Zusammenfassung
Der Beitrag hinterfragt die These, das deutsche DRG-System sei eine ‚Erfolgsgeschichte‘ weil es die mit der DRG-Einführung verbundenen Ziele erreicht habe. Die vom Gesetzgeber vorgegebenen Ziele werden vorgestellt und es wird für jedes Ziel der Grad der Zielerreichung analysiert. Es wird zudem geprüft, ob und inwieweit das DRG-System, wie von seinen Protagonisten behauptet, ein ‚leistungsorientiertes‘ Vergütungssystem ist, in dem der Grundsatz ‚Geld folgt der Leistung‘ bzw. ‚Gleicher Preis für gleiche Leistung‘ verwirklicht wird. Die kritische Überprüfung führt zu dem Ergebnis, dass das deutsche DRG-System weder die vorgegebenen Ziele erreicht hat noch als leistungsgerecht gelten kann.
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Notes
- 1.
So wiesen Mitarbeiterinnen des Statistischen Bundesamtes in einer Veröffentlichung aus dem Jahr 2009 beispielsweise darauf hin, dass sich der Rückgang der durchschnittlichen Verweildauer nach Einführung des DRG-Systems nicht verstärkt, sondern verlangsamt hat (Spindler und Bölt 2009). Und der GKV-Spitzenverband stellte 2016 enttäuscht fest, der angestrebte Abbau von Krankenhauskapazitäten sei nicht erreicht worden (GKV-Spitzenverband 2016, S. 3).
- 2.
Georg Baum erscheint in dieser Aufzählung sowohl aufseiten des BMG als auch der DKG, da er bis 2005 Unterabteilungsleiter im BMG war und von dort direkt zur DKG wechselte und deren Hauptgeschäftsführer wurde.
- 3.
Für die hier diskutierte Thematik ist nicht die Zahl der Krankenhäuser insgesamt, sondern die der Allgemeinkrankenhäuser relevant, deren Zahl weitgehend identisch ist mit der Zahl der Kliniken, auf die das DRG-System Anwendung findet. Zu den ‚Krankenhäusern‘ insgesamt gehören auch ‚Sonstige Krankenhäuser‘, wie bspw. psychiatrische Kliniken, für die das DRG-System nicht gilt.
- 4.
Der Geschäftsführer des InEK zitierte bei einem Vortrag auf dem Nationalen DRG-Forum 2017 aus einem Brief eines Krankenhauses an das InEK. Darin habe es geheißen: „Uns ist bewusst, dass die ausbleibende Kalkulationsteilnahme in 2017 sanktionsbehaftet ist und sehen daher einer entsprechenden Sanktionierung gem. Anlage 1 Nr. 11 Buchstabe a) ihres Schreibens entgegen“ (zit. n. Balling 2017).
- 5.
Die vor-, teil- und nachstationären Behandlungen unterscheiden sich von vollstationären dadurch, dass sie ohne Übernachtung im Krankenhaus erfolgen. Die Krankenkassen sparen zwar gegenüber vollstationären Behandlungstagen, für die Patienten kann die Umwandlung von zuvor vollstationären Verweildauertagen in vor-, teil- oder nachstationären Tagen mit einer Mehrbelastung verbunden sein, wenn bei jedem Behandlungstag eine längere An- und Abreise anfällt und sie zudem im Krankenhaus längere Wartezeiten in Kauf nehmen müssen.
- 6.
Krankenhäuser erbringen allerdings trotz dieser ‚Strafen‘ dennoch gezielt Mehrleistungen, was vor allem darauf zurückgeführt werden kann, dass Mehrleistungen ohne zusätzliches Personal erbracht werden können und somit auch reduzierte Vergütungssätze noch Überschusschancen bieten.
- 7.
Alle hier angesprochenen Dokumente sind zum Download auf der Internetseite des Instituts für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) verfügbar (https://www.g-drg.de).
- 8.
Es sei denn, man interpretiert den Satz als ‚Geld folgt irgendeiner Leistung‘.
- 9.
Eine Ausnahme bilden lediglich einige OPS-Kodes, die gewisse Vorgaben zur Strukturqualität enthalten. Um DRGs mit diesen Kodes abrechnen zu können, muss ein Krankenhaus die im OPS definierten Anforderungen erfüllen.
- 10.
vor Kappung. Als ‚Kappung‘ wurde die durch Gesetz vorgegebene Begrenzung der Budgetkürzungen während der Konvergenzphase bezeichnet.
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Simon, M. (2019). Das deutsche DRG-System: Weder Erfolgsgeschichte noch leistungsgerecht. In: Dieterich, A., Braun, B., Gerlinger, T., Simon, M. (eds) Geld im Krankenhaus. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-24807-9_14
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