Zusammenfassung
Es ist ein alter Glaube, daß in unberührten Seelen die Götter sich kundtun und die Zukunft der Dinge offenbaren. Hölderlin lebte in solcher fromm behüteten Reinheit und in lauterer Schönheit des Wesens. Wenn der Jüngling auf und nieder ging unter den Genossen des Tübinger Stifts, war es als schritte Apollon durch den Saal. Einem Knaben, der ihn bei den Musikaufführungen dort sah, wie er dastand mit seiner Violine in der Hand, hat sich sein Bild zeitlebens eingeprägt: die regelmäßige Gesichtsbildung und die sanften Züge des Antlitzes, sein schöner Wuchs, der sorgfältige, reinliche Anzug und der Ausdruck des Höheren in der ganzen Erscheinung. Seine vornehme Natur war unendlich empfindlich gegen jede Vulgarität der Gesinnung. Tief unter ihm lagen das gewöhnliche sinnliche Glück und jeder äußere Ehrgeiz. Für sich selbst begehrte er nichts als ein einfaches Schicksal, um genügsam seiner Kunst leben zu können. Nur rein wollte er seine Seele halten. Aus solcher Lauterkeit seines Wesens entsprang das Seherische in ihm.
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Dieses Kapitel ist Teil des Digitalisierungsprojekts Springer Book Archives mit Publikationen, die seit den Anfängen des Verlags von 1842 erschienen sind. Der Verlag stellt mit diesem Archiv Quellen für die historische wie auch die disziplingeschichtliche Forschung zur Verfügung, die jeweils im historischen Kontext betrachtet werden müssen. Dieses Kapitel ist aus einem Buch, das in der Zeit vor 1945 erschienen ist und wird daher in seiner zeittypischen politisch-ideologischen Ausrichtung vom Verlag nicht beworben.
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Dilthey, W. (1922). Friedrich Hölderlin. In: Das Erlebnis und die Dichtung. Vieweg+Teubner Verlag, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-16183-7_5
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-663-16183-7_5
Publisher Name: Vieweg+Teubner Verlag, Wiesbaden
Print ISBN: 978-3-663-15609-3
Online ISBN: 978-3-663-16183-7
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