Zusammenfassung
Wenn der Föhn über die Schneehalden bläst, dann fahren die Lawinen zu Tal; wenn die Märzsonne den blauen Leberberg golden bescheint, dann schütteln die Tannen den Winterreif aus ihren Locken; wenn der Buchfinke zum erstenmal schlägt, so ist’s ein Zeichen, daß der Winter geht und der Frühling kommt. Da wird’s lebendig auf Feld und Flur; wer einen Winkel Erde sein eigen nennt, der schaufelt und grabt, der pflügt und hackt und freut sich der künftigen Ernte. — Aber dort, wo weder Pflug noch Hacke hinkommt, in den Schluchten des Jura, auf dem wilden Steingeröll am Fuße der Alpen, an den waldigen Ufern der Aar und der Emme, der Reuß und der Limmat, und auf dem öden Moor zwischen den Seen von Neuenburg, Biel und Murten wohnt ein unstetes Völklein. Es säet nicht und erntet nicht, denn keine Handbreit Erde kann es sein eigen nennen. Bald ist’s hier, bald dort, denn in keinem der hundert Städte und Dörfer, der tausend Häuser und Hütten raucht sein heimischer Herd. In einem verborgenen Winkel der Berge feiert es heute wilde Feste, morgen bettelt es vor den Häusern der Bauern. Der Graben an der Landstraße ist seine Wiege, sein Brautbett das grüne Moos unter dunklem Tannenschatten. Das Jahrmarktsgewühl ist das Feld, auf welchem es Ernte hält. Es redet eine Sprache, fremd und unverständlich jedem, der nicht zu ihm gehört. Das bürgerliche Gesetz ist sein Feind und vor dessen Vollstreckern flieht es scheu, wie ein gehetztes Wild. Es ist das Volk der Heimatlosen.
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Hartmann, A. (1991). Der Heimatlose 1852. In: Charbon, R. (eds) Fundstücke der Schweizer Erzählkunst. Birkhäuser Klassiker. Birkhäuser, Basel. https://doi.org/10.1007/978-3-0348-6113-7_4
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-0348-6113-7_4
Publisher Name: Birkhäuser, Basel
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