Die Vollendung der Balkentheorie durch Navier und die Einführung des Spannungstensors durch Cauchy

Zusammenfassung

Nach den geschilderten Arbeiten von Jakob Bernoulli und Leonhard Euler auf der einen und von Coulomb auf der anderen Seite, fehlte zur praktischen Deformationsund Festigkeitsberechnung des gebogenen Balkens die Enträtselung jener Größe, die von Euler «absolute Elastizität» genannt und mit Ek ² bezeichnet wurde. Es war also noch die Frage zu klären, was in Jakob Bernoullis Differentialgleichung (65) c oder in Eulers Knicklastformel (67) Ek ² bedeuten. Mit anderen Worten, in welcher Form treten in ihnen einerseits die Querschnittsabmessungen, andererseits die rein elastischen Eigenschaften des Balkenmaterials auf? Mit voller Klarheit wurde diese Frage von Louis Marie Henri Navier beantwortet. Den Hinweis hinsichtlich der notwendigen Materialkonstanten fand er in dem zweibändigen, 1802 erschienenen Werk A Course of Lectures on Natural Philosophy and the Mechanical Arts des englischen Physikers Thomas Young (1773–1829). Über die im 2. Band (Lecture IX) gegebene Definition des sogenannten Elastizitätsmoduls von Young schreibt sein Landsmann A. E.H. Love in seinem Lehrbuch der Elastizität (deutsche Ausgabe von A. Timpe [Leipzig/Berlin 1907], S. 5) mit Enthusiasmus:

«Diese Einführung eines bestimmten physikalischen Begriffs, wie er an den Elastizitätskoeffizienten geknüpft ist, der gleichsam von lichtem Himmel auf den die mathematische Literatur Durchwandernden sich herabsenkt, bezeichnet einen Wendepunkt in der Geschichte der Wissenschaft.»

Die wahre Schule für wissenschaftliche Methoden ist das Studium der Meister. C.A. Truesdell