Auszug
In seinem so beeindruckend autobiographisch durchwirkten Discours de la méthode aus dem Jahre 1637 stellt sich DESCARTES als ein Mann vor, dem in seiner Jugend, neben anderem, der Mangel an Einheitlichkeit der Werke des Menschen Anlass zum Unmut gewesen sei. Um wie viel schöner, so sei seine Überlegung gewesen, könnten Bauten sein, wenn sie auf einen einzigen, von einer und nur einer Person erdachten Plan hin angelegt wären statt im Laufe der Zeit von vielen Personen mit vielen Plänen, und dies gelte ebenso von Städten, politischen Verfassungen sowie wissenschaftlichem Wissen. Der Unübersichtlichkeit einer Vielzahl von handwerklichen, stadtplanerischen, gesetzgebenden oder forschenden Autoren habe er, DESCARTES, die Idee eines Entwurfs ‚aus einer Hand‘ vorgezogen, was sachlich ohne weitere Erläuterung evident sei; man brauche sich nur die „rues courbés et inégales“ (VI, S. 11) vor Augen halten, um die Unterschiede in Schönheit und Vernunft abmessen zu können. Als ein letztes Beispiel ästhetisch oder rational unbezweifelbarer Überlegenheit nur eines einzigen Autors statt derer viele fügt DESCARTES die Polypragmosyne befördernde Vielzahl der kindlichen Bestrebungen und autoritativen Lehrpersonen an, die in vergleichbarer Weise den Geist des aufwachsenden Kindes beschäftigten und verwirrten, wie es Architekten oder Stadtplaner von alters her mit dem Grundriss von Häusern oder Städten täten. Im Gegensatz zu manchen Meinungen zieht DESCARTES daraus aber nicht die Konsequenz auf eine Inferiorität der Kindheit überhaupt!
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Literatur
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Langewand, A. (2008). Instantane Bildung. In: Ehrenspeck, Y., de Haan, G., Thiel, F. (eds) Bildung: Angebot oder Zumutung?. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/3-531-90826-X_1
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