Die letzten Jahre

Zusammenfassung

Seit dem Ende der vierziger Jahre finden sich in Einsteins Briefen immer häufiger Bemerkungen über eine Ermattung, eine allgemeine Mattigkeit gegenüber dem Leben. Und gleichzeitig damit erklingt immer häufiger eine traurige, wenn auch versöhnliche Note des Abschieds von den aus dem Leben Scheidenden und gegenüber dem Leben selbst. Diese abgeklärte Wehmut ähnelt der Stimmung, die einen Menschen manchmal an ruhigen Abenden befällt. Solche Stimmungen sind selten in der logisch geordneten Weltanschauung eines Menschen enthalten. Sie bleiben emotional, aus Halbtönen gewebt, bleiben unbewußt. Den Menschen dauert der dahingehende Tag, seine für immer dahinschwindende Einmaligkeit, ihn dauert, was ein für allemal in den Strom der Lethe getaucht ist. Und leid ist es ihm auch um das individuelle menschliche Leben. Die Wehmut über den dahinscheidenden Tag schließt keineswegs die freudige Erwartung des folgenden aus. Und die Wehmut über das vergängliche individuelle Leben widerspricht nicht der optimistischen Empfindung von der Unsterblichkeit des Seins überhaupt. Sie ergänzt diese Empfindung und ist von ihr nicht zu trennen. Die Anerkennung des Wertes und der Nichtwiederholbarkeit des Lokalen, Konkreten, Individuellen macht die epikureische Negation des Todes menschlicher; sie verwandelt eine logische Formel in eine menschliche Emotion. Andererseits stimmt der Gedanke der Unsterblichkeit des Seins auch versöhnlich, macht die Wehmut über das dahinschwindende individuelle Leben durchsichtig und aquarellfarben.

Das Streben nach Wahrheit ist köstlicher als deren gesicherter Besitz.

Gotthold Ephraim Lessing