Der Forscher

Zusammenfassung

Die Vielzahl und Vielfalt gleichzeitig laufender Forschungsprojekte Kochers ließen sich neben seiner ärztlichen, operativen und weiteren literarischen Tätigkeit* nur bei einem ausgezeichnet organisierten Tagesablauf bewältigen. Dies begann bei ihm, wie überall, mit großer Selbstdisziplin und mit entschiedenem Wollen. Hierin war Kocher von jüngsten Mannesjahren an sicher und entschlossen. Er plante bis ins Detail voraus. So begann er einzelne Abschnitte seiner Reiseaufzeichnungen in England (1875) oder die vorbereitenden Notizen für die Sitzungen des Medizinisch-Chirurgischen Kantonalvereins in Bern von 1880 bis 1881 mit der Formel «ich will²». Geradezu wie ein Programm der Lebensführung liest sich ein Zettel, den er mit 43 Jahren schrieb und noch als Greis mit sich herumgetragen haben soll:

«... am heutigen Tage ist das neue Spital eingeweiht und bezogen worden. Dadurch beginnt für mich eine neue Ära der Wirksamkeit, indem treffliche Einrichtungen dieselbe fördern. Mit viel reicherer Erfahrung trete ich wieder in mein Wirken, aber mit einem älter gewordenen Körper und mit einem gereiften Geist. Statt Hoffnungen meiner Kollegen und Mitbürger, die mich das erstemal emportrugen, [d.h. bei der Wahl zum Professor, s.S. 20] erheben sich jetzt nur noch Erwartungen. Statt der Popularität eines jung aufstrebenden Geistes umgibt mich jetzt halb kritische, halb neidische Beachtung meines Wirkens. Statt daß ich Unterstützung genieße, erwartet man Förderung von mir. Auf diese neue Stellung muß ich mich denn auch einrichten. Genuß und Förderung darf ich bloß im Kreise der Familie und Freunde erwarten. Bei den andern dagegen muß ich nur auf Helfen, Fördern, Geben bedacht sein. Meine Kräfte darf ich nicht zersplittern, daher, was andere für mich ebenso gut tun können, andern überlassen, ganz auf meine Spezialität mich zurückziehen. Auch meinen Körper muß ich pflegen durch die nötige Ruhe, MÄßigkeit Nüchternheit, Bewugung und Kraftanstrengungen³.»