Zusammenfassung
Einen Großteil meines Lebens habe ich damit verbracht, die Eigenschaften menschlicher Knochen und die festgefugte Harmonie des Skeletts zu untersuchen. Das menschliche Skelett ist für mich — vom perlmuttartigen Glanz eines fetalen Skeletts bis hin zu den Verwachsungen eines Joseph Merrick, bekannt als der «Elefantenmensch» — ein unvergleichliches Objekt, ein Buch, das nie zu Ende geht. Diese Faszination versuche ich auch an meine Studenten weiterzugeben. Ich vermittle ihnen, daß unsere Knochen keine harte, unveränderliche Materie sind, sondern daß Leben in ihnen steckt. Unser Skelett ist ständigem Wandel unterworfen: Die Hülle der Knochen, das Periost, bringt ständig neue Zellen hervor und zerstört die alten. Dementsprechend verändern sich unsere Knochen von einer Stunde zur nächsten. Mit dem Alter werden sie langsam steifer, spröder und weniger biegsam. Man könnte sagen, daß unser Skelett unser knöchernes Gedächtnis, unser intimes Tagebuch ist: unsere Abstammung, Krankheiten, Verletzungen, Gebrechen, die Auswirkungen unserer Arbeit — all das spiegelt das Skelett wider. All diese Dinge entziffern zu können, das ist die Kunst der forensischen Anthropologie.
Die Natur kennt keinen Makel, nur der Verstand; Niemand ist mißgestaltet nur der Herzlose.
William Shakespeare (1564–1616), Was ihr wollt, Dritter Akt, 4. Szene
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Welge, K., Maples, W.R., Browning, M. (1996). Unnatürliche Natur. In: Knochengeflüster. Birkhäuser, Basel. https://doi.org/10.1007/978-3-0348-5089-6_8
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-0348-5089-6_8
Publisher Name: Birkhäuser, Basel
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