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Part of the book series: Wissenschaft und Kultur ((WK,volume 38))

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Zusammenfassung

Es ist von nicht zu unterschätzender Bedeutung und für die Geschichte der Thermodynamik geradezu symbolhaft, daß die (vektorielle) Navier-Stokes-Bewegungsgleichung für inkompressible Fluide mit der Cauchy-Poisson-Formel

$$\Pi = {p_h}1 - 2\eta \nabla ^\circ v$$

«... ein Thema für den Verstand, zu stark für die Phantasie.»

J. Donne

«Wenn jemand einmal eine Theorie akzepziert, führt er erbitterte Nachhutgefechte gegen die Tatsachen»

J.P. Sartre

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Anmerkungen

  1. Originalton: «Der Stoff oder die Materie ist entweder Körper oder Äther; Körper ist derjenige Stoff, dessen Theile sich gegenseitig anziehen, Äther derjenige, dessen Theile sich abstoßen» (1869, S.29). Christian Wiener war ein bekannter Naturforscher, der wichtige Arbeiten z.B. zur Brownschen Bewegung publiziert hat. Im übrigen war damals die Ätherhypothese so weit anerkannt, daß J. Tyndall in einer Inauguraladresse an die British Association noch 1874 behaupten konnte: «So wie Sie und ich, glauben die Chemiker alle an einen Äther, dessen Schwingungen das Licht erzeugen», vgl. S.ALLO 1901, S.155. Maxwell äußerte sich vorsichtiger: «The aether, if it is the medium of electromagnetic phenomena, is probably molecular, at least in this sense» (MAXWELL 1890; Vol. II, S.774). Eine zusammenfassende Darstellung der Ätherphysik findet man in den Vorlesungen des greisen Lord Kelvin, die eine Summe seines Lebenswerkes darstellen. In der Vorrede (zur deutschen Ausgabe) drückte er 1909 (!) noch seine «Empfindung» aus, daß «sich der Äther im ganzen Universum, außer sofern er durch Wellen bewegt wird, die durch Bewegungen ponderabler Materie hervorgerufen sind, in absoluter Ruhe befindet» (KELVIN 1909, S. I I ).

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  2. Eine kompakte Darstellung der Geschichte der Begriffe «Äther und Materie» hat L. POINCARE (1908, S.132 f, 232 f) vorgelegt.

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  3. Die Entwicklung der kinetischen Gastheorie im frühen 19. Jahrhundert deutete bereits große Schwierigkeiten an, die erst ab etwa 1970 überwunden werden konnten. Ein wichtiges Beispiel ist der Trajektorienbegriff, an dem man die Rolle der scheinbaren Anschaulichkeit gut studieren kann. So zeigte sich früh die Unvereinbarkeit der fundamentalen ‹Billardkugelhypothese› vom Teilchen und seiner Tra- jektorie in einer Menge identischer Teilchen mit dem ebenso anschaulichen Begriff der ‹mittleren freien Weglänge›, vgl. dazu BOLTZMANN/NABL 1907, S.526 und TRUESDELL (1975).

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  4. Sogenannte ‹dominante› Lösungen (TRUESDELL 1984, S.451) der Boltzmannschen Transportgleichung lassen begründet vermuten, daß die berühmten linearen ‹Transportgesetze› nach Fourier oder Fick nicht zutreffen: selbst simple Modellgase vom Carleman- bzw. McKean-Typ liefern bereits nichtlineare Zusammenhänge zwischen den Transportgrößen und den entsprechenden Gradienten, vgl. STRAUB 1986 und STRAUB et al. 1987.

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  5. «Thermodynamik ist ein allgemeines Verfahren zur Naturbeschreibung» (FALK/RUPPEL 1976, S.V). Diese These schließt z.B. die Quantenmechanik keineswegs aus: »... das scheint zu bedeuten, daß wir die Thermodynamik voraussetzen, um der Quantentheorie einen physikalischen Sinn zu gewährleisten» (v. WEIZSÄCKER 1984, S.236); vgl. dazu auch die Bemerkungen H. Wehrts in KORNWACHS 1984, S.420. Selbst Vertreter der Kopenhagener Schule wie Heisenberg beziehen sich in ihrer zunehmend erkennbaren Hinwendung zur Interpretation der quantentheoretischen Ergebnisse im Sinne intersubjektiver Objektivität neuerdings auf die Thermodynamik, vgl. KANITSCHEIDER 1981, S.174 f. Solche Äußerungen sind jedoch vor allem verbaler Art; sie drücken bei Wenigen mehr ein Unbehagen als den Willen aus, die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen. Daran wird auch v. WEIZSÄCKERS (1985, S.250) bemerkenswerte Feststellung - «Die klassische Thermodynamik darf als die größte Abstraktionsleistung in der Physik gelten; vielleicht der Physik überhaupt, gewiß aber der Physik vor Einstein.», in der Schulphysik unserer Tage nichts ändern.

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  6. Man könnte ironischerweise dann nach Newtons Bedeutung für die Mechanik fragen. Truesdell hat recht, wenn er darauf antwortet: «he began it» (TRUESDELL 1968, S.93); vgl. auch Abschnitt 4, vor allem jedoch das schöne Buch ‹Die Anfänge der Mechanik - Newtons Principia gedeutet aus ihrer Zeit und ihrer Wirkung auf die Physik› von K. Hutter (Hrsg.).

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  7. Ein Paradebeispiel findet man in F. Capras dickleibigem Opus (CAPRA 1984/2): in Abschnitt ‹Die Newtonsche Weltmaschine› wird Newton vom Autor zur idealtypischen Figur stilisiert; die gesamte Darstellung dient der Legendenbildung, vgl. z.B. CAPRA 1984/2, S.67. Um den Unterschied zu seriöser Wissenschaftsgeschichte nicht zu verwischen, sollte man z.B. die schmalen Aufsätze von FELLMANN über Newtons Principia (1975) oder über Eulers mathematische Korrespondenz mit seinem Lehrer und Bewunderer Johann Bernoulli (1985) lesen. Zweifellos sind jedoch nach wie vor L. Eulers ‹Briefe an eine deutsche Prinzessin› die wichtigste Quelle, wenn man sich eine verbindliche Übersicht über zentrale naturphilosophische Fragen und Antworten im 18. Jahrhundert verschaffen will.

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  8. Für einen unmittelbaren Vergleich sind vielleicht die modernen Großforschungseinrichtungen der Elementarteilchenphysik wie CERN, DESY, FERMILAB oder SLAC (Stanford Linear Accelerator Center) geeigneter als ‹Los Alamos›, die Antwort der USA auf Hitlers potentielle Bedrohung, vgl. IRVING 1969. Deren Funktion wird offenbar derzeit hauptsächlich im Hinblick auf eine hochqualifizierte Ausbildung in moderner Physik positiv eingestuft. Der dabei sicherlich in beträchtlichem Maße abfallende technologische und wirtschaftliche ‹Spinoff› ist somit von einem weitreichenden ideologischen ‹Spinoff› im internationalen Maßstab begleitet.

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  9. Über die damaligen Unterrichtsverhältnisse an der Ecole Polytechnique findet man einige interessante Hinweise bei SPALT (1981, S.282 & FN 597). Die noch heute in Frankreich ungewöhnlich gewichtige Rolle der Prüfungen hat dort ihre Wurzeln: «eine solche Abgangsprüfung in der Mathematik beschäftigte Poisson einen Monat lang täglich neun Stunden (von den Aufnahmeprüfungen erst gar nic ht zu reden, die ebenfalls mit jedem Einzelnen besonders angestellt [wurden], so daß der Examinator hundert und fünfzig Mal immer dieselben Gegenstände zu prüfen hat...». Daß sich eine solche Tortur auf die wissenschaftliche Tätigkeit der Lehrer zwangsläufig auswirken mußte, ist evident: «Die Lehrtätigkeit des Mathematikers mit anschließendem Prüfungsritual erzeugt notwendig ein normiertes System des Wissens» (SPALT 1981, S.283).

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  10. Die Geschichte der Ecole Polytechnique als konkretes Beispiel für die Geschichte gelenkter Wissenschaft ist in einem umfangreichen Werk dokumentiert: J.P. CALLOT (Mitwirkung von P. Journan): Histotre de 1’ecole polytechnique: Lavauzelle: Paris 1982. Leider ist dieses Buch nur in einer begrenzten Auflage erschienen.

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  11. Diese Trennung wirkt sich zwar in der Industrie oder an den Technischen Universitäten täglich mehr oder weniger signifikant aus, wird aber in der Öffentlichkeit selbst von Interessierten kaum - im Gegensatz z.B. zu Snows oder Steinbuchs Analysen - zur Kenntnis genommen, vgl. dazu auch RAPP 1984, S.8/9. Dabei wird die Klärung des Verhältnisses von Naturwissenschaft und Technik immer drängender. Die überlieferten Unterscheidungen werden immer problematischer: «Die heutige Physik gilt als hochtechnisiert, und viele technische Grundlagenfächer als hoch theoretisiert, d.h. physikalisiert» (MOSER in LENK, Hrsg. 1971, S.171 f).

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  12. Die ‹Herr-Knecht›-Dialektik ist das zentrale Thema des im Jahre 1773 erschienenen programmatischen Romans Jacques le Fataliste› von Denis Diderot, dem (nach Goethe) «ursprünglichen uind unnachahmlichen Genie», das für die deutsche idealistische Philosophie von bemerkenswertem Einfluß war, vgl. z.B. PODUBECKY (1963).

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  13. Die Originalschrift aus dem Jahre 1824 besteht aus 118 Seiten; sie enthält mit Ausnahme der Fußnoten zu den Seiten 74 und 77 nichts, was man als Mathematik bezeichnen könnte. Wie sehr Carnot dennoch auf der Höhe seiner Zeit war, zeigen seine umfassenden Kenntnisse der Fachliteratur, die bis zu damals zeitgenössischen Autoren, wie H. Davy und M. Faraday (S.51) reicht. Im übrigen wußte er sehr wohl, daß er eine völlig neue Frage aufwarf, er ergänzte seine Bemerkungen zur zeitgenössischen theoretischen Mechanik: «Alle Fälle sind vorgesehen, alle möglichen Bewegungen sind allgemeinen festbegründeten Prinzipien unterworfen, welche unter allen Umständen Anwendung finden. Das ist das Kennzeichen einer vollständigen Theorie. Offenbar fehlt eine ähnliche Theorie bei den Wärmemaschinen» (CARNOT 1892, S.7; deutsche Übersetzung W. Ostwald).

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  14. Es gibt natürlich eine nennenswerte zeitgenössische Literatur über die Dampfmaschinentechnik, teilweise von renommierten Vertretern der rationalen Mechanik (Navier, Poisson, Coriolis, Poncelet); für die Entwicklung der Thermodynamik war sie bedeutungslos.

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  15. Dieser schwerverständliche Sachverhalt ist vielleicht am ehesten aus einer grundsätzlich verschiedenen Geistesverfassung der gebildeten Kreise im napoleonischen Frankreich und in den feudalistischen Gesellschaften Englands, Rußlands, Österreichs und Preußens heraus zu begreifen. Madame de Stael äußerte sich dazu sachkundig: «L’universalite des connaissances conduit necessairement au desir de trouver les lois generales de l’ordre physique. Les Allemands descendent de la theorie ä l’experience, tandis que les Frangais remontent de l’experience ä la theorie. Les Fransais, en litterature, reprochent aux Allemands de n’avoir que des beautes de details, et de ne pas s’entendre ä la composition d’un ouvrage. Les Allemands reprochent aux Fransais de ne considerer que les faits particuliers dans les sciences, et de ne pas les rallier ä un systeme; c’est en cela principalement que consiste la difference entre les savants allemands et les savants fransais» (de STAEL: De l’Allemagne, Vieville et Capiomont: Paris o.J., S.478).

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  16. Über den Stand der Kraftmaschinentechnik am Ende des 19. Jahrhunderts kann man sich z.B. durch einen Aufsatz von K. MAUEL (1972, S.159 f) informieren. Die abenteuerliche Geschichte der Dampfmaschine hat z.B. H. STRAUB (1967) beschrieben.

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  17. Die Anhänger der ‹Wärmetheorie› hatten damals wohl tatsächlich die überzeugenderen Argumente. Man sollte nicht übersehen, daß die bekannte Isentropengleichung perfekter Gase von Laplace auf der Basis dieser Hypothese abgeleitet wurde. Außerdem galt die thermische Strahlung als Beleg für die

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  18. Existenz des Caloricums. «Die Experimente von Rumford und Davy, denen man viel später entscheidende Bedeutung für die Überwindung der Wärmetheorie beimaß, wurden zu ihrer Zeit nicht als ernsthafte Einwände gegen diese Theorie angesehen» (BRUSH 1970, Bd.I, S.27). Die vielleicht lesenswerteste zeitgenössische (1798) Zusammenfassung der Theorie stammt von G. Gregory ‹Die Existenz des Feuers›, (vgl. ibd. S. 104–109). Wichtige Texte zur frühen Wärmetheorie findet man bei B.T. Rumford und J. Leslie (An Experimental Inquiring into the Nature and Propagation of Heat; Mawman: London 1804). Auszüge aus Graf Rumfords Untersuchungen über den «Ursprung der Wärme, welche durch Reibung hervorgebracht wird» (1798) findet man in J. Tyndalls wichtigem Buch, das eine Fundgrube über frühe Interpretationen zum Phänomen ‹Wärme› ist (TYNDALL 1871, S.71–75).

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  19. Für eine angemessene Beurteilung des damaligen Zustandes der Wissenschaften möchte ich C.A. TRUESDELL (1970, S.26) zitieren; seine Bemerkung bezieht sich auf die Royal Society of London:

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  20. «... Während es Hühnern Zähne ziehen hieße, wollte man eine einzige Arbeit oder ein einziges Experiment der meisten der ehrenwerten Mitglieder jener Körperschaft zwischen 1800 und 1850 finden, die es wert wären, noch jetzt einen Augenblick beachtet zu werden.» Truesdell verweist ausdrücklich auf vergleichbare Verhältnisse an ähnlich reputierlichen Akademien bis 1850 (Institut de France, Berliner Akademie, Akademie zu Petersburg). Seine begründete Kritik wird man dann besonders schätzen, wenn man sie mit den diesbezüglichen Lobeshymnen über vergangene Zeiten vergleicht, wie man sie häufig bei einem Ludi Magister findet, der sein Herz für die Wissenschaftsgeschichte entdeckt hat. Ein solches Beispiel für fast denselben Zeitraum hat L. de BROGLIE (1950, S.231 f) publiziert.

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  21. Die Bedeutung der ‹Wärmemaschinen› für die damalige ‹Culturwelt› wird in Camots Schrift anschaulich skizziert: «Das Studium dieser Maschinen ist von höchstem Interesse, denn ihre Wichtigkeit ist ungeheuer, und ihre Anwendung steigert sich von Tag zu Tag» (CARNOT 1892, S.3).

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  22. Hegel: «Die Wärme ist das sich Wiederherstellen der Materie in ihrer Formlosigkeit, ihre Flüssigkeit, der Triumpf ihrer abstrakten Homogenität über die spezifischen Bestimmtheiten; ihre abstrakte, nur an sich seiende Kontinuität als Negation der Negation ist hier als Aktivität gesetzt» (zitiert aus BAVINK 1928; I, S.172), vgl. dazu auch die harsche Kritik J. Liebigs an den damaligen Philosophen - wie sie bei E. BECKER 1977, S.105 zitiert ist - die an Deutlichkeit z.B. die Kritik Boltzmanns an Hegel oder Schopenhauer (KAIZIK 1926, S.45) und Dührings am ‹Kosmologen› und ‹Physiker› Immanuel Kant weit übertrifft. (DÜHRING 1873, S.412 f). Auch G.F. Gauß äußerte sich nicht besonders freundlich über die zeitgenössischen Philosophen: «Sehen Sie sich doch nur bei den heutigen Philosophen um, bei Schelling, Hegel, Nees von Esenbeck und Consorten, stehen Ihnen nicht die Haare bei ihren Definitionen zu Berge...?»(zit. bei MESCHKOWSKI 1985, S. 146). Besonders lesenswert ist die Schrift von SCHLEIDEN (1988) über die zeitgenössische Naturphilosophie vor allem von Schelling und Hegel.

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  23. Vom heutigen Standpunkt aus betrachtet ist S. Samburskys Beurteilung von Hegel wohl angemessen (SAMBURSKY 1977, S.146 f), allerdings sollte man sie auch im Lichte F. Engels sehen: «Das Hegeische System als solches war eine kolossale Fehlgeburt -...»(ENGELS 1941, S.31). Sir James hat Kants Raum- und Zeitvorstellungen im Lichte moderner Physik nüchtern und knapp dargelegt (JEANS 1944, S.76 f).

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  24. Insgesamt gesehen sind solche Zitate oft amüsant, jedoch problematisch: vermutlich werden viele ‹Feststellungen› vor allem mancher Quantenmechaniker in späteren Zeiten auch eher dem Spott preisgegeben sein als einer fairen Analyse. Ein Beispiel möchte ich der Sprache wegen anführen: «Ein Teilchen wird demnach als die durchschnittlich organisierte Erregung einer chaotischen subquantenmechanischen Materialebene angesehen, gewissermaßen einer Schallwellenausbreitung im Chaos molekularer Agitation ähnlich» [J.P. Vigier: Probability in the Probabilistic and Causal Interpretation of Quantum Mechanics, p.75/76 in S. KÖRNER (Ed.) Observation and Interpretation in the Philosophy of Physics with Special Reference to Quantum Mechanics, New York 1962].

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  25. Für dieselbe historische Situation, in Kurzform skizziert, kann man z.B. auch die folgenden Formulierungen je eines Physikers und eines Mathematikers finden: «An der Schaffung der Thermodynamik sind Frankreich mit Carnot, Großbritannien mit W. Thomson und Deutschland mit Clausius beteiligt» (HUND 1978, Teil 2, S.17). Bei HELM (1898, S.110) «begründen die Schriften von CLAUSIUS und THOMSON die Thermodynamik». Solche ‹Verkürzungen› sind keineswegs ungewöhnlich.

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  26. J.J. Waterston (1811–1883) hat im Jahre 1845 eine Arbeit mit dem Titel ‹On the Physics of Media that are Composed of Free and Perfectly Elastic Molecules in a State of Motion› an die Royal Society eingesandt, die sie jedoch erst im Jahre 1892 (!) einer Veröffentlichung würdigte. Darin findet sich auch eine interessante, von J.R. Mayers Verfahren abweichende Berechnung des mechanischen Wärmeäquivalents, vgl. U. Hoyer: ‹Über Waterstons mechanisches Wärmeäquivalent, Arch. History Exact Sciences 19 (1978), pp.371–381.

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  27. Das gilt noch heute z.B. für Reechs Buch ‹Theorie Generale des Effets Dynamiques de la Chaleur›, Mallet-Bachelier: Paris 1854. Dieses wahrlich erstaunliche Werk umfaßt immerhin 212 Druckseiten!

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  28. «Trotz der mannigfaltigen Arbeiten über die Wärmemaschinen, trotz des befriedigenden Zustandes, zu dem sie gegenwärtig gelangt sind, ist ihre Theorie doch sehr wenig fortgeschritten, und die Versuche zu ihrer Verbesserung sind fast nur vom Zufall geleitet. Man hat oft die Frage erwogen, ob die bewegende Kraft der Wärme beschränkt ist, oder unendlich;... wir beabsichtigen, diese Fragen hier einer eingehenden Betrachtung zu unterziehen» (CARNOT 1892, S.6), vgl. Anm. [4/13].

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  29. Vielleicht vermeidet der Hinweis Mißverständnisse, wonach die Benutzung der Caloricum-Hy- pothese deshalb die Gültigkeit seiner Ergebnisse nicht berührte, weil Carnot ausschließlich reversible Kreisprozesse untersuchte. In diesem Fall entspricht dem Caloricum eben nur nicht die Wärme sondern die Entropie. In dieser Interpretation für differentielle reversible Prozesse empfindet auch der heutige Leser alle wichtigen Überlegungen und Schlußfolgerungen Carnots als korrekt, vgl. dazu die Studien von LERVIG (1972) und HOYER (1976).

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  30. Die dafür entwickelten Methoden werden «dabei naturgemäß an die Mechanik angeschlossen.» Naturgemäß! So ist die Behauptung «Der Energiesatz ist die Verallgemeinerung eines Satzes aus der Mechanik» (v. WEIZSÄCKER 1942, S.150 und S.153) nur folgerichtig. Ohne jegliche Skrupel stellte F. Capra fest, daß «die Physiker beim Studium der Dampfmaschine und anderer wärmeerzeugender Maschinen» zur Formulierung der Thermodynamik, zur Entdeckung des Gesetzes von der Erhaltung der Energie usw. gelangten (CAPRA 1984/2, S.73).

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  31. Zur Illustration der provozierenden These Feyerabends sollte man sich einmal die ‹Prognosen› ansehen, die K. Steinbuch in seinem bekannten und programmatischen Buch ‹Falsch programmiert aus dem Jahre 1968 (!) zitiert bzw. riskiert hat. Bei diesem Autor handelte es sich immerhin um einen kompetenten, ehrlichen und engagierten Ingenieur - einen Fachmann hohen Grades. Hier eine - für die heutige Situation (1990) relevante - Auswahl (wobei die wenigen ‹richtigen› Vorhersagen, wie z.B. das Ausbleiben des Dritten Weltkrieges (ibd. S.138) nicht ignoriert werden sollen): für das Jahr 1984: persönlichkeitssteuernde Drogen werden allgemein verwendet.... Komplexe Lehrautomaten sind im allgemeinen Gebrauch.... Eine dauernde Mondbasis wird eingerichtet sein.... Bemannte Vorbeiflüge an Mars und Venus wurden ausgeführt (ibd. S.138).... Im Osten wird, was dem Fortschritt dient, akzeptiert und gefördert» (ibd. S.142 & 169). «Ein Kongreß über ‹Die nahe Zukunft der Menschheit - Friede und Entwicklung 1970–2000› fand vom 11. bis 15.9.1967 in Oslo statt. Veranstalter waren gemeinsam das ‹Intemational Peace Research Institute Oslo› und das ‹Institut für Zukunftsfragen Wien›. Teilnehmer waren etwa 60 Wissenschaftler aus Ost und West, Politologen, Soziologen, Philosophen, Planungsfachleute und Ingenieure» (ibd. S.141).

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  32. ‹Kongreß›-Prognosen: «Etwa im Jahre 1995 wird die Verunreinigung der Luft, Flüsse und Seen kontrolliert und auf etwa den Zustand vom Jahre 1940 zurückgeführt sein... Die thermonukleare Fusionsenergie wird etwa im Jahre 2003 konkurrenzfähig sein... Etwa im Jahre 1995 werden 20 Prozent der Nahrungsmittelproduktion in Meeresfarmen erzeugt.

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  33. Besonders bemerkenswert ist im Vergleich zur jüngsten Entwicklung im Ostblock Steinbuchs begründete Prognose für den Sozialismus: «Es scheint mir ganz sicher zu sein, daß im Zeitalter der perfekten Technik und der dichten Massengesellschaft auf lange Sicht keine andere Gesellschaftsform realisierbar ist» (ibd. S.155). Als Elektro-Ingenieur meinte er: «Warum sollten Primaner nicht lernen, Computer zu programmieren?» (ibd. S.159). Aktuell ist auch die von ihm zitierte Vorhersage der Deutschen Shell AG des PKW- und Kombinationskraftwagen-Bestandes (in Millionen Stück): 1965:8,7; 1985: 17,5; 2005: 40; etc. (ibd. S.128 & 155). Tatsächlich gab es in der Bundesrepublik bereits 1989 über 33 Millionen Exemplare!

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  34. Dieses Beispiel verdeutlicht die eigentümliche Schwierigkeit, die ganze Fülle dessen angemessen zu erfassen und auszudrücken, was im 19. Jahrhundert unter dem Begriff «Mechanische Wärmetheorie› verstanden werden konnte und verstanden wurde. Die Intention wird am einfachsten aus dem Bekenntnis Lord Kelvins klar: «Ich bin erst dann zufrieden, wenn ich von einer Sache ein mechanisches Modlell herstellen kann. Bin ich dazu in der Lage, dann kann ich sie verstehen. Wenn ich mir nicht in jeder Hinsicht ein Modell machen kann, dann kann ich sie auch nicht verstehen.»

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  35. Dasselbe hat Helmholtz, mehr emotional und provozierend, mit seiner Aufforderung, «die Wissenschaften sollten sich in Mechanik auflösen» ausgedrückt! Allerdings sollte man daran erinnern, daß der universale Helmholtz nie dogmatisch war: «als Physiker war er getreu seiner Grundidee von echter Naturwissenschaft Experimentator und Theoretiker. Nur von Hypothesen lebende Theoretiker, welche schließlich den hypothetischen Ursprung ihrer Sätze vergaßen und sie dann mit ‹Hochmut und Leidenschaftlichkeit als gewöhnliche Folgen ‹unbefriedigten Gefühls› verteidigten, mochte er gar nicht» (GERLACH 1962, S.124).

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  36. Einflußreich war der Versuch, Physik auf pure Massenpunkt-Mechanik zu reduzieren, wie er vor allem von R. Boscowich - vgl. MAINZER 1988, S.274 f - und Helmholtz unternommen wurde. Stets bestand eine merkwürdige Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit; der Bedeutung des Begriffs wird man jedenfalls mit dem zwar beliebten, aber primitiven, nur scheinbar anschaulichen ‹Billardkugelmodell› zur Simulation z.B. der Eigenschaften eines Gases nicht gerecht. Eher findet man Ansätze und kritische Auseinandersetzungen dazu bei DUHEM (1908), STALLO (1901), MACH (1896), HELM (1898), HERTZ (1894) und DÜHRING (1873), natürlich auch bei BOLTZMANN (1905), vgl. auch SCHRÖDINGER 1983, S.86 f.

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  37. Zwei kennzeichnende Beispiele führte SCHROEER 1984, S.91 an; zunächst die Äußerung von Prof. Rowland, John Hopkins University (1879): «Wer es zustande bringt, daß dort zwei Grashalme wachsen, wo früher einer wuchs, ist ein Wohltäter der Menschheit, wer aber im stillen Kämmerlein die Gesetze solchen Wachstums untersucht, der ist zweifellos intellektuell überlegen und der größere Wohltäter von beiden.» Dann MAXWELL (1890, Vol.n, S.751) kurz und knapp über A.G. Bell, den Erfinder des Telefons: «Ein Redner, der aus privatem Interesse Elektriker wurde.» Im übrigen war dieses ‹Desinteresse› bereits im Altertum bekannt: nach einer Äußerung Plutarchs sah selbst Archimedes «Mechanik im ökonomisch-technischen Sinne nicht als seine Aufgabe an» (vgl. BENSE 1953, S.42). Bemerkenswerterweise empfahl selbst F. Bacon manchmal die vita contemplativa gegenüber den «Früchten der Erfindungen» (KROHN 1987, S.83/84). Dennoch war sein gesamtes Denken auf die vita activa ausgerichtet; VICKERS (1988, S.39 f) hat dazu eine kurze Studie vorgelegt. Über ein besonders umstrittenes Beispiel von Weltfremdheit berichtete IRVING (1969, S.263): «Als Göring einen Physiker zum Leiter des deutschen Vorhabens ernannte, war es klar, daß das Vorhaben ohne Ergebnisse bleiben würde. Gerlach hatte seine Ernennung als die goldene Gelegenheit betrachtet, selbst mitten im Krieg die deutsche Vorherrschaft auf dem Gebiet der reinen Wissenschaften wieder zu gewinnen.» D. Irving führte im übrigen den Niedergang der deutschen Physik darauf zurück, «daß die deutschen Wissenschaftler die Kunst des Experiments eingebüßt hatten.»

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  38. Eine interessante Rückwirkung der von vorneherein vorgesehenen Gründung von Laboratorien an diesen polytechnischen Schulen ergab sich an den Universitäten, wo insbesondere durch den Einfluß von J. von Liebig ab etwa 1860 die ersten selbständigen physikalischen Institute entstanden.

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  39. Seine Arbeit wurde zunächst nicht zur Publikation angenommen! vgl. HELM 1898, S.47.

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  40. Man sollte diese Preisverleihung von 1887 in Relation setzen mit dem 1. Preis, den E. Dühring 1872 von derselben Fakultät für seine mehrfach erwähnte kritische ‹Mechanik› zugesprochen erhielt: diese Differenzierung drückt eher die Reserven aus, die die Gelehrten jener Zeit dem Energieprinzip noch entgegenbrachten. Dennoch: m.E. ist Dührings Preisschrift (d.h. die Erstausgabe, vgl. SZABO 1979, S.126) nach wie vor ein Meisterstück und das Musterbeispiel, wie Wissenschaftsgeschichte betrieben und beschrieben werden sollte, vgl. PLANCK 1948, S. 13/14. Im übrigen war Dühring wohl der erste, der Einsteins berühmte Energie-Massenäquivalenz deutlich antizipierte, ein Sachverhalt, der (unter vielen anderen) F. Engels verleitete, in seinem ‹Anti-Dühring› heftig dagegen zu polemisieren, vgl. ENGELS 1941, S.73 f; er ‹ehrt› ihn durch die Schlimmste aller ‹Beschimpfungen›: «Metaphysiker» (S.77), ein Vorwurf (unter vielen anderen, wahrlich gerechtfertigten!), den Dühring wohl am wenigsten verdiente.

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  41. «Anscheinend hat sich der heutige Bedeutungsgehalt des Wortes «Forschung» für die Technik erst im Zusammenhang mit experimentellen Untersuchungen und der Einrichtung von Ingenieurlaboratorien herausgebildet» (RAPP 1978, S.216). In Wörterbüchern oder Lexika kommt es bis zum 1. Weltkrieg kaum vor. In nahezu 1.000 Fachzeitschriften mit über 20.000 Originalarbeiten aus dem Bereich ‹mecha- nics› im gesamten 19. Jahrhundert werden weniger als l%o explizite unter ‹Forschung› ausgewiesen!

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  42. Von besonderem Wert ist sicherlich die eher persönliche Bemerkung, die J.R. Mayer gegenüber einem Freund machte: «Bewegung verwandelt sich in Wärme, in diesen fünf Worten hast du implizite meine ganze Theorie....In diesem von mir festgehaltenen Ausdruck liegt die entscheidendste Erklärung gegen alle und jede materielle Vorstellung von Wärme, Licht und Elektrizität.... Meine Behauptung ist: Fallkraft, Bewegung, Wärme, Licht, Elektrizität und chemische Differenz der Ponderabilien sind ein und dasselbe Objekt in verschiedenen Erscheinungsformen» (MAYER 1893, S.201 und 217). Diesen Gedanken greift z.B. F. Engels in seiner ‹Dialektik der Natur› immer wieder auf, vgl. MARX/ENGELS 1985, S.370. Ähnliche Formulierungen wie bei Mayer findet man bereits 1837 (!) bei MOHR (1869, S.103).

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  43. Vgl. dazu z.B. REY (1907, S.48), der die gesamte zeitgenössische französische, englische und deutsche Fachliteratur sorgfältig und gewissenhaft zusammenfaßte.

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  44. /32] Die diffizile Beziehung zwischen Boltzmann und Mach hat J. Kaizik zum Gegenstand eines spannenden, geist- und kenntnisreichen Essays gemacht. «Die ‹fiktive Begegnung» der beiden berühmten Naturforscher und Philosophen dient als Angelpunkt für den literarischen Versuch, die Vergangenheit im Heute sichtbar zu machen - dort, im Wien um 1900, wurzelt unsere Gegenwart» (KAIZIK 1986, Cover). Der Autor beschwor eine Atmosphäre, die Th. W. Adorno in seinem schönen Essay «Mahlers musikalische Charaktere» für G. Mahlers ‹materialistische› Musikphilosophie verantwortlich machte.

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  45. Empfehlenswert ist auch eine neuere Boltzmann-Studie des Münsteraner Wissenschaftsphilosophen U. Hoyer mit dem Titel ‹Thermodynamics and Philosophy - Ludwig Boltzmann› (J. Non-Equilib. Thermodyn. 12 (1987), p.11–26). Der Autor betonte natürlich ebenfalls die enge geistige Verbindung zwischen E. Mach und L. Boltzmann, dem er allerdings eine erheblich größere Reserve gegenüber allen philosophischen Spekulationen attestierte. Dennoch hält er ihn für einen bedeutenden Naturphilosophen, dem «transzendentalen oder kritischen Realismus» Eduard von Hartmanns nahestehend. Im übrigen hallt U. Hoyer die Boltzmannsche Statistik für die «Geburtshelferin der Quantentheorie», vgl. dazu HOYER 1983 und STILLER 1988, S.192 f.

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  46. Ein solches Glaubensbekenntnis wirkt umso penetranter, wenn man es z.B. der Skepsis Goethes gegenüberstellt, «die Physik dagegen ist am übelsten dran; die Mathematik fördert sie zwar, da diese aber bloß formell ist, so kann sie sich vor materiellen Irrtümern nicht schützen, ihre Hypothesen und Analogien sind versteckte Anthropomorphismen, Gleichnisreden und dergleichen. Dadurch glauben sie, das Phänomen auszusprechen, anstatt sie sich um die Bedingungen bekümmern sollten, unter welchen es erscheint; da sie denn gar bald das Wahre mit den Händen greifen könnten» (GOETHE, Tagebücher Weimar 1817–1832; April 7, Jena 1817).

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  47. I. Lakatos bezeichnet den «Kampf gegen den Probabilismus» als Poppers «Hauptanliegen»! (Lakatos in LAKATOS/MUSGRAVE (Hrsg.) 1974, S.91).

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  48. Einen konzentrierten Überblick über das physikalische Denken in der Antike im Lichte der modernen Physik findet man z.B. im ersten und letzten Vortrag von S. Sambursky bei den Eranos-Tagungen in Ascona zwischen 1966 und 1976 (SAMBURSKY 1977, S.9 f und S.299 f). Wie problematisch und zweideutig allerdings die Interpretation antiker Texte sein kann, wird von R. Löbl am Beispiel von «Demokrits Atomphysik» (Wissenschaftliche Buchgesellschaft: Darmstadt 1987) demonstriert.

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  49. Materie? «Ihre Natur besteht nicht in der Härte, noch in der Schwere, Wärme oder anderen Qualitäten dieser Art», sondern nur in «der Ausdehnung nach Länge, Breite und Tiefe», (vgl. DUHEM 1908, S.149).

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  50. Dieser Begriff ist vieldeutig, da er eine zentrale Frage der Erkenntnistheorie der Naturwissenschaften berührt. Für Engels äußerte sich «die spezifische Borniertheit der letzten Jahrhunderte in metaphysischer Denkweise» (ENGELS 1941, S.28). Für Boltzmann entsprach sie einer «geistigen Migräne» (KAIZIK 1986, S.45), wohingegen sie für Ziman fundamental ist für «die Charakterisierung des Begriffsrahmens, der allgemein anerkannt sein muß, wenn Verständlichkeit und Konsens erzielt werden sollen» (ZIMAN 1982, S.13). Unter dem wichtigen Gesichtspunkt der «Einheit der Physik» behandelt C.F. von Weizsäcker viele der dabei auftretenden Probleme (v. WEIZSÄCKER 1984, S. 129/275), vgl. auch die Ausführungen zur Mythostheorie von Hübner am Ende dieses Abschnitts.

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  51. «Das erstaunliche ist, daß alle die jungen Physiker in Cambridge, welche an die Maxwellsche Theorie glaubten, keinen Versuch machten, sie experimentell zu bestätigen» (LAMPARIELLO 1955, S.22). Die Elektrodynamik war in Cambridge 1902 «kaum eingeführt» (HOLTON 1984, S.81).

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  52. Ob der kritische Hertz sich auch so vorschnell auf Kant bezogen hätte, wenn er sich an Lessings beißendes Spottgedicht auf Kants dilettantisches Erstlingswerk 1746 ‹von der wahren Schätzung der lebendigen Kraft› erinnert hätte: «K* unternimmt ein schwer Geschäfte - Der Welt zum Unterricht. - Er schätzet die ›Lebend’gen› Kräfte, - Nur seine schätzt er nicht.»? Vgl. auch SZABO 1987, S.79. SCHRÖDINGER (1983, S.158) attestierte ihm: «Kant’s attitude toward science was incredibly naive.» Eine vernichtende Kritik der Ideen Kants hat B. Russell bereits um die Jahrhundertwende («The Human Knowledge, its Scope and Limits») veröffentlicht.

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  53. Nach seiner Emigration im Jahre 1933 befürchtete Born (M. & H. Born 1982, S.137), er wäre für die Öffentlichkeit wohl nur noch ein ‹Petrefakt›. Wenn man sich einmal die Liste der Assistenten, Doktoranden, Mitarbeiter und Ko-Autoren betrachtet, die mit Born zwischen 1919 und 1932 zu tun hatten (ibd. S.62/63), so verfehlt seine Nichterwähnung in den Werken z.B. SAMBURSKIs (1975, S.709 1)

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  54. CAPRAs (1984/2, S.79), STILLERs (1988, S.194), REGIS’ (1989, S.299) m.E. sogar den ‹Mindeststan- dard fairen Umgangs mit der Berufsehre anderer Menschen».

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  55. Besonders Heisenbergs Verhalten gegenüber Born bleibt rätselhaft, vgl. BORN 1975, S.297,303,362 f.

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  56. Es ist vielleicht erwähnenswert, daß der berühmte Beweis E. Schrödingers aus dem Jahre 1926 von der Äquivalenz seiner Wellenmechanik mit der ‹Heisenberg-Born-Jordanschen Matrizenmechanik› rein formal geführt wurde. «Aus dem Äquivalenzbeweis folgt kein Theorem über den Umriß der physikalischen Realität» (BENSE 1953, S.73).

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  57. Der Beweis wurde offensichtlich ‹prophezeit›: «Es läßt sich mathematisch exakt beweisen, daß der anerkannte Formalismus der Quantentheorie keine solche Ergänzung erlaubt. Will man also an der Hoffnung festhalten, daß der Determinismus einmal wiederkehren wird, so muß man die jetzt vorhandene Theorie für inhaltlich falsch halten; bestimmte Aussagen der Theorie müssen experimentell widerlegbar sein. Der Determinist sollte also nicht protestieren, sondern experimentieren, um die Anhänger der statistischen Lehre zu bekehren» (Z. Naturwissenschaften 1929, S.l 17/118). Eine ausgezeichnete Zusammenfassung der Ausführungen J. von Neumanns findet man übrigens bei de BROGLIE 1950, S.206 f.

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  58. Voltaires Standpunkt war zuerst und vor allem humanistisch; es ging ihm immer um konkrete Aspekte der sozialen Gerechtigkeit. Deshalb betrachtete er die Einheit von Geistes- und Naturwissenschaft ganz pragmatisch: «Die wahre Philosophie besteht darin, daß man nicht weiter geht als die Fackel der Physik leuchtet» (VOLTAIRE 1979, S. 11). Für ihn zählte (wie für Goethe, vgl. dazu MESCHKOWSKI 1979, S.21 f und LEPPMANN 1982, S.124 f) die Mathematik zu den Geisteswissenschaften. Diese Einschränkung formulierte Einstein in der ihm eigenen Knappheit: «Insofern sich die Sätze der Mathematik auf die Wirklichkeit beziehen, sind sie nicht sicher, und insofern sie sicher sind, beziehen sie sich nicht auf die Wirklichkeit» (EINSTEIN 1921, S.3 f). Neuerdings zählt PRAUSNITZ (1985, S.1053 f) auch die Thermodynamik zu den Geisteswissenschaften!

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  59. «Die Natur eines Paradigmas» wird nicht nur von KUHN (1978, S.389 f) selbst, sondern u.a. von M. Masterman ausführlich kommentiert, vgl. LAKATOS/MUSGRAVE (Hrsg.) 1974, S.59–88.

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  60. Die Dogmatik der Kopenhagener Schule korrespondiert offenbar vorzüglich mit dem marxistisch-leninistischen Wahrheitsanspruch. Allerdings bedurfte es zu dieser Entente Cordiale erst eines ‹ideologischen Reifungsprozesses›. Leider ist im Westen ein solcher Prozeß für den ideologisch nicht abgebrühten Leser historisch überzeugend kaum nachvollziehbar. Als Anhaltspunkt für die Entwicklung im Ostblock mindestens bis zu Stalins Tod mag ein bemerkenswertes Werk französischer Professoren aus dem Jahr 1937 (!) dienen: »Die Wissenschaft im Lichte des Marxismus» (WALLON et al.).

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  61. Derzeit betont der sowjetische Standpunkt eher alle weniger flexiblen Abarten der Kopenhagener Deutung («Philosophischer Pluralismus ist weder theoretisch möglich noch praktisch irgendwo realisiert worden» (RÖSEBERG 1978, S.175)). «Die nicht-relativistische Quantenmechanik erweist sich ebenso wie die klassische Mechanik als eine dialektische Einheit von Abbild und Entwurf. Die Zusammenhänge in der objektiven Realität lassen sich nicht mit den von der Theorie erfaßten mathematischen Strukturen identifizieren, wohl aber in einem dialektisch verlaufenden Erkenntnisprozeß abbilden. Innerhalb des Gültigkeitsbereiches der bisherigen Theorie sind vollkommenere Abbildungen der tatsächlichen Zusammenhänge nicht auszuschließen» (RÖSEBERG 1978, S.l73/174, vgl. auch BLOCHINZEW 1979, S.569f). Wer weiß, wie dieser Standpunkt in Gorbatschows UdSSR aussehen wird?

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  62. «Die Theorie führt einen Formalismus ein, in dem die kinematischen und dynamischen Variablen der klassischen Mechanik durch Symbole ersetzt werden, welche einer nicht-kommutativen Algebra unterworfen sind» (BOHR 1958, S.37 f9,»... die Tatsache zu unterstreichen, daß die physikalische Interpretation des symbolischen quantenmechanischen Formalismus nur Voraussagen deterministischen oder statistischen Charakters betreffend das Auftreten individueller Phänomene unter Bedingungen umfaßt, die durch klassische physikalische Begriffe definiert sind» (ibd. S.64). Zum Vergleich mit diesen abstrakten Formulierungen lese man den klaren und einfachen Bericht HEISENBERGS (1969, S.89).

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  63. Eine beeindruckende Monographie zur Geschichte der Quantentheorie haben T.S. Kuhn und Mitarbeiter vorgelegt: Sources for History of Quantum Physics - An Inventory and Report; the American Philosoph. Society: Philadelphia 1967.

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  64. Dieses Paradigma, die Kopenhagener Doktrin, hat in den letzten Jahren besonders M. BUNGE (Quantum Mechanics in search of its referents. In: Philosophy of Physics; Dordrecht 1977, S.88 f) attackiert; er wirft ihr vor allem formale und semantische Inkonsequenz vor. W.A. FOCK (Ob interpretalij kvantovoi mechaniki, Moskau 1959, vgl. GRAHAM 1974, S.l 10 f) äußerte ähnliche Kritik speziell an Bohrs Terminologie vor allem bei der Gegenüberstellung von Kausalitäts- und Komplementaritätsprinzip.

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  65. Er konstatierte eine charakteristische Überschätzung der Rolle von Meßinstrumenten: «Bohr vergaß, daß das Forschungsziel die Eigenschaften des Mikroobjekts und nicht die Anzeigen der Instrumente sind».

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  66. Der mathematische Apparat der Quantentheorie dient vor allem der Anwendung der linearerii Algebra. Zu den quantentheoretischen Tensoren gehört der Hilbert-Raum mit unendlich vielen Dimensio nen; er ist nicht reell - vgl. GLOSSAR -; an Stelle der z.B. in der Relativitätstheorie üblichen orthogonalem Transformationen treten die sogenannten unitären Transformationen auf. Jede quantentheoretische Größe wird durch einen Tensor dargestellt; seine Hauptachsenrichtungen lassen sich ebenso wie jene z.B. jedet» Tensors der Trägheitsmomente eines Festkörpers räumlich abbilden. Die genaue Kenntnis dieser Richtun g gen im unitären Raum ist das Optimum an Kenntnis, das man für die quantentheoretischen Größen erreichen kann. Dieses Optimum hat H. Weyl als reinen Fall bezeichnet. Die diesen Fall bei einem Atom auszeichnende Richtung entspricht derjenigen Hauptachse des Tensors E, die zum Energieeigenwert Ekk des betreffenden (nicht entartenden) stationären Zustands gehört. Wenn eine Messung des Wertes einer Variablen q durchgeführt werden soll, so muß man zunächst eine ungefähre Kenntnis der Richtung schätzen, die als ein mit Wahrscheinlichkeitskoeffizienten gewichtetes ‹Gemenge› der den Hauptachseiii von E entsprechenden Richtungen interpretiert wird. Die Werte zweier quantentheoretischer Größen sind nur dann miteinander kausal verknüpft, wenn die den beiden Größen entsprechende Tensoren parallele Hauptachsen haben, ansonsten besteht kein kausaler Zusammenhang. Die o.a. Wahrscheinlichkeitskoeffi zienten werden maßgeblich durch Störungen beim Meßprozeß bestimmt. Sie verhindern die Parallelität!: «Die Teilung der Welt in das beobachtende und das zu beobachtende System verhindert also die scharfe Formulierung des Kausalgesetzes» (HEISENBERG 1930, S.44).

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  67. Der erfolgreiche Heisenberg wurde mit zunehmendem Alter immer mehr Erkenntnisphilosoph; der junge Heisenberg vertrat mehr die machiavellistische Position, wie er in einem Brief vom 09.11.1921 an W. Pauli mit seinem «Der Erfolg heiligt die Mittel» (in Bezug auf die damalige Quantentheorie) deutlich machte (PAULI 1984, S.XII). Gegenüber M. Born scheint ihm diese ‹Lebensregel› immer wieder gute Dienste geleistet zu haben, vgl. z.B. v. WEIZSÄCKER 1985, S.496.

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  68. Die Etablierung der «Mechanischen Wärmetheorie› ist ein Schulbeispiel dafür, wie Wissenschaft durch einflußreiche Persönlichkeiten ‹gemacht› wird. Als Kronzeugen möchte ich dafür einen ‹Macher› unserer Tage anführen: «While Waterston, like Herapath before him, had been ignored as a crank, and while Joule’s somewhat obscurely published note received equally little notice, Krönig’s rudimentär]/ paper, which was neither new in principle nor correct in detail, was read and respected, and to this day iis commonly regarded as the starting point of the kinetic theory. According to BRUSH (S.G. BRUSH ‹The development of the kinetic theory of gases, III. Clausius’, Annuals of Science 14,185–196 (1958), footnote 1 of ¡ì4), ‹Its favourable reception was due primarily to the fact that KRÖNIG was important enough for other scientists to pay attention to him.› Indeed, Krönig edited the «Fortschritte der Physik›, in which Helmholtz, who had dismissed Joule’s paper in a Single line (cf. footnote 1 of ¡ì4, above), gave Krönig s paper a review (H. Helmholtz (1859). An abstract over half as long as the paper appeared on pp.725–730 of the «Chemisches Zentralblatt› for 1856) nearly a quarter as long as the paper itself» (TRUESDELL 1975, S.21).

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  69. Diese eigentlich zynischen Äußerungen erklären auch zwanglos den genau umgekehrten Vorgang: die einflußreichen Vertreter der britischen Community of Science unterdrückten damals rigoros alle einschlägigen Untersuchungen von «Außenseitern». So erklärt die strikte Ablehnung durch die Royal Society, warum auch noch heute die gaskinetischen Arbeiten von J. Herapath, vor allem aber von J.J. Waterston in Lehrbüchern der Physik meistens nicht erwähnt, geschweige denn gewürdigt werden, vgl. TRUESDELL 1975, S.7–17. In einer frühen Arbeit kommentiert Truesdell diese von Gleichgültigkeit und Scheinheiligkeit geprägten Beurteilungsrituale in den königlichen Akademien viel sarkastischer. Den Bezug zu heutigen Verhältnissen stellte er im Schlußabschnitt mit einer witzigen und beißenden Satire unter dem Titel «Ein Lob auf die Desorganisation der Wissenschaft» (TRUESDELL 1970, S.25) her, die an den späten Feyerabend erinnert.

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  70. Eine ausführliche Darstellung der experimentellen Überprüfung von Einsteins Theorie im Umfeld der damaligen Atomvorstellungen findet man bei J. PERRIN (1914), vgl. auch die Ausführungein von J. Franck (in WILDHAGEN 1932, S.28 f).

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  71. A. Einstein an P. Ehrenfest: «Sie sind einer der wenigen Theoretiker, die nicht durch due Epidemie der Mathematik ihrer natürlichen Intelligenz beraubt wurden» (zit. in SELLERI 1983, S.14). Einstein warnte selbstverständlich nur vor jenem «Mathematiker», der «sich wegen seiner technischen Spezialfähigkeiten einbildet, als professioneller Theoretiker die wesentliche Quelle menschlicher Erkenntnis zu sein» (ZIMAN 1982, S.15).

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  72. Auf die Gefahren des Computers für die Naturwissenschaften gehen merkwürdigerweise bisher nur wenige der namhaften Wissenschaftstheoretiker und -historiker ein, vgl. TRUESDELL 1984 (2), S.594 f.

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  73. In C.F. von Weizsäckers Büchern findet man viele interessante Erörterungen über die vielfältigen Wechselbeziehungen zwischen Christentum und Naturwissenschaften. Zum Thema dieser Studie paßt wohl das Zitat über christliche Denker (im Zusammenhang mit dem Zeitbegriff im Piatonismus): «Sie verstanden die Geschichte der Welt als eine endliche Kette von Ereignissen zwischen der Schöpfung und dem Jüngsten Gericht, mit der Fleischwerdung Christi als Mitte. Diese Beschreibung der Geschichte war nicht einfach ein unphilosophischer Mythus. Sie beschrieb die Erfahrung der Unumkehrbarkeit» (v. WEIZSÄCKER 1977, S. 172). Es gibt also nicht nur die subjektivistische Interpretation der Irreversibilität als Illusion, sondern sogar die theologische Begründung ihrer Realität!

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  74. Bekannte Beispiele, die sich auf diese Auseinandersetzungen um den ‹richtigen Glauben› beziehen, gibt es genug; erwähnt seien etwa Helmholtz’s Vorlesungen «Theoretische Physik» und das Buch «Weltbild eines Ingenieurs» von Einsteins berühmtem Freund A. STODOLA. Als Reaktion auf die bittere Auseinandersetzung («Weltbild-Schlacht»; HOLTON 1984, S.155) zwischen E. Mach und M. Planck findet man das aufschlußreiche Manifest der neuen Gesellschaft für positivistische Philosophie, das 1912 in der Physikalischen Zeitschrift publiziert wurde - mit dem erklärten Ziel «eine zwingende Weltanschauung zu entwickeln»! Unterzeichner waren E. Mach, D. Hilbert, F. Klein, A. Einstein, S. Freud u.a.!

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Straub, D. (1990). Mechanik als Paradigma. In: Eine Geschichte des Glasperlenspiels. Wissenschaft und Kultur, vol 38. Birkhäuser, Basel. https://doi.org/10.1007/978-3-0348-6150-2_4

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