Zusammenfassung
Das Reproduktionsmuster einer Gesellschaft wird von historischen Umständen bestimmt, von der Kultur und von kollektiven und individuellen Werten, die sich aus diesen Umständen heraus entwik-keln. Die klassischen Zivilisationen sahen Reproduktion als eine natürliche Pflicht aller — ob Männer oder Frauen — an, um den Fortbestand der Gesellschaft zu sichern. Respekt für die Ahnen, ein Charakteristikum vieler Kulturen, stärkte diese Pflicht durch dieBetonung, daß man in der Schuld der Vorfahren stehe. Die Fortpflanzung war sozusagen die Wiedergutmachung dieser Schuld.
Die Gesundheitspolitik sieht Frauen ausschließlich als Reproduzentinnen und Mütter. Die vorhandenen Programme beziehen sich nur auf Schwangerschaftsvorsorge, institutionelle Betreuung während der Geburt und während der Stillzeit, postnatale Versorgung und Sorge für die Entwicklung und das Wachstum des Babys. Zu diesen konzeptionellen Schwächen kommt jetzt noch die Strukturkrise des Gesundheitswesens. Im Jahr 1980 benutzten in Nicaragua nur 38 Prozent der Frauen Verhütungsmittel. Wir wissen, daß die Rate auch heute noch niedrig ist. Neuere Forschung hat gezeigt, daß 74 Prozent der Frauen keinerlei Empfängnisverhütung praktizieren, was dazu führt, daß die Haupttodesursache von jungen Frauen in den Städten heimliche Schwangerschaftsabbrüche sind; bei Frauen auf dem Land sind es Blutungen während der Geburt.
Ana Maria Pizarro, Nicaragua, öffentliche Anhörung, Lateinamerika
Kinderprostitution ist oft organisiert, geschützt und aggressiv, um ihre Gegner zum Schweigen zu bringen. Im Lauf der letzten zwanzig Jahre haben meine Mitarbeiter und ich die Repressalien der Regierungsbeamten und der Pädophilen zu spüren bekommen, die gemeinsam versucht haben, die skandalösen Zustände zu verdecken und ihre politischen Karrieren und ihre Interessen in der Sexindustrie in Olongapo zu schützen. Dort verkaufen Syndikate systematisch Kinder — manchmal gerade vier Jahre alt — an Pädophile. Statt die Kriminellen zu verfolgen, schikanierten und bedrohten sie uns, die wir für die Rechte der Kinder arbeiten. (...) Diese unaussprechlichen Verbrechen an den Kindern und der Menschlichkeit sind nicht nur tödliche Gefahren für die philippinischen Kinder; sie sind Symptome eines viel größeren Übels: der ungerechten wirtschaftlichen und sozialen Strukturen auf den Philippinen, die die Armut institutionalisiert haben. Die herrschende Elite, etwa fünfzig immens reiche Familien, denen siebzig Prozent der Wirtschaft gehören, kontrolliert die politischen Prozesse und die Verteilung des nationalen Vermögens. Nur wenig fließt in das Gesundheitssystem, in die Bildung und in soziale Dienste.
Alex C. Hermoso, Preda Foundation, Philippinen, öffentliche Anhörung, Südostasien
Manche internationalen Organisationen, die Gesundheitsversorgung bieten, sind der Meinung, daß es reicht, ein paar Stationen zu errichten, in denen Verhütungsmittel erhältlich sind. Aber Gesundheitsversorgung funktioniert nicht von oben nach unten. Einige Frauen brauchen zuerst den Kontakt zu anderen Frauen. Darüber hinaus gibt es noch andere Dienste im Gesundheitswesen, die Vorsorge und Versorgung leisten. Das Gesundheitswesen darf nicht auf die Senkung der Fruchtbarkeitsrate reduziert werden, Lebensqualität ist eine viel umfassendere Frage.
Barbara Klugmann, öffentliche Anhörung, südliches Afrika
In Indonesien ist die Geburtenrate in den achtziger Jahren von 2,4 auf 1,7 Prozent gefallen, (...) eine Erfolgsgeschichte. Aber hinter dem Erfolg steht offener und verdeckter Zwang. Es fängt damit an, daß die Ehefrauen der örtlichen Honoratioren oder gar die Polizei und das Militär den Familien einen Besuch abstatten, und reicht bis zu der Anschuldigung, Kommunist zu sein, und der Drohung, auf die Inseln außerhalb Javas umgesiedelt zu werden.
Wardah Hafidz, Indonesien, öffentliche Anhörung, Südostasien
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Literatur
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Independent Commission on Population and Quality of Life. (1998). Reproduktive Gesundheit und freie Wahl. In: Visionen für eine bessere Lebensqualität. Birkhäuser, Basel. https://doi.org/10.1007/978-3-0348-6079-6_13
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