Zusammenfassung
Der technologische Wandel um die zunehmende Digitalisierung ist in aller Munde. Verbunden und diskutiert werden damit tiefgreifende Veränderungen, die alle Gesellschaftsbereiche von Wirtschaft über Politik und Bildung bis hin zur staatlichen Verwaltung ebenso wie soziale Interaktionen im Privaten betreffen. Dabei stehen in vielen Diskussionen die Auswirkungen auf die Arbeit im Mittelpunkt der Überlegungen. Der vorliegende Beitrag zeichnet die Diskussionen um den Wandel der Arbeit mit dem Schwerpunkt auf Genderaspekte nach und diskutiert die Frage, ob und wenn ja welche Potenziale die Digitalisierung für mehr Geschlechtergerechtigkeit birgt. Auf der Grundlage vergangener Diskurse, die mit einer Betrachtung der Geschlechterverhältnisse im historischen Kontext von „Industrie 2.0“ und „3.0“ geführt wurden und die gesellschaftliche Verteilungsfragen zwischen den Geschlechtern mitbestimmt haben, werden die wesentlichen Fragen und Problemlagen herausgearbeitet, die für die aktuelle Diskussion um Digitalisierung in Verbindung mit Gender Relevanz haben. Vor diesem Hintergrund wird der gegenwärtige stark technikzentrierte Diskurs um die „Industrie 4.0“ kritisch beleuchtet. Inwieweit werden bestehende Rollenstereotypen für Männer und Frauen aufgebrochen und in den Überlegungen berücksichtigt? Wo zeigen sich neue oder bereits bekannte Aspekte und Dimensionen mit Relevanz für die Geschlechterverhältnisse? In diesem Kontext wird analysiert wie Geschlechterfragen in aktuellen Diskussionen verhandelt werden und aufgezeigt, welchen Mehrwert die Frage nach Geschlechtergerechtigkeit für den Diskurs über Gerechtigkeitsfragen generell mit Blick auf eine „Gesellschaft 4.0“ birgt.
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Notes
- 1.
Bei den Männern im Alter von 15 bis unter 65 Jahren lag die Erwerbstätigenquote 2017 mit 78,9 Prozent ebenfalls deutlich über dem Durchschnitt der EU-Staaten von 72,9 Prozent (Bundesagentur für Arbeit 2018, S. 7).
- 2.
MINT steht für Mathematik, Naturwissenschaften, Informatik und Technikwissenschaften .
- 3.
Für weitere Informationen siehe den dazugehörigen Internetauftritt unter: https://www.komm-mach-mint.de/.
- 4.
Der unbereinigte Gender Pay Gap für Deutschland lag im Jahr 2016 bei rund 21 Prozent. Im europäischen Vergleich weist Deutschland damit den dritthöchsten Wert auf. Am geringsten fiel der Unterschied zwischen den Bruttostundenverdiensten von Frauen und Männern mit jeweils 5 Prozent in Rumänien und Italien aus (Statistisches Bundesamt 2018, S. 44).
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Leicht-Scholten, C., Bouffier, A. (2020). Mind the Gap – Industrie 4.0 trifft Gender. In: Frenz, W. (eds) Handbuch Industrie 4.0: Recht, Technik, Gesellschaft. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-58474-3_63
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