Zusammenfassung
Das Werk Johann Jakob Bachofens ist dadurch gekennzeichnet, daß es eine eigenartige Zwischenstellung einnimmt zwischen Philosophie und Wissenschaft. In dieser Zwischenstellung liegt eine gewisse Tragik: Da sich Bachofens Geschichtsforschung auf einen Raum bezieht, der nun einmal mit den beschränkten Wissensmöglichkeiten empirischer Geschichtswissenschaft nicht auszufüllen ist, nämlich auf den Raum der Menschheitsgeschichte, überschreitet Bachofen mit Notwendigkeit die Grenzen wissenschaftlicher Forschung, ohne sich dies jedoch einzugestehen und ohne den Schritt zur Geschichtsphilosophie bewußt und ausdrücklich zu vollziehen. Darauf ist zurückzuführen, daß Bachofen sowohl seitens der Fachwissenschaft wie seitens der Philosophie die Anerkennung versagt blieb.
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Anmerkungen
Man vergleiche dazu die selbstbewußten Einleitungsworte zum „Mutterrecht“, II, S. 9: „Die vorliegende Abhandlung bespricht eine geschichtliche Erscheinung, welche von wenigen beachtet, von niemand nach ihrem ganzen Umfange untersucht worden ist. Die bisherige Altertumswissenschaft nennt das Mutterrecht nicht. Neu ist der Ausdruck, unbekannt der Familienzustand, welchen er bezeich-net... Wir betreten also ein Gebiet, das die erste Urbarmachung erwartet... Eine unbekannte Welt eröffnet sich vor unsern Blicken.“
Vgl. etwa VIII, 414.
Die Streitschriften liegen jetzt gesammelt vor in: Karlfried Gründer (Hrsg.): Der Streit um Nietzsches „Geburt der Tragödie“, Hildesheim 1969.
Ein besonders eindrückliches Dokument einer solchen Einstellung gegenüber der Geschichte ist der folgende Tagebucheintrag Leopold von Rankes aus den 1830er Jahren
„Von der Philosophie der Geschichte.
Die Forderung ist unabweisbar; natürlich; menschlich. Erhaben. Schwer. Wer
die inneren Fäden des Getriebes der Menschheit, diesen in ihr selber sich ent-wickelnden und zum Vorschein kommenden Geist zu erkennen vermöchte, würde einen Teil der göttlichen Wissenschaft besitzen. Allein ist das so geschwind möglich? Aus der Tiefe der eingehendsten Erkenntnis allein ist es möglich, seine geheimen Spuren zu entdecken.
Der Unterschied der philosophischen und historischen Schule ist ganz allein, daß jene aus einer geringfügigen, oberflächlichen Kenntnis vermengt, mit keckem Finger erzwungene Resultate ableitet; diese dagegen die Dinge in ihrer Wesenheit zu begreifen sucht, ihrem Zuge nachgeht und, eingedenk der Unvollkommenheit der Überlieferung, die höchsten Ergebnisse ahnen läßt“ (Leopold von Ranke: Aus Werk und Nachlaß, Bd. 1: Tagebücher, hrsg. von Walther Peter Fuchs, München, Wien 1964, S. 237).
Oswald Spengler: Der Untergang des Abendlandes, Bd. 1, München 1918, S. 57: „Jede echte Geschichtsbetrachtung ist echte Philosophie — oder bloße Ameisenarbeit.“
Die uneinheitliche Schreibweise in den Bachofen-Zitaten ist darauf zurückzu-führen, daß stets genau nach der verwendeten Vorlage zitiert wird.
Ludwig Klages: Vom kosmogonischen Eros, München 1922.
Carl Albrecht Bernoulli: Johann Jakob Bachofen und das Natursymbol — Ein Würdigungsversuch, Basel 1924.
Der Mythus von Orient und Occident — Eine Metaphysik der Alten Welt — Aus den Werken von J.J. Bachofen, mit einer Einleitung von Alfred Baeumler, her-ausgegeben von Manfred Schroeter, München 1926.
Baeumler schreibt auf S. CXCVI seiner Einleitung: „Mit dieser Einsicht: daß in Bachofen die symbolschaffende, mythenbildende Kraft selber auf unbegreifliche Weise aktiv geworden ist, berühren wir erst den Kern des Problems. Bachofen ist der Vollender der Romantik nicht nur deshalb, weil er methodisch folgerichtiger war als die älteren Romantiker, sondern er ist methodisch folgerichtiger, weil er ganz und gar Romantiker, das heißt ganz und gar selber Mythologe ist.“
Georg Schmidt: Johann Jakob Bachofens Geschichtsphilosophie, München 1929.
Vgl. S. 158 ff.
Karl Meuli in: Johann Jakob Bachofens Gesammelte Werke, Bd. 3, Basel 1948, S. 1011-1128.
Johannes Dörmann in: Johann Jakob Bachofens Gesammelte Werke, Bd. 8, Basel 1966, S. 523-602.
Johannes Dörmann: War Johann Jakob Bachofen Evolutionist? in: Anthropos, Bd. 60, Freiburg 1965, S. 1-48.
Thomas Geizer: Die Bachofen-Briefe — Betrachtungen zu Vision und Werk, Wirklichkeit und Leben J. J. Bachofens anhand von Band X der „Gesammelten Werke“, in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte, Bd. 19, Zürich 1969, S. 777-869.
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Cesana, A. (1983). Einleitung. In: Johann Jakob Bachofens Geschichtsdeutung. Basler Beiträge zur Philosophie und Ihrer Geschichte, vol 9. Birkhäuser, Basel. https://doi.org/10.1007/978-3-0348-5370-5_1
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-0348-5370-5_1
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