Zusammenfassung
In diesem Beitrag prüfe ich, ob der Vorwurf eines „fundamental androzentristischen Blicks“ in der Volkswirtschaftslehre noch immer zutreffend ist. Laut Friederike Maier (1993) behandelten frühere Einführungsbücher in die VWL überwiegend geschlechtslose Wirtschaftssubjekte und erwähnten Frauen bestenfalls als besondere Gruppe. Ist diese Diagnose noch aktuell? Basierend auf Theorie und Evidenz der psycho-linguistischen Forschung zur Wirkungsweise geschlechtlicher Sprache und Kontexte auf die wahrgenommene Geschlechter-Repräsentation – und inspiriert durch den so genannten Bechdel-Test auf frauenfeindliche Filme – untersuche ich diese Frage mit einem Gender-Test. Demnach muss eine geschlechtersensible Publikation drei Bedingungen erfüllen: 1) Die Autor*innen erkennen sprachlich an, dass es (mindestens) zwei Geschlechter gibt, 2) sie berücksichtigen relevante Lebenssituationen und thematisieren die Kategorie Geschlecht dort inhaltlich, 3) und zwar nicht nur dadurch, dass sie Geschlechterklischees reproduzieren, indem sie beispielsweise immer Männer als Referenz- und Frauen als Problemgruppe betrachten. Diesen Test habe ich auf die acht populärsten Einführungsbücher in die VWL angewendet. Das Ergebnis meiner Sichtung ist gemischt, sowohl bezüglich der verwendeten Sprache als auch bezüglich des Inhalts. Meine Schlussfolgerung ist, dass traditionelle Geschlechterrollenbilder in vielen ökonomischen Standardwerken zwar nicht mehr aktiv erzeugt, aber doch passiv geduldet werden.
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Preview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Literatur
Baßeler, U., Heinrich, J., & Utecht, B. (2010). Grundlagen und Probleme der Volkswirtschaft (19. Aufl.). Köln: Wirtschaftsverlag Bachem.
Beblo, M. (2015). Bekommt das Wirtschaftssubjekt ein Geschlecht? In M. Beblo, A.-H. Carl, C. Gather & D. Schmidt (Hrsg.), Friederike matters – eine kommentierte Werkschau (S. 13–17). Berlin: Harriet Taylor Mill-Institut. Discussion Paper 26. http://www.harriet-taylor-mill.de/images/docs/discuss/DiscussionPaper26.pdf. Zugegriffen: 24. Juni 2019.
Beblo, M., & Markowsky, E. (2016). Macht es einen Unterschied? Ein ökonomischer Blick auf die Geschlechtlichkeit von Sprache. Wirtschaftsdienst, 96 (1), 60–63.
Bofinger, P. (2011, 2015). Grundzüge der Volkswirtschaftslehre: eine Einführung in die Wissenschaft von Märkten (3./4. Aufl.). Hallbergmoos: Pearson.
Boroditsky, L., Schmidt, L. A., & Phillips, W. (2003). Sex, syntax, and semantics. In D. Gentner & S. Goldin-Meadow (Eds.), Language in mind: Advances in the study of language and thought (S. 61–79). Cambridge, MA, US: MIT Press.
Braun, F., Sczesny, S., & Stahlberg, D. (2005). Cognitive effects of masculine generics in German: An overview of empirical findings. Communications, 30 (1), 1–21.
Hemmes, A. (8. November 2013). Frauen, die mit Frauen sprechen. Süddeutsche Zeitung. http://www.sueddeutsche.de/kultur/bechdel-test-in-schwedischen-kinos-frauen-die-mit-frauen-sprechen-1.1813032. Zugegriffen: 24. Juni 2019.
Irmen, L. & Linner, U. (2005). Die Repräsentation generisch maskuliner Personenbezeichnungen: Eine theoretische Integration bisheriger Befunde. Zeitschrift für Psychologie, 213, 167–175.
Krugman, P., & R. Wells (2010, 2017). Volkswirtschaftslehre (1./2. Aufl.). Stuttgart: Schäffer-Poeschel.
Maier, F. (1993). Das Wirtschaftssubjekt hat (k)ein Geschlecht! In U. Regenhard, F. Maier, & A.-H. Carl (Hrsg.), Ökonomische Theorien und Geschlechterverhältnis. Der männliche Blick der Wirtschaftswissenschaft (S. 15–39). Berlin: edition sigma.
Mankiw, N. G., & Taylor, M. P. (2012, 2018). Grundzüge der Volkswirtschaftslehre (5./6. Aufl.). Schäffer-Poeschel: Stuttgart.
Neubäumer, R., Hewel, B., & Lenk, T. (Hrsg.) (2011, 2017). Volkswirtschaftslehre: Grundlagen der Volkswirtschaftstheorie und Volkswirtschaftspolitik (5./6. Aufl.). Wiesbaden: Springer Gabler.
Piekenbrock, D., & Hennig, A. (2013). Einführung in die Volkswirtschaftslehre und Mikroökonomie (2. Aufl.). Heidelberg/Berlin: Springer.
Samuelson, P. A., & Nordhaus, W. D. (2010, 2016). Volkswirtschaftslehre. Das internationale Standardwerk der Makro- und Mikroökonomie (4./5. Aufl.). Landsberg am Lech: mi-Fachverlag / München: FinanzBuch Verlag.
Stevenson, B., & Zlotnick, H. (2018). Representations of Men and Women in Introductory Economics Textbooks. AEA Papers and Proceedings, 108, 180–185.
Weitz, B. O., & Eckstein, A. (2015). VWL Grundwissen (4. Aufl.). Freiburg/München: Haufe-Lexware.
Wiese, H. (2014). Mikroökonomik: Eine Einführung (6. Aufl.). Berlin/Heidelberg: Springer.
Author information
Authors and Affiliations
Corresponding author
Editor information
Editors and Affiliations
Rights and permissions
Copyright information
© 2020 Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature
About this chapter
Cite this chapter
Beblo, M. (2020). Gender in VWL-Lehrbüchern. In: Fridrich, C., Hedtke, R., Ötsch, W. (eds) Grenzen überschreiten, Pluralismus wagen – Perspektiven sozioökonomischer Hochschullehre . Sozioökonomische Bildung und Wissenschaft. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-29642-1_10
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-29642-1_10
Published:
Publisher Name: Springer VS, Wiesbaden
Print ISBN: 978-3-658-29641-4
Online ISBN: 978-3-658-29642-1
eBook Packages: Social Science and Law (German Language)