Zusammenfassung
Im Beitrag wird der Frage nachgegangen, ob und wie die digitale Medienordnung jenseits der Nationalstaaten gestaltet werden kann. Nach der fundamentalen Institutionalisierung der Presse(freiheit), die den demokratisch-liberalen Staat begründete, entwickelte sich in den Nationalstaaten eine Medien gegenüber zurückhaltende Medienpolitik, zunächst gegenüber dem Radio und sodann bezogen auf das Fernsehen. Medienpolitik unter den Bedingungen eines relativ kleinen Anbietermarktes etablierte eine stabile publizistische Kultur. Mit dem Internet hat sich eine globale Kommunikationsinfrastruktur ausgebildet, die nicht mehr direkt von nationalstaatlichen Akteuren gestaltet werden kann. Durch Social Media-Plattformen kommt es zudem zu einer Vermischung von Individual-, Gruppen-, Organisations- und Massenkommunikation. Zur Regelung verfügt die nationalstaatliche Medienpolitik über kein geschlossenes politisches Instrumentarium und auch kein Gestaltungsleitbild. Im Beitrag wird diskutiert, ob und wie unter den entgrenzten Bedingungen ein Leitbilddiskurs institutionalisiert werden kann. Die Etablierung einer gemeinsam getragenen Verantwortungskultur kann durch die Institutionalisierung „Kommunikationspolitik“ erreicht werden.
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Notes
- 1.
Ich danke Frau Daniela Mahl, M. A., Universität Zürich, jetzt Universität Hamburg, sehr herzlich für die Unterstützung bei der Erarbeitung dieses Textes.
- 2.
Vgl. allgemein: Etzioni, Die Verantwortungsgesellschaft. Individualismus und Moral in der heutigen Demokratie, 1997 sowie die Beiträge in Heidbrink u. a. (Hrsg.), Handbuch Verantwortung, 2017. Vgl. dazu mit Blick auf den Medienwandel: Jarren, Publizistische Verantwortungskultur durch Media Governance, in: Koziol u. a. (Hrsg.), Medienpolitik und Recht. Media Governance, Wahrhaftigkeitspflicht und sachgerechte Haftung, 2017, S. 25. Wassmer u. a., Durch Governance zu einer gemeinsamen Verantwortungskultur?, in: Imhof u. a. (Hrsg.), Demokratisierung durch Social Media?, 2015, S. 78. Jarren, Ordnung durch Verantwortungskultur?, in: Jarren u. a. (Hrsg.), Ordnung durch Medienpolitik?, 2007, S. 283. Jarren u. a., Persönlichkeitsschutz in der Online-Kommunikation am Beispiel von Social Media-Anbietern, in: Berka u. a. (Hrsg.), Persönlichkeitsschutz in elektronischen Massenmedien, 2012, S. 117.
- 3.
Vgl. Altmeppen u. a., Echtzeit-Öffentlichkeiten. Neue digitale Medienordnungen und neue Verantwortungsdimensionen, Communicatio Socialis, 2015, 48. Jg., Heft 4, S. 382.
- 4.
Vgl. Jarren, Neue Medien – Neue Regeln!, in: Czerwick (Hrsg.), Politische Kommunikation in der repräsentativen Demokratie der Bundesrepublik Deutschland, 2013, S. 53.
- 5.
Vgl. Kiefer u. a., Medienökonomik, 2014, S. 75.
- 6.
Vgl. dazu van Laak, Alles im Fluss: Die Lebensadern unserer Gesellschaft – Geschichte und Zukunft der Infrastruktur, 2018. Bei der Institutionalisierung von Radio wie Fernsehen kommen zudem Konflikt- wie Kriegserfahrungen (1. und 2. Weltkrieg; Faschismus; Revolutionserfahrungen) hinzu.
- 7.
Daniel, Beziehungsgeschichten: Politik und Medien im 20. Jahrhundert, 2018.
- 8.
Vgl. dazu Zehnpfennig, Verantwortung in den Medien, in: Heidbrink u. a. (Hrsg.), Handbuch Verantwortung, 2017, S. 697.
- 9.
Vgl. Röper, Zeitungsmarkt 2018: Pressekonzentration steigt rasant, Media Perspektiven, 2018, Heft 5, S. 216.
- 10.
Vgl. dazu aktuell die Überlegungen zu Rundfunk, „Medienplattform“ und „Medienintermediäre“ (wie Suchmaschinen, Social Media etc.) im geplanten „Medienstaatsvertrag“ (nicht mehr: „Rundfunkstaatsvertrag“) der Bundesländer: Medienstaatsvertrag, https://www.rlp.de/fileadmin/rlp-stk/pdf-Dateien/Medienpolitik/Medienstaatsvertrag_Online_JulAug2018.pdf (letzter Zugriff: 02.09.2019). Die Neuvorlage des „Medienstaatsvertrages“ vom 03.07.2019 konnte in diesem Beitrag nicht mehr berücksichtigt werden: https://www.rlp.de/de/landesregierung/staatskanzlei/medienpolitik/beteiligungsverfahren-medienstaatsvertrag/ (letzter Zugriff: 02.09.2019).
- 11.
Dazu: Monopolkommission, Wettbewerb 2018, XXII. Hauptgutachten der Monopolkommission, 2018, S. 390: „(...), dass die traditionellen Medienunternehmen (...) an Meinungsmacht verlieren, während Intermediäre und nicht-publizistische Anbieter mit politischer Relevanz möglicherweise über teils erhebliche Meinungsmacht verfügen können. Hintergrund dieser Annahme ist, dass Intermediäre Netzwerke für die öffentliche Kommunikation bereitstellen und kontrollieren, durch die sie, etwa durch Techniken der strategischen Kommunikation sowie der algorithmischen Selektion, intendierte Wirkungen erzielen können“.
- 12.
Vgl. Schulz u. a., Die Macht der Informationsintermediäre, 2016.
- 13.
Unter ökonomischen wie sozialen (Macht-)Aspekten diskutieren diese Thematik Lobigs u. a., Meinungsmacht im Internet und die Digitalstrategien von Medienunternehmen, 2018.
- 14.
Vgl. Löblich, Legitimität in der Medienpolitik, Publizistik, 2017, Heft 4, S. 425.
- 15.
- 16.
Aufgrund der Besonderheiten des Politikfeldes wird in der Forschung der Ansatz Media Governance betont, zumal auch andere als staatliche Akteure mitwirken. Vgl. dazu Donges (Hrsg.), Von der Medienpolitik zur Media Governance?, 2007.
- 17.
Vgl. dazu Latzer u. a., Selbst- und Ko-Regulierung im Mediamatiksektor, 2002.
- 18.
Vgl. Jarren u. a., Medienpolitik, in: Schmidt u. a. (Hrsg.), Regieren in der Bundesrepublik Deutschland, 1992, S. 385.
- 19.
Das Konzept Kommunikationspolitik wurde bereits in den 70er Jahren in der Kommunikationswissenschaft diskutiert, ohne sich bislang durchgesetzt zu haben. Ohne weitere Nachweise hier wesentliche Beteiligte: Glotz, Langenbucher, Ronneberger, Saxer, Kepplinger, Kopper, Tonnemacher. Neu wird Kommunikationspolitik unter Media Governance diskutiert: vgl. dazu Puppis, Einführung in die Medienpolitik, 2010, wie aktuell Katzenbach, Die Regeln digitaler Kommunikation, 2017.
- 20.
Werbung muss bekanntlich von redaktionellen journalistischen Beiträgen unterscheidbar sein. Gleiches sollte für PR-Beiträge oder Corporate Publishing-Mitteilungen gelten. Die bewährten Trennungsnormen sollten auch für Plattformen wie Intermediäre gelten.
- 21.
Neben Forschungsprogrammen ist es sinnvoll, dass Forschungseinrichtungen auf Dauer etabliert werden. Beispiel für eine private Initiative: Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft (https://www.hiig.de/.) Eine erste öffentliche Bundesnitiative ist das „Weizenbaum-Institut für die vernetzte Gesellschaft. Das deutsche Internetinstitut“ (https://vernetzung-und-gesellschaft.de) in Berlin.
- 22.
Vgl. Sell, Kommunikationsfreiheit: Theorie und Analyse emanzipatorischer Diskurse im Kontext medientechnologischer Entwicklungsprozesse, 2016 (Dissertation).
- 23.
Bühl, Verantwortung für soziale Systeme: Grundzüge einer globalen Gesellschaftsethik, 1998, S. 13.
- 24.
Vgl. Sombetzki, Verantwortung als Begriff, Fähigkeit, Aufgabe. Eine Drei-Ebenen-Analyse, 2014. Vgl. auch Altmeppen u. a., Nur Kommunikation macht Verantwortung sichtbar. Zur kommunikativen Grundlegung gesellschaftlicher Verantwortung von Unternehmen aus Sicht der Kommunikationswissenschaft, in: Backhaus-Maul u. a. (Hrsg.), Gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen in Deutschland. Ein Kompendium zur Erschließung eines sich entwickelnden Themenfeldes, 2017, S. 235.
Literatur
Klaus-Dieter Altmeppen/Christoph Bieber/Alexander Filipović/Jessica Heesen, Echtzeit-Öffentlichkeiten. Neue digitale Medienordnungen und neue Verantwortungsdimensionen, Communicatio Socialis, 2015, 48. Jg., Heft 4, S. 382.
Klaus-Dieter Altmeppen/Isabel Bracker, Nur Kommunikation macht Verantwortung sichtbar. Zur kommunikativen Grundlegung gesellschaftlicher Verantwortung von Unternehmen aus Sicht der Kommunikationswissenschaft, in: Holger Backhaus-Maul/Martin Kunze/Stefan Nährlich (Hrsg.), Gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen in Deutschland. Ein Kompendium zur Erschließung eines sich entwickelnden Themenfeldes, 2017, S. 235.
Walter L. Bühl, Verantwortung für soziale Systeme: Grundzüge einer globalen Gesellschaftsethik, 1998.
Ute Daniel, Beziehungsgeschichten: Politik und Medien im 20. Jahrhundert, 2018.
Patrick Donges (Hrsg.), Von der Medienpolitik zur Media Governance?, 2007.
Amitai Etzioni, Die Verantwortungsgesellschaft. Individualismus und Moral in der heutigen Demokratie, 1997.
Ludger Heidbrink/Claus Langbehn/Janina Loh (Hrsg.), Handbuch Verantwortung, 2017.
Otfried Jarren, Ordnung durch Verantwortungskultur?, in: Otfried Jarren/Patrick Donges (Hrsg.), Ordnung durch Medienpolitik?, 2007, S. 283.
Otfried Jarren, Neue Medien – Neue Regeln! Publizistische Verantwortungskultur durch Diskurse, in: Edwin Czerwick (Hrsg.), Politische Kommunikation in der repräsentativen Demokratie der Bundesrepublik Deutschland, 2013, S. 53.
Otfried Jarren, Publizistische Verantwortungskultur durch Media Governance, in: Helmut Koziol/Josef Seethaler/Thomas Thiede (Hrsg.), Medienpolitik und Recht. Media Governance, Wahrhaftigkeitspflicht und sachgerechte Haftung, 2017, S. 25.
Otfried Jarren/Patrick Donges, Medienpolitik: Zwischen Politikverzicht, parteipolitischer Interessenwahrung und transnationalen Einflüssen, in: Manfred G. Schmidt/Reimut Zohlnhöfer (Hrsg.), Regieren in der Bundesrepublik Deutschland, 1992, S. 385.
Otfried Jarren/Christian Wassmer, Persönlichkeitsschutz in der Online-Kommunikation am Beispiel von Social Media-Anbietern – Durch regulierte Selbstregulierung zu einer Kultur der Selbstverantwortung, in: Walter Berka/Christoph Grabenwarter/Michael Holoubek (Hrsg.), Persönlichkeitsschutz in elektronischen Massenmedien, 2012, S. 117.
Christian Katzenbach, Die Regeln digitaler Kommunikation, 2017.
Marie Luise Kiefer/Christian Steininger, Medienökonomik, 2014.
Dirk van Laak, Alles im Fluss: Die Lebensadern unserer Gesellschaft – Geschichte und Zukunft der Infrastruktur, 2018.
Michael Latzer/Natscha Just/Florian Sauerwein/Peter Slominski, Selbst- und Ko-Regulierung im Mediamatiksektor, 2002.
Frank Lobigs/Christoph Neuberger, Meinungsmacht im Internet und die Digitalstrategien von Medienunternehmen, 2018.
Maria Löblich, Legitimität in der Medienpolitik, Publizistik, 2017, Heft 4, S. 425.
Medienstaatsvertrag, https://www.rlp.de/fileadmin/rlp-stk/pdf-Dateien/Medienpolitik/Medienstaatsvertrag_Online_JulAug2018.pdf (letzter Zugriff: 02.09.2019).
Monopolkommission, Wettbewerb 2018, XXII. Hauptgutachten der Monopolkommission, 2018.
Manuel Puppis, Einführung in die Medienpolitik, 2. Auflage, 2010.
Horst Röper, Zeitungsmarkt 2018: Pressekonzentration steigt rasant, Media Perspektiven, 2018, Heft 5, S. 216.
Wolfgang Schulz/Kevin Dankert, Die Macht der Informationsintermediäre, 2016.
Saskia Sell, Kommunikationsfreiheit: Theorie und Analyse emanzipatorischer Diskurse im Kontext medientechnologischer Entwicklungsprozesse, 2016 (Dissertation).
Nina Sombetzki, Verantwortung als Begriff, Fähigkeit, Aufgabe: Eine Drei-Ebenen-Analyse, 2014.
Gerhard Vowe, Medienpolitik – Regulierung der medialen öffentlichen Kommunikation, in: Günter Bentele/Hans-Bernd Brosius/Otfried Jarren (Hrsg.), Öffentliche Kommunikation, 2003, S. 210.
Christian Wassmer/Otfried Jarren, Durch Governance zu einer gemeinsamen Verantwortungskultur? Regelstruktur und Nutzerbeteiligung bei ausgewählten Social-Media-Anbietern im Vergleich, in: Kurt Imhof/Roger Blum/Heinz Bonfadelli/Otfried Jarren (Hrsg.), Demokratisierung durch Social Media?, 2015, S. 78.
Barbara Zehnpfennig, Verantwortung in den Medien, in: Ludger Heidbrink/Claus Langbehn/Janina Loh (Hrsg.), Handbuch Verantwortung, 2017, S. 697.
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Jarren, O. (2020). Verantwortungskultur in der Kommunikationsgesellschaft: Kommunikationspolitik – als Ansatz zur Ausgestaltung der digitalen Medienwelt. In: Seibert-Fohr, A. (eds) Entgrenzte Verantwortung. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-60564-6_12
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