Zusammenfassung
Diese tragische Begebenheit ist die Variante einer Geschichte aus Ciceros De Oratore, die der italienische Missionar Matteo Ricci den Chinesen im späten 16. Jahrhundert erzählte. ‹Xi-mo-ni-de›, Riccis chinesische Wiedergabe eines Namens, der als ‹Simonides› ins Deutsche übersetzt wird, war ein Lyriker, der 556 v. Chr. auf der griechischen Insel Kea geboren wurde. Seine geheimnisvolle Fähigkeit, sich an die Sitzordnung der gesamten Gesellschaft zu erinnern, ist das erste belegte Beispiel für den Einsatz einer Mnemotechnik, die die Grundlage der Kunst der Rhetorik bilden sollte, und somit, wie manche argumentieren, der westlichen Literatur. Wir verstehen heute unter Rhetorik eher eine Trickkiste, in die Politiker greifen, um ihre Zuhörer zu täuschen. Doch vor der Erfindung des Buchdrucks und der Verbreitung der Literalität (des Lesen- und Schreibenkönnens) war sie die wichtigste Kommunikationskunst, das Mittel, mit dem Rezitatoren lernten, ihre Geschichten überzeugend und einprägsam anzubringen.
Vor langer Zeit war ein Dichter aus dem Westen, der edle Xi-mo-ni-de, mit seinen Verwandten und Freunden zu einem Trinkgelage im Palast versammelt, unter einer dichten Menge von Gästen. Als er die Menge für einen Augenblick verließ, um nach draußen zu gehen, stürzte die große Halle in einem plötzlichen, mächtigen Sturm zusammen. All die anderen Feiernden wurden zermalmt, ihre Leichen waren verdreht und zerrissen, nicht einmal ihre Familien konnten sie erkennen. Xi-mo-ni-de jedoch konnte sich exakt an die Tischordnung erinnern, in der seine Verwandten und Freunde gesessen hatten, und da er sie sich alle, einen nach dem anderen, in Erinnerung rief, konnten ihre Leichen identifiziert werden.
Jonathan D. Spence, «Der Gedächtnispalast des Matteo Ricci»
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Preview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Anmerkungen
Jonathan D. Spence: The Memory Palace ofMatteo Ricci. London (Faber) 1985, S. 2.
Ebd., S. 13.
Stewart Brand: The Media Lab. London (Penguin) 1989, S. 139.
Myron W. Krueger: Artificial Reality. Reading (Addison-Wesley) 1983, S. 15.
Hip-hype-hope-Podium, SIGGRAPH 90, Dallas, Texas, 10. August 1990.
Zitiert in: Christopher Bidmead; Benjamin Woolley: The Micro Enquirer. London (Century) 1984, S. 52.
Frank Rose: West of Eden. London (Hutchinson) 1989, S. 45.
J. C. R. Licklider: Man-computer symbiosis. In: IRE Transactions on Human Factors in Electronics, Bd. HFE-1, März 1960, S. 4–11.
Zitiert in: Jon Palfreman; Doron Swade: The Dream Machine: exploring the Computer age. London (BBC) 1991.
Rose, a.a.O., S. 47.
Trevor Huggins: Desktop display. In: Computer Answers, März/April 1983, S. 11.
Rights and permissions
Copyright information
© 1994 Springer Basel AG
About this chapter
Cite this chapter
Woolley, B. (1994). Schnittstellen. In: Die Wirklichkeit der virtuellen Welten. Birkhäuser, Basel. https://doi.org/10.1007/978-3-0348-6179-3_8
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-0348-6179-3_8
Publisher Name: Birkhäuser, Basel
Print ISBN: 978-3-0348-6180-9
Online ISBN: 978-3-0348-6179-3
eBook Packages: Springer Book Archive