FormalPara Synonym(e)

Permanente Mischfeld-Polyagglutinabilität

FormalPara Englischer Begriff

Tn polyagglutination

FormalPara Definition

Erworbene und zumeist persistierende Eigenschaft von Erythrozyten, die nach Aktivierung des Tn-Kryptantigens auf der Erythrozytenoberfläche, von der Majorität der AB0-kompatiblen Seren agglutiniert werden.

FormalPara Beschreibung

Die Tn-Polyagglutinabilität ist eine durch veränderte Glykostrukturen auf der Erythrozytenoberfläche entstehende Eigenschaft von Erythrozyten, die zu einer Agglutination der Erythrozyten mit den meisten AB0-Blutgruppen-kompatiblen Seren führt. Verantwortlich für diese Polyagglutinabilität ist ein Antikörper der Spezifität Anti-T, der sich im Blut fast aller Erwachsenen, nicht aber in Nabelschnurvenenblut findet. Im Gegensatz zur T-Polyagglutinabilität, die temporär bei Infektion mit Neuraminidase-bildenden Bakterien auftreten kann, ist die Tn-Polyagglutinabilität, von wenigen Ausnahmen abgesehen, persistierend und durch das Fehlen einer bakteriellen Infektion gekennzeichnet. Sie kann mit hämolytischer Anämie, Leuko- und Thrombozytopenie einhergehen und scheint mit malignen hämatologischen Systemerkrankungen assoziiert zu sein, tritt aber auch bei gesunden Menschen auf.

Die Erstbeschreibung der Tn-Polyagglutinabilität erfolgte im Jahr 1957 durch Moreau und Jean Dausset (1916–2009), die eine Polyagglutinabilität von Patientenerythrozyten mit fast allen AB0-Blutgruppen-kompatiblen Erwachsenenseren (AB0-Blutgruppensystem), nicht aber mit Nabelschnurvenenblut zeigten. Als Antikörper konnte ein kältereaktiver IgM-Antikörper der Spezifität Anti-Tn identifiziert werden, der gegen das Tn-Antigen gerichtet ist. Dieses Antigen gehört zu der Gruppe der erythrozytären Kryptantigene (s. Kryptantigen), die erst durch Modifikation der Erythrozytenoberfläche freigesetzt und dem Immunsystem präsentiert werden.

Das immunodominante Epitop des Tn-Antigens ist ein O-glykosidisch proteingebundener α-N-Acetylgalaktosaminrest, der durch eine mangelnde Galaktosylierung des Thomsen-Friedenreich-Antigens Galaktose-β1,3-N-Acetyl-Galaktosamin-α1-O-Threonin/Serin-Protein entsteht. Als ursächlich für die fehlende Addition des Galaktose-Moleküls wird eine Inaktivierung der Genexpression der Galaktosyltransferase angenommen, die die Übertragung der Galaktose von UDP-Galaktose auf den N-Acetyl-Galaktosaminrest katalysiert. Diese entsteht wahrscheinlich durch eine somatische Mutation in einer hämatopoetischen Stammzelle, die zu klonalen Veränderungen führt.

Tn-Antigen-positive und Tn-Antigen-negative Zellpopulationen können koexistieren, was die bei Versetzen der Erythrozyten mit Anti-Tn-Antikörpern frequent zu beobachtende Mischfeldagglutination erklärt. Antikörper der Spezifität Anti-Tn finden sich im Blut annähernd aller Erwachsenen, während sie in Nabelschnurvenenblut nicht nachgewiesen werden können. Im Gegensatz zur temporären T-Polyagglutinabilität sind bei Trägern des Tn-Antigens keine Anti-Tn-Antikörper nachweisbar.

Die Diagnose der Tn-Polyagglutinabilität erfolgt über Nachweis des erythrozytären Tn-Antigens durch Lektine aus Salvia sclarea, Salvia hormium und Glycine soja, die zu der für die Tn-Polyagglutinabilität typische Mischfeldagglutination führen. Eine Methode, das Tn-Antigen in vitro zu aktivieren, ist bislang nicht bekannt. Eine Inkubation der Erythrozyten mit Proteasen wie Papain oder Bromelin zerstört das Tn-Antigen, in deren Folge die Polyagglutinabilität verschwindet. Im Gegensatz zur T-Polyagglutinabilität, bei der es bei transfundierten Spendererythrozyten durch die bakteriellen Neuraminidasen zu einer Aktivierung des T-Antigens kommen kann, werden Tn-Antigen-negative Spendererythrozyten nie Tn-Antigen positiv und zeigen eine normale Lebensdauer.