Der Prioritätsstreit um das Prinzip der kleinsten Aktion an der Berliner Akademie im 18.Jahrhundert

Zusammenfassung

Um die Mitte des 18.Jahrhunderts, kaum einige Jahrzehnte nach der Kontroverse zwischen Leibniz und Newton über die Schaffung der Infinitesimalrechnung, wurde die gerade im vollen Aufblühen befindliche Berliner Akademie von einem Ereignis erschüttert, das seinen Anfang mit einem Prioritätsstreit auf dem Gebiete der sich stürmisch entwickelnden Mechanik nahm, in einer Bezichtigung der Dokumentenfäl-schung seine Fortsetzung fand und schließlich mit einem höfischen Skandal, ja mit dem gesundheitlichen Ruin des Präsidenten endete. Schon in den etwa vier Jahren, in denen dieser Vorfall die wissenschaftlich und literarisch interessierte Welt beschäftigte, entstand hierüber eine so umfangreiche Literatur von Streitschriften, daß diese 1753 in einem Sammelband zusammengefaßt erschienen; nach dem Namen des Hauptakteurs, des Akademiepräsidenten Maupertuis (1698–1759), erhielt der Band den Namen Maupertuisiana (Bild 31). Aber auch danach, etwa bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts, zog dieser «Gelehrten- oder Akademiestreit» die Geister an, insbesondere die der Mathematiker und theoretischen Physiker. Die Beschäftigung mit diesem Ereignis, insbesondere aber das Studium der hierüber entstandenen Literatur, ist äußerst interessant und lehrreich, und da diese oft divergierende Ansichten enthält, dürfte es einen gewissen Reiz haben, über sie einen kritischen Überblick zu geben.

Eine selbst bescheidene Wahrheit zu finden ist bedeutungsvoller, als über die erhabensten Dinge weitschweifig zu diskutieren, ohne jemals zu einer Wahrheit zu gelangen. Galileo Galilei