Zusammenfassung
Wenn in diesem Beitrag von schwelenden Themen zwischen erziehungswissenschaftlicher Jugendforschung und Jugendpolitik gesprochen wird, dann soll die Aufmerksamkeit auf Herausforderungen gelegt werden, die seit Jahren in diesem Verhältnis nur latent thematisiert werden. Es sind Themen, die sich u. E. jenseits der Konjunkturen in einer Gegenwartsgesellschaft als Kristallisationspunkte von erziehungswissenschaftlicher Jugendforschung und Jugendpolitik erweisen, für die aber in dem aktuellen Verhältnis von erziehungswissenschaftlicher Jugendforschung und Jugendpolitik und seiner Gegenwartsbezogenheit des Macht- und Transfergefüges nur schwer ein grundlegender Spannungsbogen aufgebaut werden kann.
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Notes
- 1.
Diese Dreidimensionierung geht auf die us-amerikanische politische Sozialisationsforschung zurück. Nach Rohe 1978 bezeichnet „Policy“ die inhaltliche Dimension von Politik, d. h. die Bearbeitung von gesellschaftlichen Problemen durch eine bestimmte Politik (etwa Bildungspolitik); „Politics“ meint den Prozess der Auseinandersetzung um diese Politikinhalte, die in pluralen Gesellschaften notwendig und legitim sind; „Polity“ steht dann für die gesellschaftliche Rahmung, innerhalb derer politics und policy stattfinden, d. h. den konflikthaften Kampf um Macht und Einfluss, der seinerseits durch Regeln kanalisiert wird – gemeinsame Reglungen gemeinsamer Angelegenheiten sind das Ergebnis demokratischer Auseinandersetzungen (Rohe 1978; Bock und Reinhardt 2010) – wird häufig auch als „Kompromiss“ im politischen Wortabschlag bezeichnet und nicht selten zur Begründung von scheinbar irritierenden Entscheidungen herangezogen.
- 2.
Mit dem „Macht- und Tranfergeflecht“ nehmen wir einen Hinweis aus der Intersektionalitätsforschung auf, d. h. es geht um die ‚Repräsentationsregime‘, in denen sich gesellschaftliche Gruppen wiederfinden – oder eben nicht wiederfinden. Dieses Macht- und Transfergeflecht ist sowohl in sozialen Strukturen, Institutionen und Organisationen, symbolischen Ordnungssystemen wie in sozialen Praktiken und Subjektformationen auf allen Ebenen enthalten (ausf.: Walgenbach 2014).
- 3.
Mit „gesellschaftlicher Jugendpolitik“ meinen wir die Idee, dass eine gemeinsam geteilte, partizipativ orientierte, politisch öffentlich selbstverständliche und selbstwirksame Jugendpolitik entwickelt wird, die nicht mehr länger „für die Jugend“, sondern mit bzw. von der jeweiligen Jugendgeneration selbstbestimmt und eigenwillig/eigensinnig entworfen wird und öffentlichkeitswirksam zur Debatte steht.
Literatur
AGJ 2018 (Hrsg.). Im Fokus: Jugendpolitik/Jugendstrategie. Forum Jugendhilfe, 4.
Arnold, H. (2002). Ausbildung, Arbeit und Beschäftigung. In W. Schröer, N. Struck & M. Wolff (Hrsg.), Handbuch Kinder- und Jugendhilfe (S. 211–242). Weinheim und München: Juventa.
Bernfeld, S. (1925). Sisyphos oder die Grenzen der Erziehung. Leipzig, Wien, Zürich: Psychoanalytischer Verlag.
BMFSFJ (2017). 15. Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung. https://www.bmfsfj.de/blob/115438/d7ed644e1b7fac4f9266191459903c62/15-kinder-und-jugendbericht-bundestagsdrucksache-data.pdf. Zugegriffen: 29.8.2019.
Bock, K. (2000). Politische Sozialisation in der Drei-Generationen-Familie. Opladen: Leske + Budrich.
Bock, K. (2013). Biographisierung oder Institutionalisierung der Kindheit? Mögliche Forschungsperspektiven aus sozialpädagogischer Sicht. In C. Wustmann, A. Karber & A. Giener (Hrsg.), Kindheit aus sozialwissenschaftlicher Perspektive (S. 23–34). Graz: Grazer Universitätsverlag.
Bock, K., & Reinhardt, S. (2010). Jugend und Politik. In C. Grunert, H.-H. Krüger (Hrsg.), Handbuch Kindheits- und Jugendforschung (S. 806–829). Wiesbaden: VS für Sozialwissenschaften.
Bock, K., & Schröer, W. (2008). Jugend und Generationengerechtigkeit. Ein zukunftsfähiges Konzept? In G. Bingel, A. Nordmann & R. Münchmeier (Hrsg.), Die Gesellschaft und ihre Jugend (S. 123–135). Opladen & Farmington Hills: Barbara Budrich.
Böhnisch, L. (1982). Der Sozialstaat und seine Pädagogik: sozialpolitische Anleitungen zu Sozialarbeit. Neuwied: Luchterhand.
Böhnisch, L. (1996). Pädagogische Soziologie. Eine Einführung. Weinheim und München: Juventa.
Conrads, M. (2008). Was ist die Kontrollgesellschaft? https://www.fluter.de/was-ist-die-kontrollgesellschaft (abgerufen am 31.8.2019).
Deleuze, G. (2017 [1995]): Unterhandlungen 1972-1990. Frankfurt a.M.: Suhrkamp.
Erikson, E. (1970). Jugend und Krise. Stuttgart: Klett-Cotta.
Eßer, F., Schröer, W. (2019). Infrastrukturen der Kindheiten – ein transorganisationaler Zugang. Zeitschrift für Soziologie der Erziehung und Sozialisation, 39 (2), S. 119–133.
Havighurst, R. J. (1951). Development Tasks and Education. New York: Longmans.
Hering, S., & Münchmeier, R. (2000). Geschichte der sozialen Arbeit. Weinheim und München: Juventa.
Hornstein W. (1982). Jugendprobleme, Jugendforschung und politisches Handeln. In W. Hornstein (1999), Jugendforschung und Jugendpolitik (S. 113–166). Weinheim und München: Juventa.
Hornstein, W. (1996). Jugend Macht Zukunft. In W. Hornstein (1999), Jugendforschung und Jugendpolitik (S. 417–432). Weinheim und München: Juventa.
Hornstein, W. (2004). Jugendpolitik – wider ihren Ruf verteidigt. Walter Hornstein im Gespräch mit Werner Schefold und Wolfgang Schröer. Diskurs, 2, S. 45–55.
Kelle, H. (Hrsg.) (2010). Kinder unter Beobachtung. Kulturanalytische Studien zur pädiatrischen Entwicklungsdiagnostik. Opladen, farmington Hills: Budrich.
Köhler, T. (2002): Jugendgenerationen im Vergleich: Konjunkturen des (Non-)Konformismus. Aus Politik und Zeitgeschichte, B5, S. 7–13.
Lenz, K. (1998). Zur Biografisierung der Jugend. Befunde und Konsequenzen. In L. Böhnisch, M. Rudolph & B. Wolf (Hrsg.), Jugendarbeit als Lebensort (S. 51–74). Weinheim und München: Juventa.
Lüders, C. (2018). Politik für die Lebenslage Jugend. Politik für, mit und von Jugend. Forum Jugendhilfe, 4, S. 10–15.
Mannheim, K. (1928). Das Problem der Generationen. Vierteljahreszeitschrift für Soziologie, 7, S. 157–185.
Mollenhauer, K. (2001 [1964]). Einführung in die Sozialpädagogik. Weinheim und Basel: Juventa.
Mollenhauer, K. (1966). Was ist Erziehungswissenschaft? deutsche jugend, 01–12, S. 207–212.
Nave-Herz, R. (1989). Jugend: Historische Gestalt, Generation. In R. Nave-Herz & M. Markefka (Hrsg.), Handbuch der Familien- und Jugendforschung, Bd. 2: Jugendforschung (S. 135–144). Neuwied und Frankfurt a. M.: Luchterhand.
Olk, Th., (1989). Jugend an den Grenzen der Moderne. In W. Breyvogel (Hrsg.), Pädagogische Jugendforschung (S. 31–48). Opladen: Leske + Budrich.
Peukert, D.J.K. (1987). Die Weimarer Republik. Krisenjahre der Klassischen Moderne. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.
Preyer, G. (2006): Soziologische Theorie der Gegenwartsgesellschaft 2: Lebenswelt, system, Gesellschaft. Wiesbaden: SpringerVS.
Rauschenbach, Th. (1998). Generationenverhältnisse im Wandel. In J. Ecarius (Hrsg.), Was will die jüngere mit der älteren Generation? (S. 13–40). Opladen: Leske + Budrich.
Reinders, H. (2006). Jugendtypen zwischen Bildung und Freizeit. Münster: Waxmann.
Rohe, K. (1978). Politik. Begriffe und Wirklichkeiten. Stuttgart: Kohlhammer.
Sachße, Ch. (2018). Die Erziehung und ihr Recht Vergesellschaftung und Verrechtlichung von Erziehung in Deutschland 1870-1990. Weinheim und Basel: Beltz Juventa.
Schefold, W. (2002). Hilfeprozesse und Hilfeverfahren. In W. Schröer, N. Struck & M. Wolff (Hrsg.), Handbuch Kinder- und Jugendhilfe (S. 1085–1112). Weinheim und München: Juventa.
Schierbaum, A. (2018). Herausforderungen im Jugendalter. Weinheim und Basel: BeltzJuventa.
Smart, C. (2007). Personal life. Cambridge: Polity Press.
Schröer, W. (1999). Sozialpädagogik und die soziale Frage. Weinheim und München: Juventa.
Schröer, W. (2004). Befreiung aus dem Moratorium. Zur Entgrenzung von Jugend. In K. Lenz, W. Schröer & W. Schefold (Hrsg.), Entgrenzte Lebensbewältigung (S. 19–73). Weinheim und München: Juventa.
Schröer, W. (2013). Entgrenzung, Übergänge, Bewältigung. In W. Schröer, B. Stauber, A. Walther, L. Böhnisch & K. Lenz (Hrsg), Handbuch Übergänge (S. 64–79). Weinheim und Basel. Beltz Juventa.
Schröer, W., & Struck, N. (2019). Kinder- und Jugendpolitik. In P. Bollweg, Th. Coelen, & H.-U. Otto (Hrsg.), Handbuch Ganztagsbildung. Wiesbaden: Springer VS (i.E.).
Stauber, B., & Walther, A. (2002). Junge Erwachsene. In W. Schröer, N. Struck & M. Wolff (Hrsg.), Handbuch Kinder- und Jugendhilfe (S. 113–147). Weinheim und München: Juventa.
Thiersch, H. (1986). Die Erfahrung der Wirklichkeit. Weinheim und München: Juventa.
Thiersch, H. (1992). Lebensweltorientierte Soziale Arbeit. Weinheim: Juventa.
Walgenbach, K. (2014). Heterogenität – Intersektionalität – Diversity in der Erziehungswissenschaft. Opladen: Budrich.
Walther, A. (2000). Spielräume im Übergang in die Arbeit. Junge Erwachsene an den Grenzen der Arbeitsgesellschaft in Großbritannien, Italien und Deutschland. Weinheim und München: Juventa.
Walther, A., Stauber, B., Biggart, A., du Bois-Reymond, M., Furlong, A., López Blasco, A., Moerch, S., & Pais, J.M. (Hrsg.) (2002). Misleading Trajectories – Integration Policies for Young Adults in Europe. Opladen: Leske & Budrich.
Author information
Authors and Affiliations
Corresponding author
Editor information
Editors and Affiliations
Rights and permissions
Copyright information
© 2020 Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature
About this chapter
Cite this chapter
Bock, K., Schröer, W. (2020). Schwelende Themen zwischen erziehungswissenschaftlicher Jugendforschung und „gesellschaftlicher“ Jugendpolitik – Generationalität, Institutionalisierung & Jugendrechte. In: Grunert, C., Bock, K., Pfaff, N., Schröer, W. (eds) Erziehungswissenschaftliche Jugendforschung. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-27612-6_14
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-27612-6_14
Published:
Publisher Name: Springer VS, Wiesbaden
Print ISBN: 978-3-658-27611-9
Online ISBN: 978-3-658-27612-6
eBook Packages: Social Science and Law (German Language)