Zusammenfassung
Phänomenologie und Psychoanalyse setzen bei Gegensätzlichem an. Entdeckt die Phänomenologie das Bewusstsein neu als Feld der transzendentalen, sich in unterschiedlichen Dimensionen und Strukturen realisierenden und Sinn stiftenden Erfahrung, so ist es die Psychoanalyse Freuds, die das Unbewusste als die originäre Subjektivität und zugleich als das Gebiet der neuen empirischen Forschung aufspürt und zu erschließen versucht. Letztere beginnt bekanntlich bei klinischen Symptomen, Phänomenen wie Hysterie und Konversion, Hypnose oder Katharsis. Dort vollzieht sich die Freudsche Entdeckung des Unbewussten als seelische Realität. Anhand der Traumanalysen, Studien der Neurosen und Fehlleistungen entwickelt Freud Modelle des seelischen Apparates und der psychischen Persönlichkeit, die dem Unbewussten einen systematischen Stellenwert verleihen.
„[Das] ganze Unerfülltbleiben eines Triebs als absolutes Gehemmtsein, fortdauernd in der Subjektivität, [ist] in jeder lebendigen Gegenwart treibende Aktualität, [schreit] sozusagen ständig nach Erledigung. Natürlich ist es eine Vordeutung auf die Freud’sche Psychoanalyse, mit ihren eingeklemmten Affekten, ihren ‚Verdrängungen‘ usw. Denn hier liegt offenbar das Radikale für die Aufklärung dessen, was an diesen psychoanalytischen Dingen wirklich subjektive Tatsache ist.“
Hua XLII, 126
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„Aber schon die Passivität , das instinktive Triebleben kann intersubjektiven Zusammenhang herstellen. So ist eine Geschlechtsgemeinschaft in unterstem Grund schon hergestellt durch das geschlechtliche Instinktleben, mag es auch erst in der Erfüllung seine wesentliche Intersubjektivität enthüllen. Dabei ist zu beachten, daß auch diese Passivität in den Rahmen der reinen Subjektivität gehört und in phänomenologischer Reduktion als solche erforschbar ist“ (Hua XIV, 405).
Literatur
Sartre, Jean-Paul. 1969. „Le Temps Modernes“, Nr. 274, Aprile 1969, nachgedrückt in: J.-P. Sartre, Situations IX, Mélanges, (1972). Paris: Gallimard.
3. Sekundärliteratur
Bernet, Rudolf. 1997. Husserls Begriff des Phantasiebewusstseins als Fundierung von Freuds Begriff des Unbewußten. In Grundlinien der Vernunftkritik, Hrsg. Christoph Jamme, 277–306. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.
Bernet, Rudolf. 2013. Force–pulsion–désir: une autre philosophie de la psychanalyse, Problèmes & controverses. Paris: Vrin.
Kanzer, Mark. 1981. Freud, Theodor Lipps, and ‚Scientific Psychology‛. Psychoanalytic Quarterly 50(3): 393–410.
Merleau-Ponty, Maurice. 1945. Phänomenologie der Wahrnehmung (1966). Aus dem Französischen übersetzt und eingeführt durch eine Vorrede von Rudolf Boehm. Berlin: de Gruyter,.
Politzer, Georges. 19945. Critique des fondements de la psychologie: La Psychologie et la Psychoanalyse. Paris: PUF.
Ricoeur, Paul. 1965. Die Interpretation. Ein Versuch über Freud. (Originalausgabe: De l’Interprétation. Essai sur Freud. Paris: Edition du Seuil 1965. Erste deutsche Auflage: 1974). Frankfurt a. M., 1996.
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Brudzińska, J. (2019). Einleitung: Die erfahrende Subjektivität im Zugriff der Phänomenologie und der Psychoanalyse. In: Bi-Valenz der Erfahrung. Phaenomenologica, vol 229. Springer, Cham. https://doi.org/10.1007/978-3-030-17929-8_1
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