Zusammenfassung
Im folgenden will ich zunächst auf einige Einwände und Vorbehalte eingehen, die in der Rechtswissenschaft, sei es latent, sei es explizit ausgesprochen, gegen eine Zusammenarbeit von Recht und Mathematik zu finden sind. Ich möchte hierbei zwischen einem allgemein zu findenden Vorbehalt gegen eine Zusammenarbeit einerseits und zwischen Einwänden andererseits unterscheiden, die aus bestimmten inhaltlich en Erwägungen erhoben werden. Lassen Sie mich mit dem Generalvorbehalt beginnen und hierbei versuchen, eine Erklärung für ihn zu liefern. Sie dürfte für die Mathematiker deshalb von Interesse sein, weil bei seiner Berücksichtigung die Schwierigkeiten einer Zusammenarbeit zwischen beiden Disziplinen auch in psychologischer Hinsicht durchsichtiger werden.
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Anmerkungen
Vgl. D. v. Stephanitz, Exakte Wissenschaft und Recht, S. 72ff.
Vgl. D. v. Stephanitz, S. 52ff. Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2. Aufl., S. 249ff.
Wieacker, S.433, Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 2. Aufl., 1969, S. 19f.
Zur Klassifikation als zentrale Funktionsorientierung der Begriffsjurisprudenz s. auch neuerdings N. Luhmann, Recht s system und Rechtsdogmatik, 1974, S. 11.
Wieacker, S.434.
Vgl. dazuinsb. U. Klug, Juristische Logik, 3. Aufl., S. 141ff.
Eine Zusammenstellung solcher scheinlogischer Fehlschlüsse der Begriffs-Jurisprudenz enthält die Darstellung von v. Stephanitz, S. 110/111.
Vgl. z.B. Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, 1969, S. 23: “Denn wie es das Wesen des Rechts ist, Wertungen verstehend nachzuvollziehen, zu Ende zu denken und schließlich, auf einer letzten Stufe, selbst vorzunehmen”. Dieses Verstehen, diese Wertung könne von der Logik “wesensmäßg nicht geleistet werden”.
Diese Einstellung dürfte in enger Beziehung zu dem bekannten Ausdruck stehen “Judex non calculat”, der Richter rechnet nicht. Dieser Ausdruck besagt nicht, daß Rechnen in der Rechtspraxis keine Bedeutung hat; in jedem Schadensersatzprozeß muß z.B. die Feststellung der Höhe des Schadens durch eine Saldoermittlung (Ermittlung der Differenz der Vermögensstände mit und ohne das schädigende Ereignis) durchgeführt werden. Gemeint ist vielmehr, daß das Rechnen zu den trivialen Nebentätigkeiten gehört, die mit der spezifisch juristischen Tätigkeit nichts gemein haben.
So Fischer-Lexikon, Mathematik I, Stichwort “Mengen, Abbildungen, Strukturen” (bearb. v. Steiner), S. 247.
So v. Stephanitz, Exakte Wissenschaft und Recht, 1970, S. 231.
S. dazu E. v. SA Vigny, Die Rolle der deduktiv-axiomatischen Methode in der Rechtswissenschaft, in: Rechtstheorie. Beiträge zur Grundlagendiskussion, Hrsg. v. G. Jahr und W. Maihofer, 1971, S. 315ff. S. auch J. Rödig, Axiomatisierbarkeit juristischer Systeme, in: Münchener Ringvorlesung EDV und Recht-Möglichkeiten und Probleme, 1973.
So treffend Podlech, Wertungen und Werte im Recht, AÖR Bd. 95 (1970), S. 185ff.
Vgl. hierzu z.B. die Darstellung bei W. Krelle, Präferenz-und Entscheidungstheorie, 1968.
Vgl. unten 3. 2 und 4. 2a).
Vgl. z.B. Canaris, Systemdenken, S. 22f. D. Grimm, Rechtswissenschaft und Nachbarwissenschaften, Bd.1, 1973, Vorwort S. 7.
Von diesem weiten Mathematisierungsbegriff geht wohl auch die Wirtschaftswissenschaft aus; vgl. Müller-Merbach, Mathematik für Wirtschaftswissenschaftler I, 1974, passim.
Vgl. hierzuinsb. U. Klug, Jurist. Logik, 3. Aufl., 1966.
Zum Begriff der Dogmatikinvarianz als Schlüsselbegriff für eine allgemeine Rechtstheorie s. insb. neuerdings A. Podlech, “Dogmatik, Rechtstheorie, Mathematik. Vorüberlegungen zu Strukturuntersuchungen juristischer Dogmatik”. Unveröff. Manuskript der Arbeitsgruppe “Recht und Mathematik” der DFG.
Vgl. z. B. Müller-Merbach, Mathematik für Wirtschaftswissenschaftler I, 1974, S. 120f.
Wieviele und welche Ansprüche jeder gegen jeden hat, ist mit Hilfe mathematischer Methoden natürlich nicht entscheidbar. Dies wird durch die nationalen Rechtsordnungen entschieden.
U. Klug, Juristische Logik, 3. Aufl., 1966.
Amadeo Conte, Guillelmo di Bernardo, Bibliography of Deontic Logic and Logic of Norms, vorläufige Erstfassung.
So U. Klug, Juristische Logik, 3. Aufl., 1966, S.6.
Vgl. hierzu z.B. die Darstellung bei v. Wright, Norm and Action, 1966, S. 189.
Lothar Philipps, Rechtliche Regelung und formale Logik, Archiv für Rechts-und Sozialphilosophie Bd. 50, 1964, S. 317ff; ders., Sinn und Struktur der Normlogik, Archiv für Rechts-und Sozialphilosophie Bd. 52, 1966, S. 195ff.
Zu den Schwierigkeiten s. z.B. die Übersichten von Wagner/Haag. Die moderne Logik in der Rechtswissenschaft, 1970 und von Kalinowski, Einführung in die Normenlogik, 1973.
Mengers Kritik am wissenschaftlichen Niveau der Rechtswissenschaft war nicht zuletzt von den Einwänden bestimmt, die Menger gegen begriffsjuristisches und positivistisches Denken in der Rechtswissenschaft, namentlich gegen eine Ausklammerung der sozialen Bezüge im Recht geltend gemacht hatte; vgl. dazu Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2. Aufl., 1967, S.457.
Vgl. z.B. J. Klüver, J.M. Priester, J. Schmidt, F.O. Wolf, Rechtstheorie-Wissenschaftstheorie des Rechts, in: Rechtstheorie, Beiträge zur Grundlagendiskussion, hrsg. v. G. Jahr und W. Maihofer, 1971, S. 1ff.
S. z.B. D. Horn, Rechtssprache und Kommunikation. Grundlegung einer semantischen Kommunikationstheorie, 1966; I. Glaser, Sprachkritische Untersuchungen zum Straf recht. Am Beispiel der Zurechnungsfähigkeit, 1970; D. Rave, H. Brinkmann, K. Grimmer (Hrsg.) Paraphrasen juristischer Texte, 1971.
K. J. Arrow, Social Choice and Individual Values, Aufl. New York-London-Sidney, 1963.
Schlink/Popp, Präferenztheoretische Bedingungen einer sozialen Wertordnung; dies., Rechts-und staatstheoretische Implikationen einer sozialen Präferenztheorie.
S. z.B. BVerfGE 7, 198ff., 215; seitdem in ständ. Rechtsprechung.
Hofman, “Formale Struktur der Rechtsordnung”. Das Manuskript liegt der Arbeitsgruppe “Recht und Mathematik” vor.
Dazu s. z.B. J. E. Whitesitt, Boolesche Algebra und ihre Anwendungen 2. Aufl., Vieweg, 1968.
Vgl. den Anhang S. 224-279.
Podlech, S. 68ff.
K. Haag, Rationale Strafzumessung. Ein entscheidungstheoretisches Modell der strafrichterlichen Entscheidung, 1970.
H.H. Keuth, Zur Logik der Normen. 1972.
Vgl. S. 48ff. zum Herausgabeurteil nach § 985 BGB.
Vgl. Keuth, a. a. O., S. 87ff.
J. Rödig, Die Theorie des gerichtlichen Erkenntnisverfahrens, 1973.
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Opfermann, W. (1976). Rechtswissenschaft und Mathematik. In: Booss, B., Krickeberg, K. (eds) Mathematisierung der Einzelwissenschaften. Interdisziplinäre Systemforschung / Interdisciplinary Systems Research. Birkhäuser, Basel. https://doi.org/10.1007/978-3-0348-5508-2_11
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