Zusammenfassung
Hegels Gewohnheit, am Anfang einzelner Kapitel seiner Vorlesungen über die Geschichte der griechischen Philosophie1 einerseits die Hauptmomente der bereits behandelten philosophischen Systeme festzuhalten und anderseits auf die Notwendigkeit des Erscheinens des nächsten philosophischen Systems hinzuweisen,2 läßt die Abweichungen seiner Darstellung früherer Philosophie von seiner Lehre über deren Entwicklung3 deutlich sichtbar werden. Solche Abweichungen finden sich z.B. in der Einführung des Kapitels über Leukipp und Demokrit, in der das Prinzip der zwei vorsokratischen Philosophen als das Produkt einer dialektischen Bewegung gedeutet wird, die nicht etwa, wie es wohl zunächst zu erwarten wäre, vom Heraklitischen Werden ausgeht, sondern ihren Anfang — genauso wie die dialektische Bewegung, die zum Prinzip Heraklits führt — im Eleatischen Sein nimmt.4 So erscheint in Hegels philosophiegeschichtlicher Sicht das Sein der Eleaten als eine Kategorie, von der notwendig zwei verschiedene dialektische Bewegungen ihren Fortgang nehmen: Die erste mündet in das Prinzip der Philosophie Heraklits (Sein — Nichtsein — Werden), während die zweite sich bis zum Prinzip der Philosophie der antiken Atomisten fortsetzt (Sein—Nichtsein—Fürsichsein).
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Anmerkungen
Vgl. G.W.F. Hegel: Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie; in: Sämtliche Werke, hrsg. von Hermann Glockner, 4. Aufl., Stuttgart-Bad Cannstatt 1965, Bd. 17, S. 185–434; Bd. 18, S. 1-586; Bd. 19, S. 1-96 (in der Folge zitiert als: Vorlesungen I–III).
Vgl. Vorlesungen I, S. 296 ff. (die eleatische Schule), S. 343 ff. (Heraklit), S. 380 ff. (Leukipp und Demokrit), S. 396 ff. (Anaxagoras); Vorlesungen II, S. 5 ff. (Sophisten), S. 42 ff. (Sokrates), S. 122 ff. (Sokratiker).
Vgl. G.W. F. Hegel: Einleitung in die Geschichte der Philosophie, hrsg. von Johannes Hoffmeister, 3., gek., von Friedhelm Nicolin bes. Aufl., Hamburg 1966, S. 24-38, S. 94-136 und S. 274-281 (in der Folge zitiert als: Einleitung). — Vgl. auch Klaus Düsing: Hegel und die Geschichte der Philosophie, Darmstadt 1983, S. 7-39. Dort auch die gesamte Literatur zur allgemeinen Thematik.
Vgl. Vorlesungen I, S. 382.
Ebd., S. 349.
Vgl. Nikos Psimmenos: Hegels Heraklit-Verständnis, Die philosophische Diskussion Bd. 1, Basel/Paris 1978, S. 95-99.
Vgl. Vorlesungen II, S. 3-5.
Ebd., S. 4.
Vgl. Nikos Psimmenos: Die Sophistik in der philosophiegeschichtlichen Betrachtung Hegels (gr.); in: The Sophistic Movement — Papers read at the first International Symposium on the Sophistic Movement organised by the Greek Philosophical Society 27-29 Sept. 1982, Athen 1984, S. 294-311.
Dies ergibt sich aus dem ganzen Zusammenhang der Einführung. Deutlich wird es jedoch erst im folgenden Satz ausgesprochen (Vorlesungen II, S. 4): „Das Denken vertieft sich zuerst in den Gegenstand...“ Dieser Satz bildet den Beginn einer Darlegung des Übergangs von den Vorsokratikern zu den Sophisten, die höchstwahrscheinlich von der vorherigen Darlegung unabhängig ist. Möglicherweise entstammt sie entweder einem anderen Vorlesungsjahrgang oder einer anderen Vorlesungsnachschrift des selben Jahrgangs. Wie dem auch sei, der Text des mittleren Paragraphen der Einführung scheint aus mindestens zwei Teilen zu bestehen.
Vgl. ebd.
Vgl. Vorlesungen I, S. 204: „Die zweite Abtheilung enthält die Sophisten, Sokrates, und die Sokratiker. Hier ist der sich selbst bestimmende Gedanke als gegenwärtig, konkret in mir aufgefaßt. Das ist das Princip der Subjektivität, wenn auch nicht der unendlichen Subjektivität; — das Denken zunächst Theils als abstraktes Princip, Theils als zufällige Subjektivität.“ — Vgl. auch Vorlesungen II, S. 5, S. 31 und S. 43.
Den Begriff der Konversion führt Hegel erst bei der Besprechung des Homo-mensura-Satzes des Protagoras ein (Vorlesungen II, S. 31): „Näher drückt er [der Homo-mensura-Satz] die sehr merkwürdige Konversion aus, daß aller Inhalt, alles Objektive nur ist in Beziehung auf das Bewußtseyn, das Denken also bei allem Wahren hier als wesentliches Moment ausgesprochen ist...“
Ebd., S. 4.— Hegel spricht allerdings von der „Rückkehr des Denkens“, die mit der „Rückkehr des Geistes“ wohl identisch ist.
Ebd., S. 3.
Vgl. ebd., S. 3 f. — Hegel befaßt sich zunächst nur mit der Objektivität des Ana-xagoreischen Nous und dessen „noch ganz formellen sich selbstbestimmenden Thätigkeit“; gleich nachher (ebd., S. 3 f.) wendet er sich aber dem „unbefangenen Denken der älteren Philosophen“ zu, dem er das Bewußtsein und den mit ihm zusammenhängenden Begriff der Subjektivität gegenüberstellt. Umgekehrt geht er im zweiten Teil der Einführung (vgl. bei mir Anm. 10) vor: Erst wird die Vertiefung des Denkens in den Gegenstand erwähnt und dann die Unbestimmtheit des Nous angezeigt.
Vgl. ebd., S. 30 ff.
Ebd., S. 3 f.
Ebd.
Ebd., S. 4.
Ebd.
Ebd.
Ebd.
Ebd.
Vgl. Einleitung, S. 239 ff.
Das Objektive erscheint hier (Vorlesungen II, S. 4) die Bedeutung des Absoluten zu haben. Um sprachliche Verwicklungen zu vermeiden (etwa objektiver Versuch einer Erfassung des Objektiven) wird in der Folge der erste Begriff durch den zweiten ersetzt.
Vgl. Vorlesungen I, S. 343 f.: „Die Dialektik des Zeno greift also die Bestimmungen auf, die im Inhalt selbst liegen. Sie kann insofern auch noch subjektive Dialektik genannt werden, insofern sie in das betrachtende Subjekt fällt...“
Vgl. ebd., S. 325 ff.
Zu Hegels Deutung der Dialektik Zenons vgl. Nikos Psimmenos: Hegels Heraklit-Verständnis, a. a. O., S. 51-57; vgl. ferner Klaus Düsing, a. a. O., S. 47-50.
Vgl. Vorlesungen I, S. 327: „Diese Seite hat die Dialektik im Bewußtseyn Zenos; — aber sie ist auch von ihrer positiven Seite zu betrachten.“
Ebd., S. 343 f.-Das ganze Zitat ist in der Anm. 27 wiedergegeben.
Vorlesungen II, S. 3 f.: „Dem unbefangenen Denken der älteren Philosophen, deren allgemeine Gedanken wir gesehen haben, steht jetzt das Bewußtseyn gegenüber.“
Vgl. Vorlesungen I, S. 327.
Ebd., S. 329.
Ebd. — Das ganze Zitat lautet: „Die Frage ist vielmehr nach ihrer [der Bewegung] Wahrheit; die Bewegung ist aber unwahr, denn sie ist Widerspruch. Damit hat er [Zenon] sagen wollen, daß ihr kein wahrhaftes Seyn zukomme. Zeno zeigt nun, daß die Vorstellung der Bewegung einen Widerspruch enthält; und bringt vier Weisen der Widerlegung der Bewegung vor.“
Vgl. ebd.
Vgl. ebd., S. 327.
Ebd.
Ebd., S. 342.
Ebd., S. 326 f.
Vorlesungen II, S. 4.
Ebd. — Ähnlich interpretiert Hegel die Subjektivität auch im ersten Teil der Einführung (ebd.): „Diese Subjektivität hat nämlich die Bestimmung, daß sie die unendliche, sich auf sich beziehende Form ist; diese reine Thätigkeit, das Bestimmen überhaupt, das Allgemeine mit dieser Form erhält so Bestimmungen, einen Inhalt, — und die wesentliche Frage ist hier nach den Inhaltsbestimmungen. Die andere Seite der Subjektivität ist, daß das Subjekt dieß Denken, dieß Setzende ist, — und das Bewußtseyn hat darauf zu reflektiren; — es ist darin eine Rückkehr des Geistes aus der Objektivität in sich selbst.“
Vorlesungen I, S. 327.
Vorlesungen II, S. 8. — Das ganze Zitat lautet: „Die Sophisten sind es, die den einfachen Begriff, als Gedanken (der schon in der eleatischen Schule bei Zeno anfängt, sich gegen sein reines Gegenbild, die Bewegung, zu kehren), jetzt überhaupt auf weltliche Gegenstände angewendet, und mit demselben alle menschlichen Verhältnisse durchdrungen haben, indem er seiner Macht, seiner als des absoluten und einzigen Wesens bewußt wird, — eifersüchtig gegen Anderes, das Bestimmte, das nicht Gedanke ist, gelten will, — und seine Macht und Herrschaft an ihm ausübt.“
Vgl. ebd., S. 3 f.
Ebd., S. 4.
Ebd.
Vorlesungen I, S. 318.
Ebd., S. 344. — Diese Objektivität meint Hegel wahrscheinlich auch, wenn er vom „objektiven Bewußtseyn“ Heraklits spricht (ebd., S. 209).
Vgl. ebd., S. 232.
Ebd.
Ebd., S. 234.
Vorlesungen II, S. 4.
Vorlesungen I, S. 232. — Vgl. auch S. 218 und S. 235.
Ebd., S. 364. — Vgl. auch S. 365: „das gegenständliche Wesen, die Objektivität“.
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Psimmenos, N. (1985). Der Begriff der Objektivität in Hegels Auffassung der Vorsokratischen Philosophie. In: Cesana, A., Rubitschon, O. (eds) Philosophische Tradition im Dialog mit der Gegenwart. Birkhäuser, Basel. https://doi.org/10.1007/978-3-0348-5423-8_15
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-0348-5423-8_15
Publisher Name: Birkhäuser, Basel
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