Zusammenfassung
Nichtübereinstimmung zwischen den Eigenschaften eines physikalischen Objektes und der subjektiven Wahrnehmung dieses Objektes kann erstens Folge des begrenzten Auflösungsvermögens des visuellen Systems sein. Das Auflösungsvermögen kann in räumlicher (z. B. Nichtwahrnehmbarkeit des »Kornes« eines Zeitungsbildes aus einiger Entfernung), zeitlicher (Flicker-Fusion oberhalb von ca. 65 Hz) oder kontrast- oder wellenlängenbezogener Hinsicht begrenzt sein. Zweitens können Täuschungen Nebeneffekte relativ einfacher Filteroperationen sein, mit deren Hilfe das visuelle System die von den Photorezeptoren vermittelten Informationen über die Außenwelt aufbereitet, um ein besseres, d. h. stärkeres Signal zu erhalten, beispielsweise durch Kontrastverschärfung. Eine dritte mögliche Quelle von Wahrnehmungstäuschungen stammt aus der Uneindeutigkeit der dem visuellen System zu Verfügung stehenden Information, auf deren Basis es eine möglichst zutreffende Repräsentation der Sehdinge konstruieren muss.
Diese Nichteindeutigkeit liegt teilweise bereits im Reiz begründet, wie beispielsweise bei der Rekonstruktion (bestimmter) dreidimensionaler Ob jekte auf der Grundlage der beiden zweidimen sionalen Netzhautbilder. Täuschungen können auch durch den Zwang erzeugt werden, im visuellen System die von der Netzhaut gelieferte Information drastisch zu re duzieren, beispielsweise durch Elimination von gleichförmigen Flächen und Betonung der Kon turen (z. B. Craig-Cornsweet-Täuschung). Während viele Wahrnehmungstäuschungen bereits aufgrund der bekannten Ver arbeitungsmechanismen des visuellen Sys tems erklärt werden können, ist für das Verständnis der (neuronalen) Mechanismen einiger anderer eine bessere Kenntnis der Arbeitsweise unseres Kortex erforderlich. Wahrnehmungstäu schungen schärfen unser Bewusstsein dafür, dass eine große Kluft besteht zwischen den Dingen der Welt einerseits und ihrer Repräsentation in unserem Gehirn andererseits. Sie zeigen außerdem, dass wir die Funktionsweise unseres eigenen zentralen Nervensystems bisher nur sehr bedingt verstehen.
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Fahle, M. (2006). Visuelle Täuschungen. In: Karnath, HO., Thier, P. (eds) Neuropsychologie. Springer-Lehrbuch. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/3-540-28449-4_6
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