dazu eignet, Objekte der realen Welt zu beschreiben»?2
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Literatur
Die Arbeiten und Gedanken von Albert Einstein haben die Physik des 20. Jahrhunderts nachhaltig beeinflußt. Es gibt in deutscher Sprache zahlreiche Biographien über ihn. Eine sehr ausführliche Darstellung von Leben und Werk bietet Albrecht Fölsing: Albert Einstein, Frankfurt (Suhrkamp) 1993. Abraham Pais: Raffiniert ist der HerrgottWiesbaden (Vieweg) 1986, bietet eine stärker naturwissenschaftlich orientierte Analyse von Einsteins wissenschaftlicher Entwicklung. Auf die wissenschaftlichen Ideen, die in diesem Kapitel angesprochen werden, wird größtenteils im Rest des Buches ausführlicher eingegangen; die Nachweise finden sich in den Anmerkungen zu den späteren Kapiteln.
Nachdruck in The World Treasury of Physics, Astronomy and Mathematics, Hrsg. Timothy Ferris ( Boston: Little Brown, 1991 ), S. 526–540.
Albert Einstein: Sidelights on Relativity ( New York: Dover, 1983 ), S. 28.
Albert Einstein: Ideas and Opinions ( New York: Bonanza Books, 1954 ), S. 292.
Max Planck: Where is Science Going? ( Woodbridge, Conn.: Ox Bow Press, 1981 ), S. 214.
Richard P. Feynman: QED: Die seltsame Theorie von Licht und Materie ( München: Piper, 1988 ).
Paul Ginsparg und Sheldon L. Glashow, «Desperately Seeking Superstrings», Physics Today Mai 1986, S. 7–9. Die Autoren zeigen sich besorgt, daß sich die theoretische Physik mehr und mehr in eine Welt nicht überprüfbarer mathematischer Erfindungen begibt. Ähnliche Bedenken teilen Glashow und Feynman in Interviews, die unter dem Titel Superstrings: Eine Allumfassende Theorie,? hg. von P Davies und J. Braun (Basel: Birkhäuser, 1989), veröffentlicht wurden.
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Lindley, D. (1994). Einführung: Die Verlockung der Zahlen. In: Das Ende der Physik. Birkhäuser, Basel. https://doi.org/10.1007/978-3-0348-6193-9_1
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-0348-6193-9_1
Publisher Name: Birkhäuser, Basel
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