Zusammenfassung
Dem Mittelalter war der zentralisierte, nach innen und außen souveräne und über alle Mitglieder gleichmäßig herrschende Staat unbekannt. Dennoch bewegte sich das damalige gesellschaftliche Leben in weit festeren Formen als heute, in Formen, in die der einzelne durch Geburt und Beruf gebunden wurde. Es gab keine freie, nur auf sich selbst gestellte Persönlichkeit, nicht den „Menschen an sich“, sondern jeder war und fühlte sich als Glied einer ihn mehr oder weniger schützenden, aber auch beschränkenden Gemeinschaft, die ihm sein äußerliches und inherliches Gepräge verlieh. Der Sensenmann des Holbeinschen „Totentanzes“ tritt nicht den Menschen schlechthin an, sondern den Bauern, Bürger oder Edelmann, den Abt, Bischof oder Papst usw. Selbft das wirtschaftliche Leben war durch die Zugehörigkeit zu einem Geburtsstande bestimmt und in Gilden und Zünften verfaßt, die das freie wirtfchaftliche Ausleben des Jndividuums verhinderten. Die verschiedenen Stände lebten unter Derschiedenem Recht und Gericht und waren alle, wenn auch in höchst verschiedertem Maße, durch das anerkannte Gesetz der Kirche, des Staates und Standes, der Gilde und Zünfte in der freiheit ihres Tun uud Denkens beschränkt sowie durch Abgaben und Dienste an Höhere in sehr ungleicher Weise belastet. Diese mittelalterliche Welt der vielgestaltigen Autoritäten waandelt sich seit der Renaissance immer mehr und auf immer weiteren Gebieten in unsere moderne Welt der individuellen Autonomie. Die Autonomie der religiösen Überzeugung, der Moral, wie des Denkens überhaupt und die liberalsdemokratische Autouomie in Politik und Wirtschaft find der Ausdruck ein uud derfelben Bewegungsrichtung der neuzeitlichen Geschichte, die in den Glaubenskämpfen des 17. Ih. protestantische Freiheit verlangt und die in der Französischen Revolution in den Ruf „freiheit und Gleichheit“ ausbricht, die Kants Staatslehre und seinen kategorischen Imperativ formuliert, durch Herder und Pestalozzi „allgemeine Mettschenerziehung“ fordert und die schließlich auch die „Menschen- und Bürgerrechte„ in der politischen Kultur zu verfassungsmäßiger Anerkennung gebracht hat. Ihr Entstehen verdanken diese letzteren aber nicht einer politischen Revolution, sondern der religiösen Reformation und dem nie erloschenen Bewußtsein von der „teutschen Libertät“, der ständischen Freiheit.
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Literatur
Zu Abschnitt I
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Zu Abschnitt III
Humboldt: Idee zu einem Versuch, die Gremen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen (Reclam).
G. Mayer: Die Trennung der proletarischen von der bürgerlichen Demokratie in Deutschland.
Rousseau: Gesellschaftsvertrag (Reclam).
Meinecke: Weltbürgertum und Nationalstaat.
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Lorenz v. Stein: Geschichte der fsozialen Bewegung (Neudruck 1921).
Lassalle: Arbeiterprogramm (Reclam).
Lenin: Staat und Resolution.
Momberlt: Soziale und wirtschaftspolitische Anschauungen (Wissenschaft und Bildung).
Tönnies: Die Entwicklung der sozialen Frage (Göschen).
Ders.: „Bürgerliche und politische Freiheit“ im Handbuch der Politik I S. 172 ff. (Vgl. den Abfchnitt „Parteien“, „Volk und Staat“, „Geschtchte der Staatstheorien“.).
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Heller, H. (1926). Grundrechte und Grundpflichten. In: Staatskunde. Vieweg+Teubner Verlag, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-15799-1_1
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