Kurzfassung
Es wird untersucht, ob in der Raumplanung Frühwarn-Systeme, wie sie bei Raumfahrt oder Landesverteidigung entwickelt wurden, überhaupt eingesetzt werden können — bzw. ob in der raumplanenden Verwaltung von Kommunen, Ländern und Bund die organisatorischen Voraussetzungen für funktionsfähige Frühwarn-Systeme überhaupt geschaffen werden können.
Frühwarn-Systeme werden als besondere Form von Bericht-Systemen behandelt. Die Schwierigkeiten bei der Einrichtung liegen weniger bei der Datenverarbeitung, als vielmehr bei der Einführung eines komplexen organisatorisch-technischen Systems in bestehende Organisationsstrukturen; mit kaum abschätzbaren Auswirkungen auf Struktur und Arbeitsweise einer Verwaltung. Die Untersuchung beschränkt sich auf die systemtechnische Seite.
Frühwarn-Systeme dienen als Komponenten in einem umfassenderen organisatorischtechnischen System der Bestandssicherung. Die Problematik der “Warnschwellen” und die Notwendigkeit bekannter “Katastrophenschwellen” werden behandelt. Da im Aufgabenbereich der Raumplanung bestandsgefährdende Katastrophen jedoch gemeinhin nicht benannt werden können, sondern bestenfalls gesellschaftlich unerwünschte Entwicklungen konfliktträchtigen Genres, ist es schwer, in der Raumplanung bereits vom Ansatz her einen modus operandi für Frühwarn-Systeme zu finden.
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Weiterführende Literatur
Zur Problematik der regel technischen Betrachtung von Organisationen: Robert A. Rosenthal und Robert A. Weiss: Problems of Organizational Feedback Processes. In: Raymond A. Bauer (Hrsg.) Social Indicators, Cambridge Massachusetts (MIT Press) 1966;.
Zur Frage der Informationsverarbeitung in der Verwaltung: Ronge/ Schmieg: Restriktionen politischer Planung, München (Verlag Fischer-Athenäum) 1973;.
Zur Frage der Organisation des Katastrophenschutzes: “Unser Feuer machen wir selber aus”, Titelgeschichte im SPIEGEL vom 18. Aug. 1975.
Zum Problem der “Frühwarnung” bei politischen Krisen: Charles F. Hermann: Indikatoren internationaler politischer Krisen. In: Martin Jänicke (Hrsg.): Herrschaft und Krise. Opladen (Universitäts-Taschenbücher (UTB), Bd. 189) 1973, 44–63.
Zur Frage der Frühwarnung und der damit verbundenen politischen und sozialen Konsequenzen: R.C. Sheriff: Der Mond fällt auf Europa, München (W. Hyne-Verlag) 1958 (Original: The Hopkins Manuscript, London 1938).
Anmerkungen
vgl. Berliner Simulationsmodell BESI, 1.–3. Zwischenbericht ZBZ,. 1969–1970; unter entscheidender Mitwirkung von Prof. Hermann Koelle, Lehrstuhl für Raumfahrttechnik der TU Berlin.
Hier sind in der BRD zu nennen:-Das beim Bundesinnenministerium im Aufbau befindliche Umwelt-Planungs-Informations-System (UMPLIS) in dessen Subsystemen SUB 4 und SUB 9 “Frühwarn-” und “Krisenmanagement”-funktionen vorgesehen sind. BMI, 1973, 12–13 und die “Mitteilungen” der Studiengruppe für Systemforschung/SfS, 1975,24/ bei der mit Stand vom Juli 1975 weniger deutliche Aussagen zum Komplex Frühwarnung und Krisenmanagement gemacht werden, als 1972 in: “UMPLIS: Gutachten und Vorschläge für die Auslegung und Einrichtung eines Planungs-Informations-Systemes für die Umweltpolitik“, erstellt für das Bundesinnenministerium SfS, 1972, 37–43.-Ferner ist zu nennen das bei der Staatskanzlei des Landes Rheinland-Pfalz konzipierte integrierte Planungs-, Entscheidungs-und Kontroll-System (IPEKS), von dem ein Projektbericht nicht an die Öffentlichkeit gegeben wird.
—Auch die vorsichtigen Versuche der Hansestadt Hamburg in einem “Arbeitsplan für die Entwicklung einer detaillierten Konzeption für ein computerunterstütztes Planungs-Informations-System der Freien und Hansestadt Hamburg” von 1973, bei dem es heißt: “Dabei wird besonders einzugehen sein auf Bestrebungen, die unter dem Schlagwort “Frühwarnsysteme” zusammengefaßt werden können und darauf abzielen, die planenden Stellen über die tatsächlichen Entwicklungen der für ihre Planungen prognostizierten Größen (z.B. Bevölkerung) zu informieren, damit daraus Konsequenzen gezogen werden können.” Hansestadt Hamburg 1973,5.
—Der KGSt ist in ihrer jüngsten Bestandsaufnahme bei deutschen Gemeinden offensichtlich auch nur der Begriff aber keine konkrete Konzeption bekannt KGSt, 1975, 14.
Aus der amerikanischen Landschaft sind vor allem folgende Vorhaben zu nennen, die sich unmittelbar auf Stadt-und Regionalplanung beziehen: — ein Vorhaben für die Santa Cruz Mountains Region in Californien, Ingmire, 1971, 403-408.
— ein Vorhaben für die Sanierungsplanung und Slumvermeidung in Washington DC Jacoby, 1970, 123-127; beide Vorhaben wurden in der Zwischenzeit eingestellt.
—ein regionalisiertes Polizei-Frühwarn-System zur Lokalisierung von Unruhegebieten PREWARNS in University City, Missouri, Olson, 1972, 499-502.
Vgl. ausführlicher meinen Beitrag zur amerikanischen Situation Fehl 1974 a, 4-14.
Vgl. ausführlich: Blohm, 1965, 155-157, Blohm, 1973, 727-434 und Baudrexel, 1970, 641-652; Schraeder, 1974, 301-314.
Die Unverbindlichkeit ist dann am niedrigsten, wenn der Bericht für einen Adressaten erstellt wird, der aufgrund langer Erfahrung und hochgradiger Routinierung vorab präzise benennen kann, welche Daten für seine Aufgabenstellung langfristig bedeutsam sind. Vgl. Fehl, 1972, 89-97.
Vgl. ausführlicher: BStMLU, o.J.; BLR, 1974, 50-51; Schäfer, 1974, 243-250; Fehl, 1974 c, 257-263.
die theoretischen Grundlagen der Wortschöpfung “offenes” und “geschlossenes Reiz-Reaktions-Schema” sind in der soziologischen Verwaltungswissenschaft u.a. zu finden bei Niklas Luhmann dessen Konzept des “Routineprogramms” mehr oder weniger gleichgesetzt werden kann mit dem “geschlossenen Reiz-Reaktions-Schema” als ein Programm, das “einen Entscheidungsablauf unabhängig vom Zeitpunkt durch konditionale Formulierungen reguliert” Luhmann, 1971, 119; und dessen Konzept des “Zweckprogramms” mehr oder weniger gleichgesetzt werden kann mit dem “offenen Reiz-Reaktions-Schema”, als ein Programm, das “eine sachliche allgemein gehaltene Wirkungsvorstellung mit einer bestimmten zeitlichen Situation verbindet” Luhmann, 1971, 118.
Im Bereich der Entscheidungstheorie werden mit den verschiedenartigsten Begriffen ähnliche Dichotomien des Entscheidungskontextes konstruiert; vgl. z.B. Simon, 1960, 53-82 und ausführlich Kirsch, 1970, I und III.
Auf eine Präzisierung der Wortschöpfung wird hier verzichtet, da sie für unsere Untersuchung lediglich heuristische Funktion hat und gleichzeitig die angeführten theoretischen Grundlagen angezweifelt werden können, ohne daß im Rahmen dieses Beitrags ihre Überprüfung geleistet werden kann. Solange man sich an die angeführte Dichotomie hält, ist es entscheidend, daß zwischen beiden Schemata aus logischen Gründen kein Übergang möglich ist und Elemente des einen nicht in das andere Schema übertragen werden können. Spärliche Hinweise auf die Abfolge von Phasen im Planungsprozess, die einmal nach dem einen Schema und dann wieder nach dem anderen Schema strukturiert sind, bietet KGSt, 1975, 11-13; demzufolge wäre der Einsatz von Bericht-Systemen zumindest für jene nach dem geschlossenen Reiz-Reaktions-Schema strukturierten Phasen des Planungsprozesses denkbar — ob “wünschenswert” oder “nutzbringend”, das ist eine andere Frage.
Vgl. hierzu ausführlicher Hujer, 1974, 20-44 und Hujer in diesem Band.
Wir haben es näherungsweise mit jener Katagorie von Problemen zu tun, die als “wohlstrukturiert” gekennzeichnet werden können; vgl. hierzu ausführlich Wheeling, 1969, 319-359.
Wir haben es näherungsweise mit jener Kategorie von Problemen zu tun, die als “schlechtstrukturiert” oder “bösartig” gekennzeichnet werden können; vgl. hierzu ausführlich Newell, 1969, 363 + 414.
Vgl. hierzu ausführlich Horowitz, 1967, 3-44 und Horlemann, 1968, 154-194.
Vgl. als Beispiel Katastrophenschutz auf eigene Faust, 1975.
Kombinationen beider Beobachtungsbereiche sind denkbar, werden aber der Kürze halber hier nicht weiter verfolgt.
zum besonderen politischen und sozialen Problem von Schutzmassnahmen vgl. den neuen Bericht einer amerikanischen Expertengruppe zur Anwendung langfristiger Vorhersagen von Erdbeben: Bericht über die Ergebnisse in Problematischer Blick in die Zukunft, 1975.
So heißt es in dem Experten-Bericht zur Erdbebenvorhersage: “Die Experten sehen die größten Schwierigkeiten der langfristigen Erdbebenvorhersage. ai]darin, daß sie zu einer Kollision wirtschaftlicher Kräfte mit anderen Interessen führen; so werden Touristikunternehmen und Grundstücksmakler gegen eine langfristige Warnung sein, während andere Gruppierungen mit beträchtlichen Investitionen in den betreffenden Gebieten so früh wie möglich gewarnt werden wollen. Denkbar ist auch, daß die zuständigen Behörden Warnungen solange zurückhalten, bis sie die für erforderlich gehaltenen Vorkehrungen getroffen haben.” Problematischer Blick in die Zukunft, 1975.
Vgl. hierzu ausführlicher Auf Panzerlafetten ins Gefecht, 1973.
Selbst bei diesem geschlossenen Reiz-Reaktions-Schema kann keine automatische Reaktion auf den auslösenden Bericht erfolgen; vielmehr muß das vollzugsartige Entscheidungsprogramm des Adressaten definierte Entscheidungsspielräume aufweisen, um flexibel zu bleiben gegenüber vom vorhergesehenen Verlauf abweichenden Bestandsgefährdungen. Da ja nur die Struktur der Entwicklungsverläufe bekannt ist, besteht im voraus nie volle Sicherheit über den tatsächlichen Verlauf. Insofern sind alle Mittel und Maßnahmen immer nur auf den höchstwahrscheinlichen Verlauf gerichtet und vollständige Treffsicherheit kann nie garantiert werden: noch nie haben zwei Hurricane genau den gleichen Verlauf genommen und jeder Angreifer wird bemüht sein, durch neuartige Waffensysteme oder neue Angriffsstrategien die Verteidigungsmaßnahmen zu unterlaufen, um einen Schlag zu landen.
Der Koeffizient ‘p’ gibt die Wahrscheinlichkeit an, mit der die Funktion Gültigkeit erwirbt.
Der denkbare Fall einer Zielkorrektur wird hier und im folgenden der Einfachheit halber nicht berücksichtigt; vgl. ausführlich Kade, Hujer, Ipsen, 1972, 212-217; ebenso bleibt das Konzept der “Ultrastabilität” unberücksichtigt; vgl. hierzu u.a. Ashby, 1965, 63-68 und Klaus, 1968, 674.
Vgl. hierzu die aus dem Operations-Research bekannte Methode von Kepner-Tregoe Holtgrewe, 1972, 30. An dieser Stelle ist auch auf das im Bereich der Management-Science entwickelte Konzept des “Management by Exception” zu verweisen. In großen Teilen trifft die am “Management by Exception” entfaltete Kritik auf jene Form der geschlossenen Reiz-Reaktions-Schemata zu, mit denen wir es bei der Verwendung von Melde-Systemen zu tun haben. Vgl. Frese, 1973, 955-959.
Es bleibt noch anzumerken, daß a) der “Beobachtungsbereich” bei Melde-Systemen auf die internen Entwicklungsprozesse im zu schützenden System festgelegt ist — er kann bei der Suche nach den Ursachen von Regelwidrigkeiten ausgedehnt werden auf den Bereich der externen Störungen; b) der “Maßnahmebereich” des Systems der Bestandssicherung abhängig ist von den Ergebnissen der Suche nach den Ursachen und kann sich auf von außen einwirkende Störungen ebenso beziehen wie auf die innerhalb des zu schützenden Systems ablaufenden Entwicklungsprozesse; auch mit c) “Schutzmaßnahmen”, die dem zu schützenden System ein besonderes Schutzverhalten aufzwingen, in der Regel gerechnet werden kann.
Vgl. hierzu u.a. Ritte1, 1973, 130-135, und Myrdal, 1971, 18-23; und vor allem Max Weber(1917) 1973, 219-221.
Dies ist zweifellos eine rigide Annahme, die voraussetzt, daß die verfügbaren Mittel und Maßnahmen bei jedem Kurvenverlauf bzw. jedem Steigungsgrad den gleichen ablenkenden Effekt auf den Kurvenverlauf haben.
D.h. es kann an dieser Stelle angenommen werden, daß die bislang ausgeschlossenen Prinzipien der “Ultrastabilität” bzw. “MultiStabilität” wirksam werden, sodaß sich das System A auf neuer Ebene gegenüber den Störungen stabilisiert; vgl. hierzu ausführlich Ashby, 1965 und Klaus, 1968, 434-435, 674.
Vgl. ausführlich zum “politischen lagesgeschäft” die englischen Untersuchungen Friend, Power, Yewlett, 1974 und riend, Jessop, 1973, 59-104.
Die Liste ließe sich länger fortsetzen; insgesamt handelt es sich um. bestehende Systeme, die durch die Ökonomische Entwicklung und den technischen Fortschritt bedroht sind und deren Wertschätzung im politischen Raum kontrovers ist; vor allem dort, wo die betroffene Bevölkerung an einer Erhaltung und Sicherung des Bestandes interessiert ist, während die raumplanende Verwaltung die Veränderungen nicht als Bestandsgefährdung ansieht, sondern sie im Sinne der zunehmenden Wirtschaftskonzentration und der Sicherung der Investitionsbereitschaft zuläßt, wenn nicht gar fördert; vgl. u.a. Evers, 1975, 175-177.
Die Problematik der Indikatoren wurde hier vollständig ausgeklammert, da wir einfachheitshalber uns nur auf einen einzigen Indikator zur Abbildung einer Entwicklung festgelegt hatten. Die Verwendung von Indikatoren im politischen Kontext beschreibt kritisch Rose, 1972, 119-141.
Vgl. ausführlicher u.a. Scharpf, 1973, 21-32 und Fehl 1974 b 88-91.
Literatur und Materialien
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Fehl, G. (1977). Frühwarn-Systeme in der Raumplanung?. In: Brunn, E., Fehl, G. (eds) Systemtheorie und Systemtechnik in der Raumplanung. Interdisziplinäre Systemforschung / Interdisciplinary Systems Research, vol 21. Birkhäuser, Basel. https://doi.org/10.1007/978-3-0348-5158-9_12
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