Zusammenfassung
Im allgemeinen sind Risikoregulierungen zum Schutz des Menschen und der Umwelt in den letzten zwanzig Jahren kontinuierlich verschärft worden. Die Geschichte der Regulierung der Gentechnik aber ist eine Geschichte der Deregulierung. Die ersten Genrichtlinien, die 1976 von den „National Institutes of Health” (NIH)68 erlassen wurden, schrieben noch für alle Experimente mit rekombinanter DNA das Arbeiten in geschlossenen Systemen mit Sicherheitsstämmen vor (physikalisches und biologisches containment) und verboten grundsätzlich jede Freisetzung von gentechnisch veränderten Organismen. Zwanzig Jahre später werden dagegen über 90% aller gentechnischen Laborexperimente ohne jede Genehmigung oder auch nur Anmeldung bei den zuständigen Behörden durchgeführt; Freisetzungen von gentechnisch veränderten Organismen sind grundsätzlich genehmigungsfähig und für bestimmte Organismengruppen nach vereinfachtem Verfahren (nur noch Anmeldung mit oder ohne Wartezeit) möglich; die ersten Nahrungsmittel mit gentechnisch veränderten Organismen haben die Marktzulassung bekommen, können also unbegrenzt verbreitet werden. Im Zuge wechselnder Regulierungen ist die Gentechnik selbst schrittweise in die Gesellschaft „freigesetzt” worden.69
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Referenzen
US-amerikanische Gesundheitsbehörde.
Die neueste Übersicht über die Regulierungsgeschichte bei Cantley (1995).
Die Geschichte der Auseinandersetzung über die Gentechnik vor und nach Asilomar ist dokumentiert in Watson und Tooze (1981).
Gen-ethischer Informationsdienst (GID), Oktober 1996, Nr. 3.
Bericht der Bundesregierung über den Verhandlungsstand des Menschenrechtsübereinkommens zur Biomedizin, Bundesratsdrucksache 617/96 vom 16. August 1996.
Formulierung aus “Regulation of Genetically Engineered Organisms and Products”, Biotechnology Information Series (Bio-11), Iowa State University (1996).
Anhang II B; Ratsdokument 5791/96, Bundesratsdrucksache 309/96 vom 24. 04. 1996.
Entscheidungen, Band 49, p. 143.
Allerdings sind Meinungsäußerungen in Umfragen kein verläßlicher Indikator für das zu erwartende Verhalten; was die Befragten tatsächlich kaufen würden, steht auf einem anderen Blatt.
Gentechnikgesetz von Dänemark (1991).
Gentechnikgesetz von Österreich (1994).
Ob die Bewirtschaftung der Luftnutzung aus dem Vorsorgegebot des § 5 Bundesimmissionsschutzgesetz abgeleitet werden kann, ist strittig (Kloepfer, 1989); zweifellos aber könnte sie durch einfaches Gesetz eingeführt werden. Daß natürliche Ressourcen nur in den Grenzen der “Nachhaltigkeit” in Anspruch genommen werden, bekräftigt das Bundesnaturschutzgesetz; der Durchsetzung dienen u. a. Landschaftspläne.
Im Rahmen einer politischen Bewirtschaftung der Umweltnutzung läßt sich eine spezifische Diskriminierung der Gentechnik nicht begründen, dazu müßte man schon die Einführung neuer Technik als solche “bewirtschaften”, also unter politischen Planungsvorbehalt stellen. Das stellt in kapitalistischen Gesellschaften die “Systemfrage”, weil es die Innovationsfreiheit praktisch abschafft und im Kernbereich des wirtschaftlichen Handelns den Primat der Politik etabliert.
Auf dieser Linie wird gelegentlich jede (Weiter-)Verbreitung transgener DNA-Konstrukte in die Umwelt als „genetic pollution” eingeordnet, die strikt zu vermeiden sei (van den Daele et al., 1996). Auch im TÜV Bayern wird diskutiert, ob “keine gentechnisch modifizierten Nukleinsäuren in der Umwelt” als Umweltqualitätsziel in Frage kommt.
Vgl. Greenpeace zur Marktzulassung von Mais mit transgener Insektenresistenz durch die EU-Kommission im Dezember 1996: “Die verantwortungsloseste Entscheidung, die die Kommission je getroffen hat” (Berliner Zeitung vom 19. 12. 1996).
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van den Daele, W. (1997). Deregulierung: Die schrittweise „Freisetzung“ der Gentechnik. In: Brandt, P. (eds) Zukunft der Gentechnik. Birkhäuser, Basel. https://doi.org/10.1007/978-3-0348-6108-3_14
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Publisher Name: Birkhäuser, Basel
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