Zusammenfassung
Als B. Wichmann vor mehr als 30 Jahren für das Syndrom einer vegetativen Fehlsteuerung den Terminus vegetative Dystonie (v. D.) vorschlug, ahnte weder er noch irgend jemand, welche Verbreitung und welche Dauer diese Klassifizierung haben würde. Was ist seit dieser Beschreibung im Jahre 1934 gleich geblieben, und was erwies sich als variabel? Völlig gleich geblieben ist das Beschwerdebild der Kranken. Verschoben haben sich nur die Bezeichnungen, die verschiedene Experten für diese vegetativen Fehlsteuerungen vorschlugen. Die Frage, ob es sich bei der v. D. um eine noetische Krankheitseinheit oder um ein Syndrom handelt, ist in letzter Zeit einheitlich in dem Sinne entschieden, daß die v. D. keine Krankheitseinheit repräsentiert, sondern einen Oberbegriff darstellt, etwa wie Entzündung oder Tumor (Delius, Christian, Birkmayer). Mit Recht streng abgegrenzt wird die konstitutionelle vegetative Labilität vom Syndrom v. D. Ein Blutdruckabfall nach längerem Stehen entspricht nicht der v. D., hat auch keinen Krankheitswert, sondern stellt eine Labilität dar, die zur Feststellung einer Tauglichkeit oder Berufseignung vorteilhaft ist (P. Christian). Einheit besteht auch in der Auffassung, wodurch die normale vegetative Regulationsfähigkeit in die pathologische einer v. D. übergehen kann. Psychische Fehlhaltungen können in das Vegetativum projiziert werden, somatische Erkrankungen, etwa eine Tuberkulose, kann zur Irritation des vegetativen Systems führen, und schließlich kann das morphologische Substrat selbst lädiert sein und dadurch eine Funktionswandel erleiden, etwa bei traumatischen oder entzündlichen Hirnstammschäden. Das vegetative System ist nicht nur das Adaptationssystem des Organismus katexochen, sondern der Resonanzboden, auf dem sich Funktionsstörungen anderer Systeme spiegeln. Es reguliert mit gestuften Feed-back-Mechanismen alle Anpassungsleistungen des Organismus.
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Literatur
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Wichmann, B.: Dtsch. med. Wschr., 60 (1934), S. 1500.
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Birkmayer, W. (1969). Der Wandel der vegetativen Dystonie in den letzten zwei Jahrzehnten. In: Zweiundzwanzigste Österreichische Ärztetagung Wien Van-Swieten-Kongreß. Österreichische Ärztetagung, vol 22. Springer, Vienna. https://doi.org/10.1007/978-3-7091-4684-2_36
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